Münchner Opernfestspiele:Erschütternd düster

Lesezeit: 1 min

Das Zeichen der Opernfestspiele 2023: die Regenbogenfarben an den Säulen des Nationaltheaters. (Foto: Florian Peljak)

Bei "Boris Godunow" wird im Gegensatz zur Premiere von vor zehn Jahren Putins Konterfei nicht gezeigt - trotzdem war der russische Präsident beklemmend präsent an diesem Abend.

Von Klaus Kalchschmid

Bei der Premiere vor zehn Jahren trug das Volk in "Boris Godunow" am Nationaltheater noch Dutzende Plakate mit den Konterfeis der wichtigen Politiker dieser Welt von Obama bis Putin, jetzt leuchten diese Plakate in aufreizend gesichtslosem Weiß. Aber die Welt ist seither eine andere - und den russischen Präsidenten einfach so inmitten der anderen zu zeigen, wäre ein fatales Signal gewesen; ihn wegzulassen ebenso. Dennoch war er beklemmend präsent an diesem Abend über einen Zaren des 16. Jahrhunderts, der ein Usurpator war, Giftmorde verüben ließ, innenpolitische Spannungen nicht beherrschen und eine Hungersnot nicht lindern konnte.

Vorgesehen für die Wiederaufnahme nach sechs Jahren war Ildar Abdrazakov, dem gute Beziehungen zu Putins Partei nachgesagt werden. Anders als im Falle von Anna Netrebko hielt die Staatsoper bis vor Kurzem an dieser Besetzung fest. Jetzt hat der Russe "aus familiären Gründen" abgesagt und lässt via Social Media wissen, er brauche eine Auszeit und werde deshalb in München nicht singen.

Newsletter abonnieren
:SZ Literatur

Interessante Bücher, dazu Interviews und ausgewählte Debatten-Beiträge aus dem Feuilleton - jeden zweiten Mittwoch in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

So konnte man erneut den Boris der Premiere, Alexander Tsymbalyuk, erleben. Und wieder ging seine großartige singschauspielerische Leistung unter die Haut. Doch so rund und reich timbriert der Bass des Ukrainers ist, so versehrt kann er auch klingen. Denn mehr noch als bei Mussorgsky vorgesehen, ist dieser Boris schon bei seinem ersten Auftritt ein Verlorener, ein Zweifler. Später erlebt er Wahnvorstellungen und stirbt, Gott um Verzeihung bittend, barfuß an der Rampe kauernd.

Das ist das bittere Ende der Urfassung von Mussorgskys Oper, die in der Regie von Calixto Bieito ohne Pause und Zwischenapplaus gespielt wird. Das Bühnenbild von Rebecca Ringst sieht aus wie ein schwarzer Bunker oder Tanker, dessen goldenes Innere sich magisch als Zarenpalast öffnen und schließen kann. Kalt ist diese Pracht, und unter Leitung von Vasily Petrenko tönt es aus dem Graben erschütternd düster in allen erdenklichen Schattierungen von Stahlgrau bis Tiefschwarz.

Neben Tsymbalyuk brillierten Vitalij Kowaljow als väterlich warmer Pimen, Dmytro Popov als heuchlerischer Grigorij und Gerhard Siegel als intriganter Schuiskij. In kleineren Partien überzeugten unter anderem die jungen Baritone Ryan Speedo Green (Warlaam), Sean Michael Plumb (Schtschelkalow) und Thomas Mole (Mitjucha).

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBaukosten
:Macht's nur so weiter

Gasteig, Elbphilharmonie, BER: Muss auf dem Bau immer alles teurer werden? Nein, es gibt genug Beispiele im Kulturbereich, die zeigen, wie es anders geht. Vor allem dann, wenn sich die Politik raushält.

Von Gerhard Matzig

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: