Prozess:"Er hat meinen Sohn getötet"

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Das Münchner Landgericht versucht, den Tod der 25 Jahre alten Prostituierten Luca V. aufzuklären. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Mit einem Maserati und 130 km/h rast ein 18-Jähriger bei Rotlicht in eine Kreuzung - ein junger Mann stirbt. In erster Instanz wird Leon A. zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nun geht der Fall in die Berufung.

Von Susi Wimmer

Ein junger Mann hockt während der Prozesspause im Gang, in der Hand eine Saftschorle, die Beine baumeln. Eine blonde Frau geht vorbei und ruft verzweifelt: "Ich werde dir nie verzeihen, nie!" Wenn ein Kind stirbt, sagt die Mutter später im Gerichtssaal "kann man nicht normal weiterleben". Ihr Sohn ist mit 25 Jahren gestorben, weil Leon A. ( Name geändert) im September 2019 bei Garching mit einem Maserati und Tempo 130 bei Rotlicht in eine Kreuzung raste und dort ein Auto rammte. In erster Instanz war der damals 18-jährige Fahrer zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Alle Prozessbeteiligten hatten Berufung eingelegt, nun wird vor der Jugendkammer am Landgericht München I erneut verhandelt.

Es war wohl auch ein Leben auf der Überholspur, das Leon A. zu dieser Zeit geführt hatte. Gerade volljährig, jobbte er für den Ismaninger Fitness-Youtuber und Unternehmer Karl Ess. Schnelle Autos, Muskeln pumpen, dicke Kohle machen, so präsentierte sich Ess und so fühlte sich wohl auch Leon A. Im nagelneuen Maserati seines Chefs machte er am Abend des 15. September München unsicher. Zunächst fuhr der Freund, ließ den Motor aufheulen, raste durch die City. Eine Polizeistreife hielt den Burschen an, schrieb eine Anzeige. Dann fuhr Leon A. weiter, von einem Bordell zum nächsten. "Ich war genervt, ich wollte heim", sagt er vor Gericht. Auf der Autobahn A9 drückte er aufs Gaspedal. Sein Freund schoss ein Foto: Der Tacho zeigte 270. An der Ausfahrt Garching-Süd, gegen 3 Uhr früh, fuhr der Maserati ab. Dann sei er auf der B471 auf die Kreuzung Münchner Straße zugefahren, erlaubt ist dort Tempo 70.

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An jedes Detail kann sich Leon A. erinnern. An das Foto, das Abbiegen, daran, dass der Maserati nach dem Crash auf dem Dach zum Liegen kam. Aber als Richter Stephan Kirchinger nachhakt, ob er die rote Ampel gesehen habe, da weicht A. aus. Er habe kontinuierlich beschleunigt, das wisse er noch. Und dass er den Aufprall gar nicht gespürt habe. Durch das zerborstene Heckfenster sei er aus dem Maserati gekrochen, hin zu dem anderen Fahrzeug. Den Fahrer habe er zu einer Laterne geführt. Dass ein zweiter junger Mann tot unter dem Auto gelegen habe, habe er erst am nächsten Tag erfahren.

Kurz vor dem Unfall bekam Leon A. eine Anzeige, aber das Verfahren wurde eingestellt

Vier Tage vor dem Unfall hatte A. eine Anzeige erhalten, weil er mit dem Maserati auf der Linksabbiegespur an allen Autos vorbeifuhr, die an einer roten Ampel warteten. Dann scherte er vorne ein und winkte einem Mädchen zu. Das Verfahren wurde eingestellt. Fast genau ein Jahr nach dem Crash - die Polizei hatte ihm nicht den Führerschein abgenommen - gab er nach einem Event seines Chefs auf einem Parkplatz in Bruchsal mit einem Maserati erneut Gas. Jugendliche hätten ihn dort nach einem "Soundcheck" gefragt, also ihn aufgefordert, den Motor aufheulen zu lassen. Dann habe er mit ihnen auf dem leeren Nachbarparkplatz eine schnelle Runde gedreht. Allerdings muss Leon A. an einer Engstelle zwischen den Parkplätzen so nahe an einem Paar vorbeigerast sein, dass der Mann die Frau zur Seite reißen musste. Das Paar alarmierte die Polizei.

"Er will sich entschuldigen", sagt Verteidiger Stephan Tschaidse. Nein, sagt die Mutter, "er hat meinen Sohn getötet". Ihr Junge habe auch "Blödsinn" gemacht. Aber zu schnell und bei Rot über die Ampel "das verstehe ich nicht". Zum Gericht gewandt ruft sie: "Stoppen sie ihn!" In erster Instanz hatte Leon A. ein Fahrverbot von fünf Jahren auferlegt bekommen. Adam Ahmed, der die Mutter anwaltlich vertritt, will, dass der Unfallfahrer nicht nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird, sondern auch wegen verbotenen Kfz-Rennens. Dies sei auch möglich, wenn kein zweites Auto im Spiel sei. Ein Urteil soll Anfang April ergehen.

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