Kritik:Prunkvolles Gegenbild

Lesezeit: 2 Min.

Gerade hat Raphaela Gromes eine Doppel-CD veröffentlicht, auf der sie die Werke von Komponistinnen würdigt. (Foto: Wildundleise.de)

Raphaela Gromes entdeckt mit den Augsburger Philharmonikern das Cello-Konzert von Marie Jaëll.

Von Egbert Tholl

Mühelos schwebt der Klang des Cellos zu Beginn über dem Orchester. Und das, obwohl er gar nichts Aufreizendes, Ostentatives hat; nein, er ist dunkel timbriert und wohlig warm, er ist versonnen und singt eine Melodie, die wie eine Erinnerung wirkt. Oder besser noch: wie das Erinnern selbst. Alle Zeit der Welt scheint das Cello zu haben, denkt vielleicht auch mal kurz an das, was man so an virtuosen Kunststücken veranstalten könnte. Lässt sich nicht darauf ein, sucht lieber die Korrespondenz mit dem Orchester, am besten, ohne groß den Dirigenten zu beachten, dann klappt es am besten.

Das Cello ist 280 Jahre alt und stammt von Carlo Bergonzi. Es ist ein rares Meisterstück, von Bergonzi existieren nur drei Celli, und auch dieses wäre ein totes Stück Holz wie seine beiden wohlgesichert verwahrten Schwestern, ruhte es nicht in den Händen von Raphaela Gromes. Ein Mäzen stellte es ihr zu Verfügung, und hatte Gromes zuvor schon ein schönes Instrument in Händen, so bietet das Bergonzi nun doch die Vollendung ihres Spiels. Dieses so mühelos wirkenden, immer poetischen, nie protzenden, sondern von wundervoll berückender Klangerzählung geprägten Spiels.

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Deshalb wäre Marie Jaëll vermutlich über alle Maßen entzückt, hörte sie ihr Cello-Konzert, wie es Raphaela Gromes spielt. Jaëll war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine bewunderte Pianistin, später auch eine bedeutende Klavierpädagogin. Und sie komponierte, eben auch dieses Cellokonzert, das mit seiner Uraufführung 1882 großes Aufsehen erregte. Und dennoch braucht es eine vielseitig interessierte Musikerin wie Gromes, um das Werk dem Vergessen zu entreißen

Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte Gromes eine Doppel-CD mit Werken von 23 Komponistinnen, ein prunkvolles Gegenbild zum immer noch und früher erst recht männlich dominierten Begriff des Komponierens. Auf der CD wird sie dabei von den fabelhaft mitverschworenen Festival Strings Lucerne begleitet, in Augsburg nun spielt sie zusammen mit den Augsburger Philharmonikern, bei welchen sie diese Saison Artist in Residence ist.

Im Zuge der Recherche für ihr Album mit Werken von Komponistinnen stieß Gromes auch auf Jaëlls Cellokonzert, zu dem die Augsburger Konzertdramaturgie die dritte Symphonie von Louise Farrenc stellt. Und Gromes selbst das erste Cellokonzert von Camille Saint-Saëns, Jaëlls Lehrer, was zu dem sehr seltenen Erlebnis führt, dass eine Solistin zwei Soloparts romantischer Cellokonzerte an einem Abend übernimmt.

Ehrlich: Gegen Jaëlls unkonventionellen, sehr sanglichen Einfallsreichtum hat Saint-Saëns letztlich einsätziges, von Resten männlicher Muskelstränge durchzogenes Werk keine Chance. Franz Liszt sagte über Jaëll: "Stünde der Name eines Mannes auf ihren Partituren, sie würden in ganz Europa gespielt." Für Farrencs gewitzte, den eigenen Klassizismus mit tollen Einfällen und grandioser Instrumentierung unterlaufenden Symphonie mag dasselbe gelten. Wenn Dirigent Ivan Demidov beherzter gegen die muffige Akustik des Kongress am Park anspielen ließ. Aber lieber verweilt er bei jeder Blume in stiller Bewunderung - na gut, man kann's verstehen.

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