Stadtpolitik:Mehr Mieterschutz für München

Lesezeit: 3 min

Mehr Mieterschutz für München. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • SPD und Grüne haben ein Reformpaket für einen besseren Mieterschutz verabschiedet.
  • Dies beinhaltet unter anderem gedeckelte Mieten und neuen Regeln zum Eigenbedarf.
  • Die CSU fürchtet Klagen vor Gericht und dass die Stadt sich verschuldet. Sie stimmt gegen das Reformpaket.

Von Pia Ratzesberger, München

Es ist eine lange Debatte, die der Stadtrat am Mittwochmittag führt, es geht ja auch um ein großes Problem: das Wohnen in München. Es geht um die Frage, wie Mieter besser geschützt werden können - und wie stark der Staat dabei in den Markt eingreifen darf.

Am Ende beschließt die SPD gemeinsam mit den Grünen und einigen weiteren Stadträten und gegen ihren Koalitionspartner CSU ein Reformpaket für einen besseren Mieterschutz, unter anderem mit gedeckelten Mieten und neuen Regeln zum Eigenbedarf. SPD und Grüne sehen in der Reform eine der letzten Möglichkeiten, die der Stadt noch bleibt, um auf die hohen Mietpreise einzuwirken. Die CSU dagegen fürchtet Klagen vor Gericht - und dass die Stadt sich verschuldet.

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Es geht bei der Reform um jene Teile von München, die unter einem besonderen Schutz stehen; schon in den 1980er-Jahren hatte man für diese Wohnviertel eine sogenannte Erhaltungssatzung erlassen, man fürchtete, dass Investoren dort Mieter verdrängen.

In diesen Vierteln kann die Stadt ein Vorkaufsrecht wahrnehmen, bevor eine Immobilie an einen privaten Käufer geht - der kann eine Übernahme durch die Stadt nur noch verhindern, wenn er eine sogenannte Abwendungserklärung unterzeichnet. Mit der sicherte ein Käufer bisher zu, dass er Miet- nicht in Eigentumswohnungen umwandeln und auf überteuerte Sanierungen verzichten wird. Mit dem Stadtratsbeschluss vom Mittwoch werden diese Bedingungen in den Abwendungserklärungen deutlich verschärft.

In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass manche Käufer die bisherigen Regeln einfach "aussitzen", sagte Ulrike Boesser von der SPD. Die Käufer warteten, bis die Abwendungserklärungen nicht mehr gälten, und verhielten sich anschließend wie jeder andere am freien Markt. Mit dem neuen Beschluss wird das nicht mehr möglich sein, da die Bedingungen nun so lange gültig sein werden, wie das Viertel unter der Erhaltungssatzung steht - einer von mehreren Punkten, bei dem die CSU-Fraktion am Mittwoch vergeblich eine Änderung forderte.

Denn nach dem neuen Beschluss wird ein Käufer, der solch eine Erklärung unterschrieben hat, nur noch neu an Mieter mit einem Einkommen vermieten dürfen, das die Grenzen des "München-Modells" nicht überschreitet. So nennt sich das Programm der Stadt, mit dessen Hilfe Menschen mit mittlerem Einkommen, die sich am Markt trotzdem keine bezahlbare Wohnung leisten können, gefördert werden.

Der Vermieter wird eine Wohnung dann zum Beispiel nur an eine vierköpfige Familie abgeben können, wenn deren Brutto-Jahreseinkommen nicht mehr als 94 300 Euro beträgt. Auch Staffelmietverträge und Kündigungen wegen Eigenbedarfs sind nicht mehr erlaubt.

Vermieter dürfen zudem nur maximal eine leer stehende Wohnung selbst nutzen oder an einen Verwandten vermieten, der mit seinem Einkommen über den festgelegten Grenzen liegt. Bei der CSU erregte vor allem diese Regelung großen Unmut: Wie solle man seinem zweiten oder dritten Kind erklären, dass es im eigenen Haus keine Wohnung mehr bekomme, fragte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kristina Frank.

Sie glaube nicht, dass diese Regel vor Gericht standhielte, wenn dagegen geklagt würde. Auch dass Wohnungen grundsätzlich nicht mehr abgerissen werden könnten, kritisierte die CSU - und forderte, dass ein Abriss erlaubt sein solle, wenn so mehr Wohnfläche geschaffen werden könne.

Während die SPD betonte, dass etwa 50 bis 60 Prozent der Münchner Bevölkerung unter die Grenzen des Münchner Modells fielen, sagte Hans Podiuk (CSU): "Ich habe in den Tabellen nachgesehen und mit ihrem Modell ist es für eine 38 Jahre alte, erfahrene Pflegerin vorbei." Die CSU argumentierte, das Anliegen des Reformpakets zu unterstützen, aber nicht unter diesen Bedingungen. Sie stimmte gegen den Beschluss und damit gegen ihren Koalitionspartner SPD.

Michael Mattar (FDP) bezeichnete die neuen Regeln als "Abwendung von der Abwendungserklärung". In Zukunft werde diese niemand mehr unterschreiben und die Stadt werden alle Immobilien selbst aufkaufen müssen. Dann aber sei noch keine einzige neue Wohnung gebaut, und es sei völlig unklar, wie die Stadt das finanzieren wolle. Im vergangenen Jahr erwarb die Stadt kein einziges Mal mit dem Vorkaufsrecht eine Immobilie, stets unterzeichneten die privaten Käufer die Abwendungserklärungen. In der Regel geschieht das etwa 50 bis 80 Mal im Jahr.

Nicht nur für private Käufer legte der Stadtrat am Mittwoch schärfere Regeln fest, sondern auch für den Fall des eigenen Vorkaufsrechts - wenn die städtischen Wohnungsbaugesellschaften kaufen. So dürfe zum Beispiel die Miete bei Wohnungen, die zur Zeit des Kaufs leer stehen, höchstens 1,50 Euro unter dem Mietspiegel liegen.

Die neuen Regeln gehen auf eine Initiative der Grünen zurück. Deren frühere Fraktionschefin Gülseren Demirel bezeichnete den Beschluss als "sehr mutig", selbst ihre Fraktion habe nicht mit solchen scharfen Regelungen gerechnet, als sie und ihre Kollegen den Antrag im Februar 2017 gestellt hatten. Die Reform sei mutiger als alles, was bisher von Seiten der Bundesregierung gekommen sei.

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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