Exotische Tiere:Kröten und Krokodile in Wohnungsnot

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Schutzbedürftig: Tierärztin Sandra Giltner hat eine Boa constrictor der Auffangstation im Arm. (Foto: Stephan Rumpf)

2159 Tiere hat die Auffangstation für Reptilien in München momentan in Pflege - und viel zu wenig Platz für die oft exotischen und manchmal sogar gefährlichen Gäste.

Von Thomas Anlauf

Auf der Treppe schlängelt sich eine Boa constrictor um den Arm des Tierpflegers. In den Terrarien im ersten Stock sitzen auch etwas exotische Tiere, die man normalerweise nicht bei sich zuhause hält. In der Kaulbachstraße 37 gibt es einen Gifttierraum, es wohnen hier Echsen in allen Größen und sogar Schildkröten, die unter Herpes leiden. Aus Bangkok kam im vergangenen Jahr ein illegaler Transport von mehreren hundert Fröschen und Kaulquappen, den der Zoll am Münchner Flughafen fand. Drei Krokodile leben hier und eine 17 Jahre alte europäische Wildkatze, die nur noch zwei Zähne im Maul trägt. Vor drei Tagen hat die Auffangstation für Reptilien noch einmal durchgezählt: 2159 Tiere hat der Verein momentan in Pflege. Und er braucht dringend mehr Platz.

Das alte Gebäude der Ludwig-Maximilians-Universität ist längst viel zu klein geworden, denn jährlich bringen Feuerwehr und Polizei mehr exotische Tiere bei den Veterinären vorbei. Allein im vergangenen Jahr wurden 1695 Tiere aufgenommen, es gibt 476 Schildkröten, 243 Schlangen, 518 Fische und eben die drei Krokodile, die nicht unbedingt in Schwabing zuhause sein sollten. Neufahrn bei Freising ist zwar auch nicht eine natürliche Heimat für Krokodile, aber dorthin wird die größte Auffangstation für exotische Haustiere in Deutschland bald umziehen. Derzeit läuft das Vorgenehmigungsverfahren für einen Neubau auf einem zwei Hektar großen Grundstück, das nach Aussage des Vereinsvorsitzenden Markus Baur 400 000 Euro gekostet hat. Insgesamt soll der Umzug nach Neufahrn zehn Millionen Euro kosten, neun Millionen zahlt der Freistaat, eine Million die Reptilienauffangstation.

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Doch damit ist noch längst nicht sicher, dass der Verein alle Einrichtungen, die er mittlerweile unterhält, unter ein Dach bringt. "Es ist noch nicht sicher, ob auch die Verwaltung umziehen kann", sagte Baur am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Vereins. Mittlerweile ist die Auffangstation so gewachsen, dass es neben dem Stammhaus an der Kaulbachstraße, das natürlich auch nie für die Herberge von mehr als tausend Tieren gedacht war, auch im "Schildkrötenrefugium" in zwei Gewächshäusern im Münchner Norden Platz für exotische Tiere gibt. Im "Exotenhaus" im Tierheim in Riem gibt es sogar noch einen dritten Standort. "Wir arbeiten mit Tieren, die keine Lobby haben", sagt Baur. Lediglich fünf Prozent der Tiere, die bei der Auffangstation unterkommen, sind nach Angaben Baurs überhaupt interessant für Tierparks und Zoos. Die meisten Tiere nehmen Privatpersonen auf.

Von denen stammen aber auch die meisten Tiere. Oft sind es Schnappschildkröten, die ziemlich bissig sein können und deren Haltung in Deutschland verboten ist, die von reumütigen Haltern oder der Polizei vorbeigebracht werden. Manchmal gelangt auch eine ganze Ladung von Schlangen, die auf dem Markt einen hohen Preis erzielen würden, zu den Tiermedizinern. Reguläre Tierschutzvereine können nach Aussagen der Auffangstation diese exotischen Tiere gar nicht vernünftig versorgen und behandeln. Eigentlich könne man die Auffangstation auch als Zoo bezeichnen, sagt Baur. "Wir betreiben denselben Aufwand wie in einem Zoo."

Trotzdem haben die Tierschützer von der Kaulbachstraße viel zu wenig finanzielle Unterstützung. Das meiste Geld stammt von privaten Spendern, der Umzug wird nun weitgehend vom Freistaat finanziert. Doch wann es letztlich losgehen kann, ist noch nicht sicher. Denn nach dem Vorgenehmigungsverfahren gibt es erst eine Ausschreibung, die Planungsarbeiten könnten dann Ende dieses Jahres oder Anfang 2021 abgeschlossen sein. Danach beginnt erst der Neubau auf der grünen Wiese im Norden von München.

Eine Griechische Landschildkröte dieser Art ist in Gernlinden entlaufen. (Foto: Robert Haas)

Bis dahin müssen sich die Tierärzte und Pfleger auf engem Raum um seltene Papageien, hochgezüchtete Fuchswelpen und sogar Weißwedelhirsche aus Nordamerika kümmern. Vor wenigen Wochen erst sind mehr als 80 Giftschlangen ins Exotenhaus in Riem umgezogen, weil dort vier Räume frei wurden. Daneben bleibt natürlich auch die Fürsorge für Affen, die bisweilen bissigen Schnappschildkröten und die drei Krokodile in einem Gewächshaus mitten in München.

Die Auffangstation für Reptilien ist erreichbar unter www.reptilienauffangstation.de und hat ihren Sitz in der Kaulbachstraße 37. Der Verein ist vor allem auf Spenden angewiesen.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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