Abenteuer im Riff:Krakenmut und Austernliebe

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Auf der Bühne des HP8 erzählt Rufus Beck eine Geschichte von Katharina Neuschaefer zu Illustrationen von Martin Fengel. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Familienkonzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Rufus Beck begeistert in der Isarphilharmonie - nicht nur die kleinen Besucher, sondern auch die Großen. Der Erlös kommt dem SZ-Adventskalender zugute.

Von Nicole Graner

Ein helles, glitzerndes Paillettenkleid. Und dazu gelbe Gummistiefel. Das kleine Mädchen trägt diese gewagte Kombination mit Stolz. Geht so große Schritte, dass das Kleid auch noch raschelt. In der Staatsoper wäre das wohl eher der falsche Dresscode, aber beim Familienkonzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) in der Isarphilharmomie ist vieles erlaubt, sogar blinkende Haarreifen.

Ein Tröten und Flöten. Ein Hupen und ein Quietschen. Es gehört zum Familienkonzert dazu, dass die Kinder im Foyer Instrumente ausprobieren können, bevor Chefdirigent Sir Simon Rattle und sein Orchester die Bühne betreten. Mit von der Partie ist der Schauspieler Rufus Beck, jener Mann, der seine Stimme selbst als ein Instrument bezeichnen könnte, weil er Geschichten so erzählt als wären sie ein lebendiges Buch.

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Die zehnjährige Greta aus Erlangen versucht gerade mit spitzen Lippen Töne aus einer silbernen, kleinen Flöte herauszubekommen. Es gelingt ihr. Ganz, ganz leise. "Mir gefällt der Klang einfach gut", sagt sie. Die fünfeinhalbjährige Adina aus China, die erst seit kurzem in München lebt, streicht mit großen Augen und ganzer Konzentration den Bogen über eine kleine Violine.

Und Aglaia bekommt von Franz Scheuerer, der seit 1989 beim BRSO bei den ersten Geigen spielt, eine genaue Anweisung, wie das Instrument gehalten werden muss. "Ich finde es toll zu sehen, mit welcher Neugierde die Kinder dabei sind", sagt der Musiker. Manche könnten alles blitzschnell umsetzen und hätten ein gutes Gespür für den Ton.

Flöte, Geige, PBone und viele Instrumente mehr: Die jungen Besucherinnen und Besucher das Familienkonzerts versuchen unter kundiger Anleitung den Instrumenten des Symphonieorchesters Töne zu entlocken. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Hupende Töne. Fast so etwas wie eine Tonleiter. Felix, 11, aus Thalkirchen posaunt - und das ganz ordentlich. Felix Eckert ist ganz angetan. "Du kannst schon etwas spielen, stimmts?", fragt er den Jungen. Der lächelt. "Ja, stimmt. Ich wollte nur deine blaue Posaune mal ausprobieren." Die sogenannte PBone ist nämlich total leicht. Das "P" steht für Plastik und ist gut für Kinder geeignet. Seit drei Jahren ist Eckert im BRSO. Viermal säubert er noch die Mundstücke für die wartenden Kinder. Dann müsse er aber Schluss machen, sagt er. Sich umziehen.

Ein Instrument, zwei Ausfertigungen: Die goldene Posaune ist schwer und aus Blech, die blaue ist leicht und aus Plastik, deshalb heißt sich auch PBone. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Konzert ist ausverkauft. Der Erlös kommt dem Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung zugute. 1956 Besucher, groß und klein, warten auf die musikalische Unterwassergeschichte "Abenteuer am Riff". Ein Geschnatter, ein Geplapper im Saal. Jasper ist mit seiner Patentante Eva Sophie Albrecht gekommen. Die 27-Jährige hat dem Fünfjährigen aus dem Großen Orchesterbuch vorgelesen. Darin erklärt Sir Simon Rattle die Instrumente. "Jetzt sieht er ihn zum ersten Mal live", sagt sie. Und dann kommt der Mann mit dem lockigen, weißen Haar wirklich. Jasper hat sich vor Aufregung hingestellt. Schaut gebannt auf die Bühne.

Musik ertönt. Auszüge aus Claude Debussys "La mer" und Alexander Skrijabins Le Poème de l'Extase. Es ist still im Saal, erstaunlich still. Rufus Beck, ganz in grün und mit Turnschuhen, erzählt zu wunderbaren Illustrationen (Martin Fengel) die herrliche Geschichte (Katharina Neuschaefer) vom dunklen Riff, von dem pupsenden Kraken, der aussieht wie ein "Fleischsack mit Würsten" und den bösen Quallen. Er schnieft, zischt, rappt. Alles ist so bezaubernd, dass diese Stunde nicht nur etwas für Kinder ist, sondern für alle, die eine kurze Auszeit brauchen. Rattle, sein Orchester und Beck - eine Symbiose, die wie Albrecht spontan sagt, "irgendwie Balsam für die Seele ist". Genau dies täte so gut in diesen Zeiten. Jasper kommt wieder. Aber das nächste mal will er ganz oben sitzen.

Dass die Geschichte gut ausgeht, versteht sich übrigens von selbst. Der Krake wächst über sich hinaus, rettet seine Freunde. Und Auster und Qualle sind das Liebespaar der Stunde. "Gut, dass die sich bekommen haben", sagt ein Mädchen am Ende. Ein anderes strahlt und freut sich: "Papa, die Musik war schön!". Genau. Das war sie.

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