Maxvorstadt:Heizwerk in bester Lage - statt neuer Wohnungen

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Bauprojekt in Bestlage: Das Kraftwerksgebäude soll abgerissen, ein Wohnblock ins Ensemble eingepasst werden. Diese Pläne könnten gekippt werden. (Foto: Archiv Robert Haas)
  • Nach dem Aus für das Kohlekraftwerk Nord suchen die Stadtwerke Standorte für sieben dezentrale Heizwerke
  • Notfalls will sie sogar ein seit Jahren geplantes Wohnungsbauprojekt in der Maxvorstadt opfern. An der Katharina-von-Bora-Straße sind 85 Werkswohnungen geplant.

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Im Zuge der Suche nach Standorten für Heizwerke in der Innenstadt sind die Stadtwerke München (SWM) bereit, notfalls ein eigenes, bereits auf den Weg gebrachtes Wohnungsbauprojekt in der Maxvorstadt zu opfern. Es geht dabei um das Stadtwerke-Grundstück des ehemaligen Heizkraftwerks an der Katharina-von-Bora-Straße 8a, auf dem Werkswohnungen entstehen sollen.

Zwei SWM-Mitarbeiter bestätigten in der Sitzung des Bezirksausschusses, dass das Areal als Platz für eine Heizanlage geprüft wird. Sollte es in die engere Wahl kommen, "wird es keine Wohnungen geben", sagte Thomas Prein vom Büro der technischen SWM-Geschäftsführung.

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Bis Ende 2022 sollen die Stadtwerke den Steinkohleblock in Unterföhring abschalten. Nun fordert auch die SPD ein Gaskraftwerk als Ersatz. Doch es gibt Zweifel daran, dass es bis dahin fertig wäre.

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Nach dem Bürgerentscheid zur Abschaltung des Kohlekraftwerks Nord in Unterföhring vergangenen Herbst tingeln die Emissäre der Stadtwerke derzeit durch die Bezirksausschüsse und legen ihre Pläne dar. Nach Darstellung der SWM sind, sollte der Kohleblock 2022 dicht gemacht werden, gleichzeitig bis zu sieben dezentrale Heizwerke nötig, um den Wärmebedarf der Münchner zu decken; elf Standorte werden untersucht. Derzeit prüft die Bundesnetzagentur, ob das Kraftwerk im Hinblick auf die Versorgungssicherheit überhaupt abgeschaltet werden darf. Dies bezieht sich allerdings nur auf Strom, nicht auf Wärme.

"Wir sehen keine Alternative zu den Heizanlagen, um die Fernwärmeversorgung zu sichern", hob Prein hervor und betonte mehrmals, dass der Zeitplan sehr knapp bemessen sei, wenn man dies bis 2022 schaffen wolle. Prein legte dar, dass allein mit zwei Jahren Lieferzeit für die technische Ausstattung zu rechnen sei, man also schon im laufenden Jahr die Genehmigungslage für die Standorte abklären, dann möglichst schnell die konkreten Planungen anstoßen müsse.

Dabei zeichnen sich allerdings heftige Debatten in den Stadtvierteln ab. Allein der Gebäudekorpus benötigt gut 600 Quadratmeter Fläche sowie angemessen große Zufahrten für Schwerlastwagen, die im Notfall Ersatzkessel anliefern. Neben der Abgasbelastung für die Anwohner entsteht mit den Heizwerken noch ein anderes Problem: Die Anlagen würden an einigen Stellen wie ein Fremdkörper in bestehende Strukturen gepflanzt. Beim anvisierten Standort Nußbaumpark würde ein Stück der Erholungsfläche planiert, am Birketweg in Nymphenburg entstünde die Anlage inmitten einer neuen Siedlung. "Wir haben an allen Standorten konkurrierende Nutzungen", kommentierte Prein die Überlegungen, den Kraftwerksstandort Katharina-von-Bora-Straße zu reaktivieren.

Allein das Gedankenspiel ist durchaus erstaunlich: Seit Jahren planen die SWM dort einen sanft integrierten Wohnblock, der als Vorzeigeprojekt gelten kann. Die Stadtwerke wollten das teils denkmalgeschützte Ensemble in Bestlage 2011 zunächst meistbietend verkaufen, von 40 Millionen Euro Höchstgebot war damals die Rede. Doch es erhob sich breiter Protest dagegen, dass ein städtischer Eigenbetrieb seine Liegenschaft für Luxuswohnungen hergibt. Der damalige OB und SWM-Aufsichtsratsvorsitzende Christian Ude (SPD) stoppte das Bieterverfahren; die SWM sollten das Areal selbst entwickeln- und so geschah es auch. Ende 2016 fällte der Stadtrat den Beschluss zum Bebauungsplanverfahren.

Die Sieger des Architektenwettbewerbs, das Münchner Büro 03 Architekten/Leitwerk mit Landschaftsarchitekten Keller Damm Roser, stellen sich einen gegliederten Baukörper mit 85 Wohnungen vor, eingepasst ins Denkmalgefüge. Die unterirdischen Heizleitungen der alten, stillgelegten Anlage sollen übrigens erhalten bleiben; denn nach wie vor liegt dort ein zentraler Knotenpunkt des Fernwärmenetzes vergraben.

Auch deshalb ist der Komplex ganz weit oben auf der Liste der Stadtwerke. "Wenn Heizwerke im Stadtgebiet gebaut werden müssen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser Standort in die engere Wahl kommt, da die erforderliche Infrastruktur vorhanden ist und es sich um eine SWM-eigene Fläche handelt, die bereits früher als Heizkraftwerksstandort genutzt wurde", bekräftigte Bettina Hess von der SWM-Pressestelle am Mittwoch. Allerdings sei zunächst eine Änderung des Planungsrechts nötig, da es einen rechtskräftigen Bebauungsplan gebe. Gestoppt ist das Wohnungsbauprojekt aber noch nicht. Nach SWM-Angaben laufen derzeit die Ausführungsplanung sowie die Vorbereitungen für die Ausschreibungen.

Formal haben die Mitglieder des Lokalgremiums die Pläne nur zur Kenntnis genommen, wobei eine überwiegend kritische Haltung durch Nachfragen deutlich wurde. Diese bezogen sich auf das Konzept der dezentralen Anlagen insgesamt. Vor allem ließen die Politiker Zweifel erkennen, ob diese überhaupt nötig seien. "Sie werden überall auf Widerstand stoßen", prognostizierte Sabine Thiele (Grüne). Die Stadtwerke-Vertreter verteidigten das Konzept vehement. "Wir müssen 2022 den nötigen Wärmebedarf liefern. Wir können den Münchnern ja nicht sagen: Ihr müsst die Heizung runterdrehen."

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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