Infrastruktur:Bürger sollen über Verkehrsprojekte entscheiden

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Als Abschnitt für nochmals strengere Abgasregeln nannte Dieter Reiter die Strecke vom Abzweig der Lindauer Autobahn bis zur Landshuter Allee. (Foto: Florian Peljak)

Das wollen zumindest die Grünen. Dabei gibt es aber ein Problem.

Von Heiner Effern, Daniela Kuhr und Marco Völklein, München

Dritte Startbahn, zweite S-Bahn-Stammstrecke, neue Straßentunnel am Mittleren Ring - entscheiden bald die Bürger darüber, wie es weitergeht mit den großen Verkehrsprojekten in der Landeshauptstadt? Stadt und Freistaat sind sich einig, dass man um eine erneute Bürgerbefragung nicht herumkommen wird, wenn man die Startbahn doch noch bauen will. Und die Grünen denken zusammen mit Münchner Umweltverbänden darüber nach, zumindest bei den Straßentunneln, möglicherweise aber auch zu anderen Verkehrsprojekten, die Bürger zu befragen.

So hatten sich Vertreter der Grünen wie auch der Umweltverbände vergangene Woche im Rathaus zusammengesetzt. Der Unmut ist groß über die jüngsten Entscheidungen der Rathausmehrheit. CSU und SPD regierten mit einer besonderen Art des "Auto-Fokus", sagt Heidi Schiller, die Stadtvorsitzende der Grünen. "Das ist der Wahnsinn, was da abgeht".

Die Aussperrung der Radler vom Marienplatz, der Startschuss für weitere Tunnelplanungen - all das stößt den Aktivisten der Verbände wie der Grünen-Spitze auf. Es wurde deshalb auch über mögliche Bürgerbegehren gesprochen; aber es herrscht Unsicherheit, wie das Nein zu neuen Straßentunneln, die Forderung nach mehr öffentlichem Nahverkehr und der Ruf nach einer besseren Förderung des Radverkehrs in eine gemeinsame Fragestellung passen könnte.

Die Themen eignen sich schlecht für eine Abstimmung

Manche träumen gar von einem Bürgerbegehren unter dem Titel "Das bessere Verkehrskonzept", in dem auch der zweite S-Bahn-Tunnel behandelt werden könnte. "Die Leute fangen an, nachzudenken und für Alternativen zur zweiten Röhre zu kämpfen", sagt Schiller. "Da werden uns Mittel und Wege einfallen." Das Problem ist nur: "Es gibt keine klare Schwarz-Weiß-Aufteilung", ergänzt ein Umweltaktivist. Als Naturschützer könne man schlecht gegen eine größere Fußgängerzone argumentieren - auch wenn so die Radler verdrängt werden. Oder für den Bau neuer Tramlinien sein, gleichzeitig aber gegen die U-5-Verlängerung.

"Das sind Themen, die sehr erklärungsbedürftig sind" - und sich schlecht eigneten für eine Abstimmung. Hinzu kommt: Beim Tunnelbegehren 1996 hatte sich die SPD noch gegen neue Röhren gestellt. Das ist nun anders. "Wäre ein Anti-Tunnel-Begehren in dieser Konstellation zu gewinnen?", fragen manche besorgt.

Diese Frage stellen sich auch CSU und SPD beim anderen großen Verkehrsthema: der dritten Startbahn. Derzeit ist der Draht zwischen OB Dieter Reiter (SPD) und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eng. Die Gespräche sollen konstruktiv sein, heißt es, beide Seiten äußern sich zu Inhalten nicht. Seehofer steht jedoch unter Druck, weil die Fraktion eine Entscheidung fordert. "Die Fraktion will die Startbahn und keinen Fahrplan", heißt es im Landtag.

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Eine zweite Abstimmung kann es nur mit neuer Ausgangslage geben

Doch viel mehr wird Seehofer seiner Fraktion nicht bieten können. Ohne München kann der Freistaat fordern, was er will. Und Reiter wiederholt immer wieder: Die Stadt fühlt sich gebunden an den negativen Bürgerentscheid. Das könnte sich nur durch einen zweiten ändern. Diesen Weg gibt es mit Reiter aber nur, wenn eine neue Ausgangslage vorliegt, wenn der Flughafen so viele Starts und Landungen nachweist, dass er ohne dritte Startbahn den Betrieb nicht mehr bewältigen kann.

Seehofer trat am Montag auch erst mal auf die Bremse. Anders als angekündigt ging es im CSU-Vorstand nur kurz um die dritte Piste. Das Thema sei ihm sehr ernst, er wolle es in Ruhe "in den Gremien diskutieren", sagte Seehofer. Doch Ruhe und Gelassenheit sind den CSU-Abgeordneten zu wenig.

Seehofer schätze "die Position und die Entschlossenheit der Fraktion falsch ein", heißt es im Landtag. Die Münchner CSU ist sich aber mit der SPD einig, dass überstürztes Handeln kontraproduktiv ist. Einen Fahrplan für eine zweite Abstimmung sieht SPD-Fraktionschef Alexander Reissl derzeit nicht, sondern ein hohes Risiko: "Wenn ein zweiter Bürgerentscheid negativ endet, ist die dritte Startbahn tot."

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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