Alles neu, alles viel moderner: Das gilt für das Bürgerbüro in der Ruppertstraße schon seit Januar. Da wurden die neuen Räume eröffnet, seit ein paar Wochen sind nun auch die übrigen Bauarbeiten im Kreisverwaltungsreferat (KVR) abgeschlossen. Fünf Jahre lang ist gewerkelt worden: Ein fünftes Stockwerk wurde oben drauf gesetzt, die Fassade ist energetisch saniert worden, die Fenster sind ausgetauscht, es gibt viel Grün ums Gebäude. Im zweiten Bauabschnitt ging es darum, die Büroflächen neu zu gestalten, im laufenden Betrieb immer wieder insgesamt 1200 Arbeitsplätze umzuziehen. 64 Millionen Euro haben all jene Maßnahmen gekostet, die mit der Verbesserung des Bürgerservice zu tun haben. Die Sanierung des Gebäudes war Sache des Eigentümers.
Hell und übersichtlich: Das neu gestaltetes Bürgerbüro im KVR-Hauptgebäude.
(Foto: Florian Peljak)Das "neue Gesicht" des KVR, so nennt Ulli Fabinski, Projektleiter für den Umbau, nun den Eingang 19A, zur Lindwurmstraße hin. Früher betrat man die Behörde und irrte schon mal eine Weile durch die Gänge. Heute sollen die Bürgerinnen und Bürger bereits von außen wissen, wo sie genau hin müssen - Infoscreens und ein digitales Leitsystem weisen ihnen den Weg.
Es gibt nun vier separate, zum Teil neu geschaffene Eingänge, die kürzere Strecken im Gebäude ermöglichen. Bei der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze hätten die Mitarbeiter ihre eigenen Ideen und Wünsche einbringen können, sagt Kristin Nettelnbrecher, sie leitet die Abteilung Bürgerbüros im KVR. Das Betriebsklima habe seitdem "erheblich zugelegt", so Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle. Er glaubt, dass sich diese Zufriedenheit auch auf die Kundschaft überträgt. Die Wartezeiten betrügen im Normalfall nur wenige Minuten.
Eine klare Besucherführung - darauf wurde bei der Neuordnung besonders geachtet.
(Foto: Florian Peljak/Florian Peljak)Der Betrieb hat sich eingespielt seit der Eröffnung im Januar. Das ist auch nötig, denn in diesem Jahr haben die Mitarbeiter bisher so viele Pass- und Ausweissachen wie noch nie bearbeitet: Gut 142 000 sind es 2022 bereits gewesen, in allen Münchner Bürgerbüros zusammengenommen. Das liege zum einen daran, dass man Kinderreisepässe seit Anfang 2021 jedes Jahr verlängern lassen muss, sagt Nettelnbrecher. Zum anderen könnte es eine Folge der Corona-Pandemie sein. Viele hätten wohl während der zwei Jahre nicht bemerkt, dass ihr Ausweis abgelaufen ist, so die Abteilungsleiterin. Jetzt, wo die Menschen wieder reisen, falle es plötzlich auf.
Für KVR-Chef Thomas Böhle, 68, ist der Rundgang durch das neue Bürgerbüro auch ein Abschiedstermin. Der SPD-Mann, ein promovierter Jurist, geht nach vier Jahrzehnten in der Münchner Stadtverwaltung Ende Juni in den Ruhestand. Auf ihn folgt die neue KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne).
Freut sich auf den Ruhestand: Thomas Böhle, der seit 2016 an der Spitze des Kreisverwaltungsreferats stand.
(Foto: Florian Peljak)Böhle erinnert sich noch an seine Anfangszeit an der Spitze jener Behörde, die maßgeblich das gesellschaftliche Klima der Stadt prägt. 2016 war das, und "das erste halbe Jahr hätte schon für sechs Jahre gereicht", sagt Böhle. Erst der Anschlag am und im Olympia-Einkaufszentrum, ein paar Tage darauf ein Sprengstoffanschlag in Ansbach. Die Ereignisse hätten zu einem völlig neuen Sicherheitskonzept in München geführt, so Böhle, "das mit heißer Nadel zu stricken war".
Beim Oktoberfest in jenem Jahr war es dann verboten, größere Taschen und Rucksäcke mitzunehmen. Am Sendlinger-Tor-Platz waren indes 70 Geflüchtete in einen Hungerstreik getreten - im November lösten die Sicherheitsbehörden den Protest auf. Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin schließlich musste auch die Sicherheit auf Weihnachtsmärkten neu gedacht werden.
Später in Böhles Amtszeit gab es wegen der Corona-Pandemie teilweise weder Oktoberfest noch Weihnachtsmarkt. Die Herausforderungen verlagerten sich, die Versammlungsfreiheit wurde zum "Megathema", wie Böhle sagt. Seine Behörde wurde mit Demo-Anmeldungen regelrecht geflutet; 1500 waren es zwischen April 2020 und heute.
Auch abgesehen vom Protestgeschehen war der Umgang mit dem öffentlichen Raum, ein typisches KVR-Thema, ständig präsent: beim Lockdown und den damit einhergehenden Einschränkungen für Gastronomie und Gewerbe, aber auch als sich das Partygeschehen in den vergangenen Sommern ins Freie verlagerte. Seit dem Frühjahr bestimmt auch der Krieg in der Ukraine die Arbeit der Behörde: 16 500 Geflüchtete sind dort angemeldet worden, 10 000 Aufenthaltstitel haben die Mitarbeiter vergeben.
Ein paar andere Themen gab es zwischen all den Krisen freilich auch: die Einführung der Ehe für alle, 13 Wahlen und Abstimmungen, die neuen Schanigärten, von denen die Stadt "noch lange profitieren" werde, wie Böhle meint. Und jetzt, was kommt für ihn? Über Privates spreche er nur ungern, hieß es in einem SZ-Porträt anlässlich seiner Wahl als KVR-Chef 2016. Daran hat sich nicht so viel geändert. Nach seinen Plänen gefragt, grinst Böhle verschmitzt. "Ich werde aufwachen und dann überlegen, ob ich zu einem Buch greife oder einen Kaffee trinken gehe." Darauf freue er sich: das zu tun, "auf was ich Lust hab'".