Münchner Momente:Die verschobene Freiheit

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Ein paar Corona-Regeln sind gefallen, aber nicht alle - so bereitet uns der Ministerpräsident auf den "Freedom Day" vor.

Glosse von Stephan Handel

Und? Wie fühlt sie sich an, die Freiheit? Der Freedom Day? Ach so, wurde verschoben in Bayern? Freiheit jetzt erst Anfang April? Na dann.

Aber ein paar Freiheiten hat er uns ja doch gelassen, der Söder. Dass jetzt wieder Volksfeste stattfinden dürfen! Frühlingsfest, wir kommen! 0G in Tram, Bus und Bahn! Und: In der Fußgängerzone darf wieder Alkohol getrunken werden, auch außerhalb der Freischankflächen. Man sieht: Eine Zurückgabe der Freiheitsrechte mit Sinn und Verstand, alles auf einmal aufzumachen, hätte das Volk wahrscheinlich auch überfordert nach zwei eingeschränkten Jahren. So aber darf es seine Masken erst noch mal behalten - sonst käme es wahrscheinlich zu einem Sauerstoff-Schock beim ersten Atemzug mit frischer, ungefilterter Luft. Auch daran, in der Kneipe zwar dicht neben dem Freund und allen anderen am Tresen stehen zu können, für den Weg zur Toilette aber den Gesichtslappen aufsetzen zu müssen, haben sich die Leute gewöhnt wie an ihre ständig angelaufenen Brillen.

So haben wir jetzt also knapp zwei Wochen Zeit, uns auf die vollkommene Freiheit vorzubereiten. Daran, wieder zu jeder Zeit und ungeschützt von Fremden angehustet oder angeniest zu werden. Daran, nicht mehr jeden Morgen als Erstes die aktuelle Inzidenz nachzuschauen und davon die Tagesstimmung abhängig zu machen. Daran, wieder zu zweit aus einem Glas zu trinken, das Essen der Liebsten probieren zu dürfen, zu küssen, sich zu umarmen, Hände zu schütteln.

Wir werden uns daran gewöhnen, wieder näher zueinander zu rücken, nicht mehr immer und überall diese verfluchten eineinhalb Meter Abstand einzuhalten. Wir werden uns daran gewöhnen, nicht mehr dreimal am Tag den Personalausweis nebst dem Handy herzuzeigen, und es wird so sein wie früher: dass man ihn nie herzeigen muss. Wir werden vielleicht noch ein komisches Gefühl haben, wenn sich in einem Film zwei Menschen die Hand geben oder sich in die Arme fallen - aber auch das wird vergehen, ist ja jetzt nicht mehr verboten.

Und das mit dem Händewaschen, das können wir dann auch bleiben lassen. Hat eh keiner geglaubt, dass sich das durchsetzen wird.

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