Corona-Regeln:Nähe muss man wieder lernen

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Elegante Aufforderung zum Maskentragen: Ein Laden in Kleinhadern geht kreativ mit den Corona-Regeln um. (Foto: Privat)

Von großer Erleichterung bis zur Regel-Ratlosigkeit: Wenn am Sonntag in fast allen Bereichen die Maskenpflicht fällt, gehen die Betreiber großer Geschäfte, Bars und anderer Einrichtungen sowie ihre Kunden ganz unterschiedlich damit um.

Von Philipp Crone

Die Frau macht ein Geräusch, als würde sie nach einem Apnoe-Tauchgang das erste Mal Luft holen. Sie steigt am Donnerstagvormittag aus dem 68er-Bus am Baldeplatz, rupft sich die Maske vom Mund und schnauft, dass es die Passanten auf der anderen Straßenseite hören können. "Nicht mehr lang", ruft ihr einer zu, als Antwort bekommt er eine gereckte Faust und ein lautes "Endlich!" zurück. Wobei die Maskenpflicht ja in öffentlichen Verkehrsmitteln weiter gelten wird, nur in den allermeisten anderen Bereichen nicht mehr.

Mit ihrer Reaktion ist die Dame sicher am oberen Ende der Erleichterungsskala. Die Stimmung in Bars, Geschäften und anderen Einrichtungen ist im Schnitt eher gemäßigt. Einige setzen auf die Eigenverantwortung der Bürger, andere auf deren Lesevermögen.

Noch ist in diesen Tagen alles wie gewohnt, die Menschen mit den flachen Schwimmflügeln an den Armen oder den Masken als Kinnschoner unter dem Mund bestimmen das Stadtbild. Ein junger Mann aus Giesing sagt, dass er die nächsten Jahre auf jeden Fall mit Maske U-Bahn fahren wolle, einfach weil er sich besser fühle. Und eine Passantin in der Fraunhoferstraße, die auch auf dem Bürgersteig noch ihre Maske trägt, sagt: "Ach, die hab ich ganz vergessen beim Rausgehen vom Bäcker." Sie duzt das Gegenüber sofort und unterläuft den eingeübten Abstand von eineinhalb Metern um etwa eineinhalb Meter, ehe sie sagt: "Ach komm, so schlimm war dat mit den Masken doch nich." So verschieden die Wahrnehmungen sind, so verschieden sind auch die Ankündigungen.

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Im Schreibwarengeschäft Ehrl am Hönigschmidplatz in Kleinhadern zum Beispiel gibt es eine elegante Motivation, den Gesichtsschutz im Laden weiter aufzusetzen. Da ist ein Bild von Spiderman aufgehängt, über dem steht: "Ab Montag, 4. 4., Superhelden tragen freiwillig Maske." Oder im Café Kosmos, der kleinen Bar am Hauptbahnhof. Dort wird weiter die 2-G-plus-Regel gelten. "Das liegt daran, dass wir das für sinnvoll halten", sagt Betreiber Florian Schönhofer, "und daran, dass kaum einer unserer Gäste nicht geimpft ist. Allerdings werde man nicht mehr die Impf-App scannen, nur noch danach fragen. Und Masken? "Masken und Bars passen einfach überhaupt nicht zusammen." Dafür wird es sie in anderen Bereichen weiter geben, zum Beispiel in Kosmetik-Läden.

Viele wissen noch nicht, wie die Regeln genau aussehen werden

Da gibt es die Praxis aber ohnehin schon immer, nicht erst seit Corona, sagt Mildrith Rocha vom Kosmetik-Institut Roscha an der Ursulastraße in Schwabing. Sie wird weiter Maske tragen und überlegt, ihre Kunden auch darum zu bitten. "Ich weiß aber auch noch gar nicht genau, wie die Regeln genau aussehen werden", sagt Rocha. Mit ihrer Regel-Ratlosigkeit ist sie nicht alleine. Der Münchner Masken-Talk ist exemplarisch am Donnerstagnachmittag an der Kasse eines Drogerie-Marktes in der Klenzestraße zu hören. Da fragt eine Kundin, ob sie am Montag noch immer eine Maske tragen muss (muss sie nicht). Und die Verkäuferin antwortet, dass sie das noch gar nicht weiß.

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Die Mitarbeiterin einer Bäckerei in Haidhausen wiederum hofft sehr, dass auch in Zukunft ihre Kunden eine Maske aufsetzen, auch wenn es nicht vorgeschrieben oder an der Eingangstür aufgeschrieben sein wird. Eine plakatierte Bitte zum Tragen einer Maske könnte Kunden vergraulen, ist die Befürchtung. Die kleine Bäckerei darf aktuell nur zwei Kunden gleichzeitig aufnehmen.

Im Rio-Kino werden die Plätze nur zu 60 Prozent ausgelastet

In Kultureinrichtungen gilt von Sonntag an: volle Auslastung, keine Maskenpflicht. Trotzdem will Kino-Betreiber Christian Pfeil seine Säle etwa im Rio-Kino am Rosenheimer Platz nicht bis auf den letzten Platz füllen. "Wir gehen auf 60 Prozent." Warum? "Weil ich davon ausgehe, dass unsere Besucher das auch so wollen." Und nicht direkt wieder eng an eng sitzen. Nähe muss man nun wohl auch erst wieder lernen und zulassen. Und Masken?

"Die Besucher dürfen Masken tragen, aber ich habe keine Lust mehr auf Diskussionen wie: ,Der hat jetzt seine Kekse schon eine Minute lang aufgegessen und seine Maske noch immer nicht wieder aufgesetzt! Der bringt mich in Lebensgefahr!'" Pfeil hält das Tragen einer Maske in Supermärkten und Verkehrsmitteln für sinnvoll, aber nicht in Kinos. Und Museen? Da herrscht auch am Freitag noch eher Ratlosigkeit, da die entsprechende Verordnung vom Freistaat noch nicht veröffentlicht ist.

Masken auf oder ab - in vielen Bereichen ist das von Sonntag an jedem freigestellt. Betreiber und Geschäftsleute wirken müde nach der langen Zeit, in der sie vom Staat als Hilfs-Sheriffs zur Umsetzung der Corona-Regeln eingesetzt wurden. Kino-Betreiber Pfeil sagt: "Jetzt müssen die Leute ihre Entscheidungen eben einfach wieder selber treffen."

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