Meine Woche:Der Blick stets auf den Boden

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Ehemalige Sprecherin des Botanischen Gartens: Ehrentraud Bayer. (Foto: Franz Hoeck)

Ehrentraud Bayer ist trotz Rente im Botanischen Garten aktiv: Die ehemalige Sprecherin des Botanischen Gartens gibt einen virtuellen Kurs für Studierende der Biologie über Nutz- und Giftpflanzen. "Ich glaube, als Botanikerin gibt es keinen Ruhestand", sagt sie

Von Lea Kramer

Aus dem Staatsdienst hat sich Ehrentraud Bayer Ende 2020 verabschiedet, mit Formularen und Anträgen muss sie sich aber weiter befassen. Die ehemalige Sprecherin des Botanischen Gartens leitet in dieser Woche ein Praktikum über Nutz- und Giftpflanzen für Biologiestudierende an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Ihr letzter und erster virtueller Unikurs.

"Normalerweise hole ich Sträußlein und Töpfe aus dem Gewächshaus oder dem Freiland im Botanischen Garten und wir schauen uns die Pflanzen gemeinsam an", sagt sie. Da Garten und Gewächshäuser aufgrund der Corona-Bestimmungen geschlossen sind und auch die LMU auf Präsenzveranstaltungen verzichtet, muss Bayer ihren Kurs anpassen. Denn auch das Gartengelände darf sie während der Schließungen nicht betreten, weil sie ja keine Mitarbeiterin mehr ist.

Alles Umstände, die der gebürtigen Münchnerin spürbar Kopfzerbrechen bereiten und für die sie nach Lösungen sucht. Wie soll sie angehenden Pflanzenkundlern Gerüche übers Video erklären? "Ich habe deshalb einen Antrag gestellt, dass wir zumindest eine Exkursion zum Viktualienmarkt machen dürfen", sagt Bayer. Dort sollen die Studierenden exotische Früchte bestimmen lernen. "Auch die Geschichte vieler Gewürze ist sehr interessant", kommt Ehrentraud Bayer ins Schwärmen und berichtet, wie sie sich darauf freut, künftig Dinge intensiver nachlesen zu können. Historisches über Heilkräuter zum Beispiel. "In seinem Buch von 1543 hat Leonhart Fuchs beschrieben, wie viele Kräuter, die wir heute kennen, im Mittelalter benutzt wurden". Über das Feuer der Rosmarinöle hat Bayer unlängst in einem Artikel für ein Fachmagazin geschrieben. Bis sie mit dem Lesen beginnen kann, dauert es noch ein wenig. Ein Großteil ihrer Arbeitsbücher ist noch verstaut, "die Kisten sind immer noch nicht alle ausgepackt".

Genauso wie die vielen Fotos vergangener Reisen, aus Zeiten, "wo man noch Dias gemacht hat". Ihr Sehnsuchtsland Chile will Ehrentraud Bayer bald wieder besuchen. "Ich bin der Flora von Chile sehr verbunden". 1981 hat sie das Land ein Jahr lang für ihre Doktorarbeit bereist und ist danach elf weitere Male dort gewesen. Zwischenzeitlich ist sie bei Flora de Chile aktiv geworden, ein internationales Projekt, das die eigenständige Pflanzenwelt Chiles erforscht und bei dem nach verschollenen Arten gesucht wird. Auf Spaziergängen durch Nymphenburg schaut sie ebenfalls meist zu Boden. Dort gibt es spannende Gewächse zu entdecken. "Langweilig ist mir gar nicht. Ich glaube, als Botanikerin gibt es keinen Ruhestand."

© SZ vom 15.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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