Corona-Krise:Ein Laden, der zusammenhalten will

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Mahmut Özkan öffnet seinen "Burak Supermarkt" in Giesing gerade auch sonntags. (Foto: Catherina Hess)

Lebensmittelgeschäfte dürfen neuerdings auch sonntags öffnen, die wenigsten tun das aber. Eine Ausnahme ist der Burak Supermarkt in Obergiesing. Ums Geschäft gehe es ihm dabei nicht, sagt der Chef.

Von Jakob Wetzel, München

"Normalerweise ist hier mehr los", sagt Mahmut Özkan. An diesem Sonntag aber hat er etwas Zeit, also steht er vor seinem Laden an der Eintrachtstraße in Obergiesing, trinkt einen Tee und genießt die Sonne. Özkans "Burak Supermarkt" hat geöffnet. Es ist kurz vor ein Uhr, Kunden sind nur wenige im Geschäft, vielleicht wegen des schönen Wetters, sagt der Geschäftsführer. Das Angebot aber sei fast so wie immer. Die Regale drinnen sind voll, draußen stehen Kisten mit Obst und Gemüse. Nur die Fleisch-Auswahl ist reduziert. Sonntags kommt keine frische Lieferung.

Bereits zum dritten Mal hat Özkan seinen Supermarkt nun an einem Sonntag geöffnet. Er darf das wegen der Corona-Krise. Die bayerische Staatsregierung hat Mitte März das Ladenschlussgesetz vorübergehend gelockert: An den Osterfeiertagen soll sich zwar nichts ändern; sonst aber dürfen Geschäfte, die zum Beispiel Lebensmittel verkaufen, an Werktagen bis 22 Uhr öffnen, also zwei Stunden länger, und zusätzlich sonntags von 12 bis 18 Uhr. Nach aktuellem Stand gilt das bis 19. April. Die Idee ist: Die Menschen sollen mehr Abstand zueinander halten; und wenn Supermärkte länger geöffnet haben, verteilen sich die Kunden vielleicht besser, und es begegnen sich weniger viele an den Regalen.

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In den Supermärkten ist die Lage wegen des Virus ohnehin angespannt. Kassen werden mit Plexiglas-Wänden geschützt, dem sogenannten Spuckschutz. Markierungen auf den Böden sollen dabei helfen, Abstand zu halten. Aushänge und Durchsagen machen auf Verhaltensregeln aufmerksam. Mitarbeiter erhalten Desinfektionsmittel sowie auf Wunsch Einweg-Handschuhe, in einigen Supermärkten auch einen Mundschutz.

Rewe teilt mit, für die angegriffenen Hände verteile man Handcremes. Edeka weist seine Kunden darauf hin, sie sollten am liebsten bargeldlos bezahlen, um Schmierinfektionen vorzubeugen. Von Lidl heißt es, auch die Griffe der Einkaufswägen würden regelmäßig desinfiziert. An mehreren Supermärkten stehen jetzt bei Andrang zudem Mitarbeiter vor den Eingängen und passen auf, dass nicht zu viele Kunden zugleich im Laden sind. Vor dem Edeka an der Schäftlarnstraße in Thalkirchen etwa verteilen sie aus einer Schale mit Desinfektionsflüssigkeit eine begrenzte Zahl von Chips für die Einkaufswägen; ist keiner mehr da, heißt es warten.

Khadra Sulub arbeitet mit Mundschutz und Handschuhen. Sie reinigt die Scheibe, die die Beschäftigten an der Kasse vor Ansteckung schützen soll. (Foto: Catherina Hess)

Özkan hat ebenso Vorkehrungen getroffen. In seinen Supermarkt dürfen nur bis zu zehn Leute auf einmal; wenn mehr hineinwollten, "dann sind wir Türsteher", sagt er. Im ganzen Laden kleben im Abstand von etwa eineinhalb Metern Markierungen aus kleinen roten Punkten. Die Mitarbeiter tragen Mundschutz und Handschuhe, und die Kasse ist mit Plexiglas geschützt. Bezahlt werden soll durch ein Loch in der Scheibe. Ein kleiner Aufkleber weist darauf hin, dass man das Geld - oder besser noch die EC-Karte - auch wirklich durch dieses Loch reichen soll und nicht seitlich am Plexiglas vorbei.

