Bellevue di Monaco:Kicken im Tiger-Käfig

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Kicker laufen auf dem Dach es Bellevue di Monaco dem Ball hinterher. (Foto: Catherina Hess)

Vor drei Jahren wurde der Dachsportplatz auf dem Bellevue di Monaco eröffnet. 21 Meter über der Straße kann man hier Fußballspielen. Über ein soziales Angebot, das auch über München hinaus als Impulsgeber dienen soll.

Von Maik Rosner

Eben noch kickte hier eine Kindergruppe mit Mädchen und Jungen, nun spielen auf dem Dachsportplatz des Bellevue di Monaco junge Männer Fußball, die in der Elektrosparte eines Automobilherstellers arbeiten und ihren Feierabend zum Teambuilding nutzen. Es ist ein später Donnerstagnachmittag im Oktober, und was sich hier oben auf dem Haus in der Müller-/Ecke Corneliusstraße beobachten lässt, bildet einen Teil des Konzeptes ab. "Das ist genau das, was wir wollten: Eine außergewöhnliche Sportstätte, die für alle Münchnerinnen und Münchner zugänglich ist", sagt Matthias Groeneveld, der die Belegung des Spielfeldes koordiniert.

Am Sonntag gibt es den Dachsportplatz seit genau drei Jahren. Doch von einem Jubiläum kann nur bedingt gesprochen werden. Zwar wurde der Platz am 15. Oktober 2020 eröffnet, bespielt wurde er seither nur rund anderthalb Jahre lang. "Es ging erst im Frühjahr 2022 richtig los", sagt Rüdiger Heid. Schon kurz nach der Eröffnung habe man wegen der Corona-Auflagen wieder zusperren müssen, erzählt der Gründer und Gesellschafter von "Bunt kickt gut", jener Straßenfußball-Initiative, die sich seit mehr als 25 Jahren für den interkulturellen Austausch und die Integration einsetzt.

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Im Bellevue di Monaco leben Geflüchtete. Vor rund zehn Jahren sollte das Gebäude abgerissen werden, um Platz zu schaffen für einen Investoren-Neubau. Dagegen regte sich Widerstand, den der heutige Bellevue-Vorstand Till Hofmann organisierte und an dem sich unter anderem die Sportfreunde Stiller beteiligten. Schon damals hatte Hofmann die Idee für den Dachsportplatz. Dieser sei abgesehen von den schwierigen Umständen der Anfangszeit durch die Pandemie "ein absolutes Erfolgskonzept", sagt Heid, "die Nachfrage ist riesig".

Zwischen 14 und 20 Uhr kann hier von Montag bis Freitag nach vorheriger Anmeldung bei "Bunt kickt gut" kostenlos gespielt werden, ebenso am Samstag und Sonntag zwischen zehn und 16 Uhr. Heid findet, die außergewöhnliche Sportstätte sei "ein Highlight für München, aus sozialer und architektonischer Sicht sowie bei der Frage, wie man Räume in einer Stadt nutzbar machen kann. Damit sensibilisiert der Dachsportplatz in viele verschiedene Richtungen."

Es ist auch weit über München hinaus ein ziemlich einzigartiger Bolzplatz. Neun mal 13 Meter oder 117 Quadratmeter misst das Spielfeld. Auf einer Höhe von knapp 21 Metern über der Straße laufen die Kicker dem Ball auf einem Tartanbelag hinterher. Eingefasst wird der Platz von einer Stahlträgerkonstruktion, in die Leuchtröhren eingelassen sind. Diese tauchen den Platz in den Abendstunden in ein güldenes Licht. An den Stahlträgern ist ein Rundum-Gitter angebracht, damit weder Menschen noch Bälle herunterfallen können.

