Flüchtlingsunterkunft:"Allach kann ganz anders"

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Die Flüchtlinge sind hier willkommen: Dieses Zeichen wollten die Teilnehmenden der Kundgebung am Dienstag setzen. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

In Allach-Untermenzing machen Anwohner gegen die einzige geplante Flüchtlingsunterkunft im Viertel mobil: Man sei bereits überfordert durch die Integration. Nun formiert sich eine Gegenbewegung - für die Aufnahme der Menschen.

Von Ellen Draxel

"Alle Menschen sind Fremde - fast überall": Das ist am Dienstagabend auf einem Plakat vor der Grundschule an der Theodor-Fischer-Straße in Untermenzing zu lesen. Die Bürgerinitiative "Der Westen ist bunt" hat zu einer Demo aufgerufen, Teilnehmer recken Schilder in die Höhe mit Aufschriften wie "Menschlichkeit erhalten" oder "Vielfalt ist bunt". Es ist das erste Mal, dass Bürger und Bürgerinnen nicht nur gegen, sondern für den Bau einer geplanten Unterkunft für Geflüchtete an der Allacher Servetstraße auf die Straße gehen.

"Die, die gegen die Unterkunft sind, behaupten gerne, dass sie für 'die Anwohner' sprechen", ruft Versammlungsleiterin Suny Kim am Abend ihren rund 50 Mitstreitern zu. "Zum Glück stimmt das nicht. Denn wir sind hier, und Allach kann ganz anders." Menschen in Notlagen angemessen aufzunehmen - das sei eine humanitäre und völkerrechtliche Pflicht.

"Die, die gegen die Unterkunft sind, behaupten gerne, dass sie für 'die Anwohner' sprechen", sagt Suny Kim. "Zum Glück stimmt das nicht." (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Einige Meter entfernt, auf der anderen Seite des Schuleingangs, hört man gleichzeitig andere Töne. Peter Ziegler, Sprecher der Bürgerinitiative "Allach Living", macht vor rund 80 Zuhörern Stimmung gegen den Bau. "Wer sind wir?", fragt er. Antwort: "Allach." "Was wollen wir retten?" - "Allach." Begründet wird die seit März geäußerte Ablehnung mit Umweltaspekten und Grünflächenschutz, das Grundstück an der Servetstraße ist aus Sicht der Kritiker "ungeeignet" als Standort einer Unterkunft für Geflüchtete. "Wir sind nicht rechts", betont einer der Anlieger. "Wir vertreten nur unsere Meinung." Eine Meinung, die aus Sicht von Lea Hehnen vom Münchner Flüchtlingsrat allerdings "höchst problematisch und mindestens anschlussfähig für extrem rechte Positionen" ist.

Peter Ziegler, Sprecher der Initiative "Allach Living", macht Stimmung gegen den Bau der Unterkunft. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Tatsache ist: Der Standort mit einer zunächst mit 290 Schutzsuchenden aus der Ukraine zu belegenden Einrichtung ist aus städtischer Sicht unproblematisch. Das Amt für Wohnen und Migration hat sich auf Bitten von "Allach Living" die Mühe gemacht, auf elf eng bedruckten Seiten die Fragen der Bürgerinitiative zu beantworten. Die Grünachse, so die Analyse, bleibt "unberührt". Eine Betroffenheit des benachbarten Pferdehofs und der "Bio-Felder" sei "nicht erkennbar".

Laut Verwaltung wäre die Unterkunft die einzige in Allach-Untermenzing

Der Kritik, der Stadtteil sei "schon heute übermäßig" mit Verkehr, einer schlechten Luft- und Wasserqualität sowie Lärm belastet, widerspricht die Kommune: "Die Lärmbelastung ist nicht höher als in anderen Stadtteilen." Vor allem durch die Unterkunft sei "von unzumutbaren Störungen oder Belästigungen nicht auszugehen". Auch würden alle relevanten lufthygienischen Grenzwerte "deutlich unterschritten".

Die Verwaltung teilt nicht die Meinung von "Allach Living", das Viertel sei "inzwischen sichtlich mit der geforderten Integration überfordert" - zumal die geplante Unterkunft die einzige im 36 000 Einwohner zählenden Stadtteil sein wird. Im Gegenteil: Man habe "großen Respekt vor dem Engagement vor Ort" und wünsche sich, "dass der Unterbringung und Unterstützung von Menschen in Not mit Solidarität und Empathie begegnet wird". Bestehende Unzufriedenheit und Konflikte sollten "nicht auf dem Rücken von Geflüchteten ausgetragen werden".

Dass es Ärgernisse gibt, zeigt sich seit Monaten in den Bezirksausschuss-Sitzungen. Die Lokalpolitiker haben deshalb nach den Demonstrationen beschlossen, im Herbst ein vierstündiges Bürgerforum mit 100 Teilnehmern unter professioneller Leitung zu veranstalten. Zur Sprache kommen soll alles, was den Allach-Untermenzingern auf der Seele brennt. "Finde ich top", sagt Peter Ziegler.

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