Ausstellung im Maximiliansforum:Ordentliche Verwirrung

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Sortieren und Ordnen, darum geht es in Frauke Zabels Videoinstallation "Die Palmen sich wie folgt gruppieren:" im Maximiliansforum München. (Foto: Verena Kathrein)

Frauke Zabel wirft mit ihrer Installation über Palmen grundlegende Fragen nach kolonialen Einflüssen und postkolonialen Strukturen auf.

Von Leonore Winkler

Vor dem Besuch im Maximiliansforum ist alles noch in Ordnung: Palmen bedeuten Urlaub, Palmen sind exotisch und romantisch. Nach dem Besuch der Ausstellung "Die Palmen sich wie folgt gruppieren:" ist diese Ordnung ein wenig durcheinandergeraten. Dabei geht es in der Ausstellung genau darum: Ordnung zu schaffen. Doch aus Klarheit wird Unsicherheit. Der Verunsicherung folgen Fragen.

Am Tag der Eröffnung knallen im Maximiliansforum Sektkorken, der Geruch von frischen Spanplatten liegt in der Luft. Über der Erde fährt die Straßenbahn, unter der Erde hallt ihr Donnern im frei zugänglichen städtischen Kunstraum unter der Kreuzung Altstadtring-Maximilianstraße nach.

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Bis Ende September projizieren Beamer Videoinstallationen auf die Spanplatten. Die Videos zeigen die Bewegungen der Unterarme und Hände von Frauke Zabel. Die Künstlerin klassifiziert Bilder von Palmen. Lebende Palmen, getrocknete Palmen, Palmen in Plastik gehüllt. Palmen vor einer Pizzeria, Palmen in Gemälden, Palmen auf Flipflops. Palmen in Spiegelungen, abstrakt und auf Bildschirmen. Die vielen verschiedenen Erscheinungen des Themas Palmen werden in der Installation sorgfältig und genau kategorisiert. Einige Palmen fallen so in die Kategorie "gezähmt" oder "kultiviert", andere werden als "Palmen, die dem König gehören" bezeichnet. In gezielten, beherrschten Bewegungen beschriften und ordnen die Hände das Material.

Ordnen wie in Trance - doch wer gibt die Ordnung vor? (Foto: Verena Kathrein)

Der Prozess des Betrachtens ähnelt dem Prozess des Klassifizierens, den die Künstlerin abbildet: Zunächst ist da die Überforderung, weil viel Material in vielen Bewegungen sortiert wird. Dann entsteht eine Art Trance. Gleichmäßige Bewegungen, gleiche Abläufe, ein fast schon rhythmisches Beschriften. Die Ordnung wird auch akustisch übertragen. Aus Lautsprechern tönen die Geräusche von Fingerkuppen auf Papier. Wer sich aus der Trance lösen kann, steht nun mit vielen Fragen da.

Was passiert hier eigentlich? Wie gehören wissenschaftliche Klassifizierung, postkoloniale Gesellschaftskritik und aktuelle Kunst zusammen? Warum stehen Palmen zumeist für Sehnsuchtsorte - und für wen? Kann man hier von einer Ausbeutung des globalen Südens durch die westliche Welt sprechen? Die Kunst wirkt: Aus den Fragen wird ein Hinterfragen, aus dem persönlichen Gefühl wird Gesellschaftskritik.

Oben donnert der Verkehr, unten sortiert sich die Kunst: Ein Blick in die unterirdischen Räume des Maximiliansforums. (Foto: Fritz Beck)

Raffiniert sind die Installationen an den Außenseiten der Ausstellung: In einem starken Kontrast zu den meditativen Videos erscheinen hier auf Bildschirmen mehrere Bilder pro Sekunde. Es sind Bilder von Palmölfeldern, die so schnell aufflackern, dass einem schwindelig wird, wenn man zu lange hinsieht.

Die Idee für die Ausstellung beginnt mit einem Projekt im Herbarium der Botanischen Staatssammlung. Frauke Zabel stößt dabei auf die Arbeit von Carl Friedrich Philipp von Martius. Den Botaniker und die Künstlerin verbinden Forschungsreisen nach Brasilien: Martius sammelte in Brasilien Palmen, brachte sie nach München, bestimmte und kultivierte sie. Zweihundert Jahre später stößt Frauke Zabel auf diese Sammlung und hinterfragt Martius' Faszination für die Palmen. Hatte er wissenschaftliche, ästhetische oder wirtschaftliche Interessen? Das führt Frauke Zabel zu grundlegenderen Fragen: Wie tauchen Palmen im öffentlichen Raum auf? Wie nehmen wir Palmen wahr? Und: Wie ordnen wir sie in unsere westlichen Wissenssysteme ein? Es ist nüchterne Kunst für ernüchternde Inhalte.

Insgesamt dauern die Videoinstallationen fünf Stunden. Dann sind die Palmen ordentlich gruppiert. Die sichtbare Ordnung führt zu unsichtbarem Aufruhr - Palmen und Urlaub? Exotisch oder exotisiert? Romantisch oder romantisiert? Und was haben Palmen denn nun mit Kolonialismus zu tun? Die Ausstellung liefert zwar keine klaren Antworten, aber zu einer neuen Wachsamkeit. Denn plötzlich wird der Spaziergang durch München zu einer Suche: Wo sind hier Palmen zu finden und wofür stehen sie?

Frauke Zabel: Die Palmen sich wie folgt gruppieren:, Ausstellung bis 29. Sep.; Performance und Konzert: Fr., 28. Juli, 19 Uhr; Maximiliansforum, Maximilianstraße 38 / Unterführung, Gesamt-Programm unter www.maximiliansforum.de

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