Zu viel Enge ist im "Burak Supermarkt" an diesem Sonntag aber kein Problem. Ein junger Mann kauft gerade Eier und Limonade ein, "das habe ich gestern verplant", sagt er. Dass der Laden auch am Sonntag offen habe, sei ideal: Wenn er am Samstag etwas nicht bekomme, könne er jetzt am Sonntag wiederkommen. Am anderen Ende des Supermarkts steht ein Vater mit seinem Sohn an der Fleischtheke, sie wollten heute grillen, sagt er. Und draußen steht ein 55-Jähriger vor den Obstkisten. Unter der Woche habe er so viel zu tun gehabt, dass er nicht zum Einkaufen gekommen sei, sagt er. Jetzt sei sein Kühlschrank zwar nicht ganz leer, aber es fehlten eben die frischen Sachen. Es sei toll, dass er jetzt einkaufen könne, sagt er. Zumindest hier.

Von der reduzierten Fleisch-Auswahl merkt man an diesem Sonntag im Burak-Supermarkt wenig. (Foto: Catherina Hess)

Denn der "Burak Supermarkt" ist die Ausnahme. Er kenne keinen anderen Laden in der Umgebung, der sonntags öffne, sagt Özkan - und so kämen derzeit auch einige neue Kunden, die sonst eher nicht in einen türkischen Supermarkt gehen würden. Die großen Ketten aber bleiben sonntags derzeit zu.

Man bleibe bei den bisherigen Öffnungszeiten, erklärt etwa Lidl. "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten seit Wochen hart an der Belastungsgrenze und machen einen fantastischen Job", teilt die Rewe-Gruppe mit, zu der neben Rewe auch der Discounter Penny gehört. "Sie brauchen in der Ausnahmesituation auch einen Tag ohne Einsatz im Markt." Ähnlich äußert sich der Edeka-Verbund: Man wolle die Lage für die Beschäftigten nicht weiter verschärfen und bleibe daher bei den bisherigen Öffnungszeiten. Das empfehle man auch den selbständigen Einzelhändlern, die einen Großteil der Edeka-Märkte führen.

Die Gewerkschaft Verdi lehnt Sonntagsöffnungen ohnehin ab. Es gebe kein Argument, warum Läden sonntags öffnen sollten, sagt Heinrich Birner, Verdi-Geschäftsführer für den Bezirk München. Im Gegenteil: Weil derzeit viele Menschen von zu Hause aus arbeiten, hätten sie ja noch mehr Zeit als sonst, zu den bisherigen Öffnungszeiten einzukaufen. Und das Personal sei angespannt, körperlich und psychisch. Mitarbeiter zu zwingen, jetzt auch noch sonntags zu arbeiten, sei "ein Unding".

Gezwungen worden sei sie freilich gar nicht, sagt Yurdan Cetin, Chef-Kassiererin im "Burak Supermarkt". Wer hier am Sonntag arbeite, habe sich dafür freiwillig gemeldet. Und tatsächlich sei die Idee, sonntags zu öffnen, sogar von den Mitarbeitern ausgegangen. "Jetzt ist eine Zeit, da muss jeder mithelfen", sagt Cetin. Sie würden damit auch etwas gegen die Angst der Menschen tun, glaubt sie. Diese sähen: Es gibt genug zu essen. Auch am Sonntag.

"Wir waren anfangs überfordert", erzählt Mahmut Özkan. Als die Schulen und Kitas schlossen, seien viel mehr Kunden gekommen als sonst. Die einen hamsterten, die anderen kauften schlicht deshalb mehr ein, weil Kitas, Betriebs- und Schulkantinen geschlossen hatten und sie daher daheim mehr kochen mussten. Mit der Sonntagsöffnung habe man eigentlich für Entlastung sorgen wollen, sagt Özkan. Den ersten Sonntag hätten sie geöffnet, um Druck wegzunehmen, um aufzuräumen und Dinge zu erledigen, die liegen geblieben waren. "Wir dachten, wir hätten am Sonntag für so etwas Zeit." Doch an den vergangenen beiden Sonntagen sei ähnlich viel losgewesen wie sonst montags.

Eigentlich finde er es gut, wenn am Sonntag geschlossen sei, sagt Özkan. Das sei ein Familientag. Er werbe auch kaum dafür, dass er sonntags öffne, nur in den sozialen Medien - und dort schreibe er extra, dass das für wirklich dringende Einkäufe gedacht sei. Um den Umsatz gehe es ihm bei all dem nicht, versichert Özkan. Sondern um Zusammenhalt. Deshalb biete er nun auch Bestellungen per Whatsapp an: Man liefere normale Einkäufe bis vor die Tür, sagt Özkan, er selber sei auch unterwegs. Mal bestellten Familien, mal Leute ohne Auto. Aber auch Ältere, die wegen des Virus nicht hinausgehen wollen.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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