Matthias Groeneveld (rechts) koordiniert die Belegung des Spielfelds und ist der stellvertretende Leiter von "Bunt kickt gut". Rüdiger Heid ist Gründer und Gesellschafter der Initiative. (Foto: Catherina Hess)
Der Dachsportplatz befindet sich knapp 21 Meter über der Straße und ist von einem Rundum-Gitter umgeben. (Foto: Stephan Rumpf)

An der Stabilität bestehe kein Zweifel, sagt Groeneveld, der stellvertretende Leiter von "Bunt kickt gut", die Gitterkonstruktion sei "Raubtier-geprüft". Was lustig klingt, ist kein Scherz. "Diese Konstruktion wird in Zoos für Großkatzen-Gehege eingesetzt. Das Gitter hält Tiger aus", erklärt Groeneveld. Bis zu 300 Kilogramm kann solch ein Raubtier auf die Waage bringen.

Auch Löwen sollen auf dem Dachsportplatz schon gespielt haben, darunter der frühere 1860-Nachwuchskicker Robert Glatzel, der inzwischen für den Hamburger SV in der zweiten Bundesliga seine Tore erzielt. Einige noch deutlich bekanntere aktuelle und ehemalige Fußballer waren ebenfalls schon hier, von Bastian Schweinsteiger über Uli Hoeneß und Lothar Matthäus bis hin zu Lilian Thuram. Der französische Weltmeister von 1998 kam auf einer Lesereise vorbei und bolzte mit den Kindern von "Bunt kickt gut" mit Blick über München. Von den aktuellen Bayern-Profis besuchten unter anderem schon Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Serge Gnabry den Dachsportplatz. Mit Gnabry wurde dort ein Videoclip gedreht. Solche Ausnahmen erlaubten sie nur selten und auch nur dann, wenn dadurch eine Spende zur Finanzierung der laufenden Kosten abfalle, betont Heid. Schließlich diene der Platz nicht kommerziellen Zwecken.

Der FC Bayern trug zur Finanzierung des Platzbaus ebenso bei wie einige Unternehmen, hinzu kamen private Spenden. "Ein paar Hunderttausend Euro waren es schon", sagt Christian Ganzer, der Mitbegründer des Bellevue di Monaco, über die Baukosten. "Die laufenden Kosten pro Jahr liegen im ersten Drittel des fünfstelligen Bereichs", ergänzt Heid. Eine Stiftung sei zuletzt abgesprungen, dadurch stelle sich derzeit die Frage, wie die laufenden Kosten künftig gedeckt werden sollen. Nur darum gehe es, der Dachsportplatz sei eine Einrichtung, "die sich nicht ökonomisch, sondern sozial rentiert", betont er.

Gefeiert wird nicht, aber es gibt Wünsche für die kommenden drei Jahre

Der Sozialgenossenschaft des Bellevue di Monaco gehört das Haus und damit auch der Dachsportplatz. Benannt wurde dieser nach Kurt Landauer, dem ehemaligen jüdischen Präsidenten des FC Bayern, der vor den Nazis in die Schweiz geflohen war und der nach dem Krieg noch einmal zum Verein zurückkehrte. "Kurt Landauer ist ein Beispiel dafür, dass Flucht eine lebensrettende Maßnahme ist", sagt Ganzer, "es gibt ja nicht nur Leute, die hierher fliehen, sondern es gab auch mal Leute, die hier weg mussten und dadurch überlebt haben, dass andere Länder sie aufgenommen haben". In Blickweite vom Dachsportplatz liegt das Jüdische Zentrum und Museum am Sankt-Jakobs-Platz.

Gefeiert werden soll das dreijährige Jubiläum nicht. Aber Wünsche für die kommenden drei Jahre gibt es schon. Darunter die Hoffnung, dass die Stadt längere Nutzungszeiten ab Frühjahr 2024 erlaubt. Der Platz sei zudem "als Modell gedacht, als sichtbarer Impulsgeber für eine Idee, die weitergetragen werden soll", sagt Heid. Groeneveld ergänzt: "Am schönsten wäre es, wenn man in drei Jahren sagen könnte: Das war der erste Dachsportplatz seiner Art, inzwischen gibt es drei. Wir haben es geschafft, mehrere solcher Begegnungsstätten für die Stadt München und darüber hinaus einzurichten".

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