Nach Renovierung:Warum das neue Deutsche Museum enttäuscht

Lesezeit: 2 min

Die Baustelle am Deutschen Museum zieht bald um. Dann wird der zweite Teil saniert. Wer jetzt noch die alten Ausstellungen besuchen will, hat nur noch bis 28. Juni Zeit. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Nach jahrelanger Bauzeit öffnen bald die ersten renovierten Ausstellungen des weltbekannten Museums. Schon vorab wird deutlich: Ein Gesamtkonzept fehlt, viele Chancen bleiben ungenutzt.

Von Martina Scherf

Die Spannung wächst. Am 8. Juli will das Deutsche Museum nach jahrelanger Bauzeit den ersten Teil seiner renovierten Ausstellungen eröffnen. 19 sind es insgesamt, von Atomphysik über Gesundheit bis Robotik. Die Erwartungen sind hoch, nicht zuletzt, weil die Museumsleitung immer wieder mit Superlativen aufwartet: "Alles neu", "das modernste Deutsche Museum aller Zeiten". Doch nach dem zweiten Presserundgang lässt sich nur feststellen: Wer das glaubte, wäre enttäuscht.

Zum einen ist augenfällig, dass es kein Gesamtkonzept gab. Jeder Kurator, jede Kuratorin durfte eigene Designer beauftragen. So kommt es, dass in etlichen Sälen überwiegend Stellwände, Vitrinen und Texttafeln stehen, während die Gesundheitsabteilung mit einem riesigen, begehbaren Modell eines menschlichen Körpers aufwartet. Ein moderner OP-Tisch steht da, ein Augendiagnose-Gerät, an einer interaktiven Station kann man verfolgen, welche Muskeln und Knochen beteiligt sind, wenn man sich bewegt. Doch was ist mit der Pandemie? Kommt Corona überhaupt vor? Was ist zum Thema Impfungen zu sagen? Da hängt der gelbe Impfausweis in einer Vitrine nebst diversen Fläschchen - Polio, Pocken, Tetanus, und ja, auch eines gegen Covid von Biontech.

Gegenüber steht der erste Brutschrank von Robert Koch, dem es erstmals gelungen ist, den Milzbrand-Erreger zu züchten. Welch tolle Geschichte könnte man erzählen über diesen Mann, den ersten Professor für Hygiene in Deutschland. Im Auftrag der kaiserlichen Kolonialverwaltung reiste er nach Afrika und Asien, forschte über Cholera, Malaria, Typhus. Stand in andauernder Rivalität mit dem Franzosen Louis Pasteur. Trickste mit einem angeblichen Mittel gegen Tuberkulose, das ihn reich gemacht hätte - zu Kochs Zeiten starb etwa jeder siebte Deutsche an der "Schwindsucht"-, doch es stellte sich als Fake heraus. All diese Geschichten bleiben verborgen. Stattdessen wieder eine kleine Texttafel.

Einblicke in die Welt der Forscher will die Ausstellung bieten. Zum Beispiel mit diesem Ionenimplanter. (Foto: Florian Peljak)

,

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Ein Stück Musikgeschichte: der Moog-Synthesizer. (Foto: Florian Peljak)

Aber vielleicht werden ja solcherart Begleitinformationen künftig aufs Handy oder in der Museums-App geliefert. Man dürfe da "Großartiges" erwarten, heißt es. Zum Beispiel auch in der Musikabteilung. Der Saal mit den historischen Orgeln ist eindrucksvoll, die Original-Stuckdecke wurde wieder hergestellt, ein Highlight wie die älteste Kirchenorgel Bayerns wird auf einer Empore mit sakraler Anmutung präsentiert. Tonbeispiele zu 40 verschiedenen Instrumenten und Soundtracks von Filmen soll es über den digitalen Museumsguide oder die App geben.

In der Chemie gibt es drei sehr große Räume mit den Nachbauten historischer Labore. Zum Beispiel jenem von Justus von Liebig, das einst in der Münchner Karlstraße stand. Der Erfinder des Rindfleischextrakts, des Narkosemittels Chloroform und des Superphosphat-Düngers war einer der höchst dekorierten Wissenschaftler seine Zeit. Über sein aufregendes Leben erfährt man allerdings nichts. In einem kleinen Hörsaal und Labor sollen aber künftig chemische Experimente vorgeführt werden.

Schmuckstück unter Stuck: eine imposante Orgel von Jürgen Ahrend. (Foto: Florian Peljak)
Eine Skulptur aus Elektroschrott, hergestellt von den hauseigenen Werkstätten. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Dann kommt die moderne Chemie, dort stehen Themeninseln. "Sehr viele Gegenstände des Alltags bestehen, zumindest teilweise, aus Kunststoff", ist dort etwa zu lesen. Vor allem Lebensmittel seien durch Plastikverpackungen geschützt. Man dürfe die Verpackungen aber nicht einfach wegwerfen. Keine Zahlen, keine Daten, keine Analysen zum riesigen Plastikproblem der Gegenwart.

Sonderausstellungen in den vergangenen Jahren - zum Anthropozän, Kaffee oder zu Energiewenden - hatten hoffen lassen, das Museum werde künftig auch Fragen aufgreifen, die das 21. Jahrhundert an die Geschichte der Technik stellt: nach dem soziohistorischen Kontext, nach politischen und ökonomischen Zusammenhängen, nach Technikfolgen. Diese Hoffnung ist bislang nicht erfüllt worden. Lediglich eine eindrucksvolle Skulptur aus Elektroschrott haben die hauseigenen Werkstätten als Mahnung an die Besucherinnen und Besucher hergestellt.

Festakt im Deutschen Museum am 7. Juli, Öffnung der neuen Ausstellungen für Besucher am 8. Juli; dann beginnt Teil II der Sanierung; die alten Ausstellungen mit Bergwerk und Starkstrom-Experimenten sind nur noch bis 28. Juni geöffnet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNeuer Konzertsaal
:Zu teuer für München?

Münchens neues Konzerthaus am Ostbahnhof sollte sich mit den besten Sälen der Welt messen können. Die Geschichte eines Projekts, dessen Zukunft ungewisser ist denn je.

Von Susanne Hermanski, Kassian Stroh und Nadja Tausche

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: