Maxvorstadt:München um ein Traditionscafé ärmer

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Vor Corona standen die Studenten noch Schlange bei Simon Schneller in seiner Traditionskonditorei. (Archivfoto) (Foto: Stephan Rumpf)

140 Jahre lang hatte die Konditorei Kaffee Schneller an der Amalienstraße Bestand. Dann kam die Pandemie und mit ihr das schleichende Ende. Inhaber Simon Schneller fällt der Abschied schwer.

Von Laura Kaufmann

Immer wieder bleiben Menschen vor der Kaffee Konditorei Schneller stehen, die schon weitestgehend ausgeräumt ist; die Blümchentapete klebt noch an der Wand, der lange, hölzerne Verkaufstresen mit der Marmorplatte drauf steht noch, und in der Ecke die Eistruhe. "Ach, das tut mir aber leid", sagen die Menschen zu Simon Schneller. Und: "Alles Gute!"

Simon Schneller hat den Zeitpunkt für das Aus des Familienbetriebs, nach beinahe 140 Jahren, von denen beinahe 25 er den Laden führte, extra in die Semesterferien gelegt. Das sind ruhigere Tage für die Konditorei Schneller an der Amalienstraße. Die Stammkundschaft ist nicht in der Stadt. Und das Aus hatte er so lange für sich behalten, wie es ging, um den Mitleidsbekundungen aus dem Weg zu gehen.

Jetzt geht das nicht mehr, sie kommen trotzdem, es wird, für alle offensichtlich, ausgeräumt. Gar nicht so einfach bei vielen Dingen, "das war für die Ewigkeit gedacht", sagt Schneller. Er wird die Sachen einlagern, für einen eventuellen Neustart. Wo und wann, das weiß er nicht. Aber etwas kleiner vielleicht.

Es ist nicht leicht für ihn. Der Laden hat schon seinen Großeltern gehört. Eine klassische Konditorei, in der jeden Tag frisch gebacken wird, dazu guter Kaffee. "Ich bin hier aufgewachsen." Mit 26 schließlich hat er den Betrieb übernommen, obwohl seine Eltern zuvor schon berieten, wie sie den Laden am besten abwickelten. Das Stammpersonal war ins Rentenalter gekommen. Die Eltern hatten sich immer im Hintergrund gehalten und nur als Inhaber fungiert. Simon Schneller aber dachte "Schade drum", und beschloss, sich selbst hineinzustellen in die Konditorei.

30 Kuchen und Torten hatte er in guten Zeiten täglich da, der Nusszopf war ein Klassiker. Bei den Studenten kamen die Käsekuchen mit Früchten immer gut an. Zu all dem ein guter Cappuccino, und die Pause zwischen zwei Vorlesungen war für Generationen von Studenten perfekt. Im Sommer verkaufte Schneller zusätzlich Eis, Schoko-Split, Erdbeer-Mango, Joghurt-Pfirsich, das sich zu einem Geheimtipp im Viertel mauserte. 2006 schloss der Copyshop nebenan und Schneller sanierte und vergrößerte, hatte nun zwei Schaufenster, vor die er bei schönem Wetter die Tische und Stühle auf die Amalienstraße stellte.

Die Traditionskonditorei Schneller war im Viertel bekannt und beliebt. Gerhard Polt ist hier eingekehrt, Wolfgang Fierek mochte den Kuchen, Klaus Lemke hinterließ sogar mal einen geschriebenen Gruß im Laden: "Bestes Eis in der Maxvorstadt - ich schwörz!"

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Durch zwei Weltkriege ist die Kaffee Konditorei Schneller gut gekommen, und ein Ende war nicht abzusehen, bis 2020 schließlich die Pandemie in die Stadt kam. Pachtminderung oder gar Erlass bekam Simon Schneller nicht. Seine Kernkundschaft, die Studenten, zogen zurück zu ihren Eltern. "Von diesem Knick habe ich mich nie wieder erholt", sagt Schneller. Bis heute ist die Anwesenheitspflicht nicht wie früher, viele Vorlesungen finden hybrid statt. Die Kundschaft kam nicht im gleichen Maße zurück. Die Backshops, die über die Jahre in der Maxvorstadt aufgeploppt waren, bieten zwar nicht ansatzweise die gleiche Qualität, füllten einen Studentenmagen aber ebenfalls. "Das, was ich verkaufe, ist eben ein bisschen Luxus", sagt Schneller.

Gleichzeitig stiegen nach Corona die Preise, die Butter, die Milch, die Energie, die Pacht. Schneller sah sich mit 20 Prozent Mehrkosten konfrontiert. Weitergeben wollte er sie nicht. "Wenn ich 4,90 für ein normales Stück Kuchen verlangen würde, steht niemand mehr Schlange." Und was die Torten dann erst kosten müssten. Zuletzt stand er vormittags allein in der Backstube, produzierte zehn Torten und Kuchen, nachmittags verkaufte er, was ging. Und abends musste er immer öfter wegschmeißen. "Es ist ein Teufelskreislauf. Wenn das Sortiment zu klein ist, bleibt die Kundschaft aus."

Simon Schneller gibt sich trotz allem Mühe, nicht zu sentimental zu werden. Für den letzten Tag hatte er gleich abends einen Laster bestellt und Kisten gepackt. Beschäftigung hilft. Noch immer gilt es, praktische Probleme zu lösen. Dinge, die für die Ewigkeit eingebaut waren, auszubauen, oder einen Backofen, der "unglaublich viel" wiegt.

Ein Ende ist ja auch gleichzeitig ein Anfang, sagt er. Der Schluss war nun mal nicht immer schön, das Wegschmeißen, das Rechnen, das immer, immer Arbeiten, denn zum Backen und Verkaufen kommt ja noch das Einkaufen, der Papierkram. Simon Schneller hat noch keinen Plan B, er macht nun erst einmal Pause. Und irgendwann wird der viel zu schwere Backofen vielleicht wieder in einem anderen Laden stehen. Aber die Maxvorstadt, die ist nun um ein Traditionsgeschäft ärmer.

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