Auseinandersetzungen bei Gedenkveranstaltung:Politik will Polizeieinsatz überprüfen

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Nach dem rassistischen Anschlag in Hanau vor zwei Jahren im Februar 2020 wurde in München eine Mahnwache abgehalten. Dieses Jahr kam es bei einer Gedenkveranstaltung zu einer Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und Polizisten. (Foto: dpa)

Warum kam es am Samstag in München beim Gedenkzug für die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau zum Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray? Diese Frage soll nun im Stadtrat behandelt werden.

Von Catherine Hoffmann und Joachim Mölter

Der Polizeieinsatz am Samstagnachmittag rund um die Gedenkveranstaltungen für die Opfer des rassistischen Terror-Anschlags in Hanau 2020 wird aller Voraussicht nach ein politisches Nachspiel haben. Parteiübergreifend stimmten sich am Montag jedenfalls Vertreter mehrerer Fraktionen über eine Stadtratsanfrage zur Präsenz und zum Vorgehen der Polizei ab. Während eine stationäre Versammlung auf dem Königsplatz am Nachmittag problemlos verlaufen war, gab es während eines anschließenden Demonstrationszugs in der Luisenstraße einen Zwischenfall, bei dem Polizeibeamte Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Demo-Teilnehmer einsetzten; dabei gab es Verletzte auf beiden Seiten. Nachdem der Versammlungsleiter Thomas Lechner, der als Parteiloser für das Bündnis Die Linke/Die Partei im Stadtrat sitzt, die Demonstration am Georg-Freundorfer-Platz im Westend schließlich für beendet erklärt hatte, kam es am Abend noch zu Festnahmen an den U-Bahn-Stationen Hauptbahnhof und Schwanthalerhöhe, die jeweils für Tumult sorgten.

Am Hauptbahnhof nahmen Beamte einen 20-Jährigen fest, der zuvor in der Luisenstraße mit einer Fahnenstange auf einen Polizisten eingeschlagen haben soll. Nach Zeugenaussagen, die der Antifaschistische Stammtisch München verbreitete, hätten Mitglieder eines Unterstützungskommandos (USK) dabei "wahllos Menschen angegriffen, die einfach nur in die U-Bahn steigen wollten". Nach Angaben der Polizei hätten Begleiter des 20-Jährigen versucht, die Festnahme zu verhindern; im Verlauf der körperlichen Auseinandersetzung sei dann auch der Schlagstock eingesetzt worden. Wie Polizeisprecher Andreas Franken mitteilte, werde der Vorgang intern bereits geprüft; zu diesem Zweck werden diverse Videoaufzeichnungen ausgewertet.

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Schon beim Gedenken auf dem Königsplatz fällt die starke Polizeipräsenz auf

Von der Aktion auf der Schwanthalerhöhe hätten Demo-Teilnehmer berichtet, dass sie "ruppig auf den Boden geworfen" worden seien, erzählte am Montag die Grünen-Politikerin Mona Fuchs, die als Beobachterin die Gedenkveranstaltungen begleitet hatte. Von anderer Seite hieß es, dass Polizisten "anlasslos und willkürlich" auf Versammlungsteilnehmer eingeprügelt hätten. Laut Polizeisprecher Franken sei zunächst eine Person festgesetzt, nach kurzer Überprüfung der Identität aber wieder freigelassen worden. Bei ihm bestand zunächst der Verdacht, dass es sich um den am Hauptbahnhof verhafteten Tatverdächtigen handelte. Eine andere Person sei derweil wegen des Vorwurfs eines tätlichen Angriffs vorübergehend festgenommen worden.

Was die Münchner Stadträte der Polizei im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen nun vorwerfen, ist zum einen "eine nicht angemessene Eskalation", wie Lechner vor allem den Zusammenstoß in der Luisenstraße resümierte. Zum anderen kritisierte Mona Fuchs, dass bereits beim "pietätvollen und würdevollen" Gedenken am Königsplatz "unverhältnismäßig viel Polizei" zu sehen gewesen sei. Sie hatte rund 50 Einsatzfahrzeuge gezählt, die Zahl der eingesetzten Beamten wollte die Polizei nicht nennen.

Wie Polizeisprecher Andreas Franken sagte, habe es Hinweise gegeben, dass bei dem Demonstrationszug ins Westend gewaltbereite Personen aus dem linken Spektrum mitmarschieren wollten; deshalb sei der Zug zunächst auf allen Seiten von Polizei begleitet gewesen. Nach dem Stopp in der Luisenstraße und deeskalierenden Ansprachen von Versammlungs- und Einsatzleiter habe die Polizei im weiteren Verlauf darauf verzichtet. Den Hinweis auf die Beteiligung von gewaltbereiten Linken nannte Lechner indes eine "self-fulfilling prophecy". Damit könne die Polizei immer wieder gewalttätiges Eingreifen rechtfertigen.

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