Unglück in Trudering:Gefährliche Flucht auf Zugdächern

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Die Flüchtlinge wollten aus dem Planendach des blauen Waggons aussteigen, dabei wurden drei Menschen schwer und mehrere leicht verletzt. (Foto: Florian Peljak)

Drei Geschwister aus der Türkei waren beim Absprung vom Dach eines Güterzugs schwer verletzt worden. Nun nennt die Bundespolizei Zahlen zu Fluchtversuchen mit der Bahn.

Von Thomas Anlauf

Nach dem Stromunfall beim Absprung aus einem Güterzug im Münchner Bahnhof Trudering haben Ärzte zwei Verletzte ins künstliche Koma versetzt. Der Zustand des anfangs wiederbelebten 24-Jährigen und seiner 15-jährigen Schwester sei "kritisch, aber stabil", teilte die Bundespolizei mit. Ihr zwölfjähriger Bruder sei ebenfalls "relativ stabil". Auch am Donnerstag sollen die Menschen, die offenbar aus der Türkei geflüchtet waren, noch intensivmedizinisch behandelt worden sein. Es werde einige Tage dauern, bis klar sei, wie ihr gesundheitlicher Zustand nach dem künstlichen Koma sei.

Die drei waren am Dienstag zusammen mit neun weiteren Menschen illegal in dem Güterzug über die Grenze nach Deutschland gefahren und bei einem Halt in Trudering über die Dachplane ausgestiegen. Dabei ist es offenbar zu einem lebensgefährlichen Stromüberschlag gekommen. Da der 24-Jährige seine Geschwister an den Händen hielt, wurden auch diese dabei verletzt. Sie sollen unter anderem starke Brandwunden erlitten haben. Die übrigen Angetroffenen - zwei Frauen, drei junge Männer und ein Kind, die ebenfalls aus der Türkei stammen - erlitten den Angaben zufolge leichtere Verletzungen. Laut Bundespolizei flohen zudem drei weitere Personen, die sich ebenfalls in dem aus Italien kommenden Güterzug versteckt hatten.

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Die gefährliche Flucht nach Deutschland auf Zugdächern ist kein neues Phänomen. Die Bundespolizei berichtete am Donnerstag, dass allein in München im Jahr 2017 mehr als fünfhundert Geflüchtete von Beamten aufgegriffen worden seien, die mit dem Zug ankamen. Danach sei die Zahl rückläufig gewesen, weil viele Menschen andere Fluchtrouten als über Italien gewählt hätten, sagt Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner.

Seit geraumer Zeit sei allerdings auffällig, dass viele Menschen aus der Türkei und den kurdischen Gebieten nach Deutschland fliehen, so Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Bis vor einigen Jahren kamen vor allem Menschen aus Afrika über Italien in Deutschland an. Die sogenannte Balkanroute sei gefährlich und langwierig, also versuchten nun viele Menschen, über Italien nach Deutschland zu gelangen. Insgesamt sind laut Bundespolizei in diesem Jahr 31 Menschen aufgegriffen worden, 30 davon hatten türkische Pässe, einer stammte aus dem Irak.

Viele der Geflüchteten werden bereits bei der illegalen Einreise im Bereich Rosenheim registriert. Sobald sie in Deutschland seien, stellten sie bei der Polizei Asylanträge, sagt Dünnwald vom Flüchtlingsrat. Manche machen sich direkt vom Brenner aus auf den Weg, viele weitere allerdings von Verona oder Mailand aus, weil die italienisch-österreichische Grenze nach Angaben der Bundespolizei seit einiger Zeit schärfer überwacht wird. Wie viele Menschen insgesamt per Zug reisen, um in Deutschland Asyl zu beantragen, ist nicht bekannt. Die Bundespolizei kennt nur die Zahl derer, die tatsächlich aufgegriffen werden oder sich direkt melden. In jüngster Zeit setzt die Polizei auch Hubschrauber ein, um Geflüchtete auf Zugdächern zu erkennen und zu retten.

Weshalb die zwölfköpfige Personengruppe am Güterbahnhof in Trudering vom Zug gesprungen ist, ermittelt derzeit noch die Polizei. Mal würden die geflüchteten Menschen in Trudering angetroffen, mal am Ostbahnhof in München. Der Vorfall vom Dienstagnachmittag ist der tragischste in jüngster Zeit. Polizeibeamte hatten gegen 14.15 Uhr den 24-jährigen Mann, die 15-Jährige sowie den Zwölfjährigen schwerverletzt auf den Gleisen gefunden. Der 24-Jährige musste sogar reanimiert werden. Ermittlungen der Bundespolizei hätten ergeben, dass die zwölf Menschen aus dem Sattel-Auflieger des Güterzugs durch die Dachplane aussteigen wollten.

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