Prozess in München:Apothekerin als Dealerin verurteilt

Lesezeit: 2 min

Viele Inhaber von Apotheken fürchten um ihre Existenz. (Foto: IMAGO/Rolf Poss/IMAGO/Rolf Poss)

Rosemarie R. verkaufte Dopingmittel und verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept. "Ich wollte nur helfen", sagt die heute 65-Jährige. Das Gericht überzeugt sie damit nicht.

Von Susi Wimmer

Wie eine typische Dealerin sieht Rosemarie R. wirklich nicht aus. Die 65-Jährige wirkt eher wie eine gestandene Münchnerin, mit Pagenkopf, weißer Bluse und blauer Trachtenstrickjacke. Doch am Ende spricht die Amtsrichterin die Apothekerin, mittlerweile in Ruhestand, schuldig: Sie hat in vier Fällen rechtswidrig Dopingmittel verkauft, ebenso in 34 Fällen verschreibungspflichtige Medikamente, die auch als Drogenersatz bekannt sind. "Es tut mir sehr leid", sagt die Angeklagte. "Sie waren naiv", meint die Richterin.

Wie kam es dazu, dass die Inhaberin einer Apotheke laut Staatsanwaltschaft von 2016 bis 2020 "einen gewinnbringenden Handel mit Doping- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln betrieb", um sich "eine laufende Einnahmequelle von einiger Dauer und nicht unerheblichem Umfang zu verschaffen"? "Ich wollte nur helfen", sagt die Angeklagte, die sich sichtlich geknickt in der Verhandlung gibt. Alles habe angefangen mit dem Kunden Bernd R. Den habe sie schon länger gekannt, "der hat Testosteron auf Rezept bekommen". Irgendwann 2015 sei dessen Frau in der Apotheke aufgetaucht. Ihr Mann befinde sich in Berlin im offenen Vollzug, es gehe ihm schlecht, es gebe keine medizinische Versorgung, ob sie denn helfen könne.

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"Testosteron wird nicht nur im Sport eingesetzt", sagt die ehemalige Apothekerin. Es werde auch in anderer Dosierung als Aufbaumittel verwendet, etwa bei Burnout. Also schickte sie ihm die Ampullen. "Es war immer das Billigste, er hatte ja kein Geld." Irgendwann sei der Herr R. wieder in der Apotheke erschienen und habe ihr den Herrn H. vorgestellt. "Ein sehr kranker, bleicher Mann", erinnert sich die 65-Jährige. "Aus Mitleid" habe sie sich überreden lassen, ihm Lyrica oder Tilidin ohne Rezept zu verkaufen. Lyrica dient als Schmerzmittel, ist aber auch in der Lage, Entzugssymptome bei Drogenabhängigen zu reduzieren.

"Sie sind keine Ärztin", moniert die Staatsanwältin. Rosemarie R. meint, sie habe die Sachen ja nicht wahllos über die Theke abgegeben, "ich habe schon geschaut, dass er die empfohlene Dosierung nimmt". Und der arme Herr H. habe ja gesagt, dass er keinen Arzt und keine Krankenversicherung habe. "Das ist schon eine ziemliche Verharmlosung", kontert die Staatsanwältin, "wenn sie derart starke Medikamente ohne Rezept verkaufen."

Dass die 65-Jährige auf der Anklagebank landete, ist Zufall. Wie ein Kripo-Mann erzählt, hätten die Berliner Kollegen Gespräche von Bernd R. im Gefängnis angezapft. Der habe davon gesprochen, dass es in München eine Apotheke gebe, bei der man Dopingmittel, Tilidin und anderes bestellen könne, er würde es dann weiterversenden. Erst viel später erfuhr Rosemarie R., dass sich die Herren bei ihr auch unter falschem Namen vorgestellt hatten. Bernd R. war auch als Zeuge geladen, aber erschien nicht.

Das Gericht verurteilte die Frau zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Aufgrund der günstigen Sozialprognose, dem Geständnis und der Einsicht setzte das Gericht die Strafe zur Bewährung aus. Außerdem muss Rosemarie R. 6000 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen. "Ich war mir der Tragweite nicht bewusst", sagt sie am Ende.

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