SZenario:Und dann kommt Neuer

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Der Sportempfang ist für Nationaltorwart Manuel Neuer, hier mit den Leichtathletinnen Katharina Throst (links) und Christine Hering (rechts), eine schöne Möglichkeit, "mal aus meiner Blase rauszukommen". (Foto: Stephan Rumpf)

Die Sportlerehrung der Stadt ist ein Abend, den der Torwart des FC Bayern beinahe genießen kann.

Von Philipp Crone, München

Als Manuel Neuer am Ende auf der Bühne steht, fügt sich dieser Abend doch noch zu einem stimmigen Gesamtbild. Alle, die am Mittwochabend zum Sportempfang der Stadt in die Alte Kongresshalle geladen sind, haben mindestens einen Deutschen Meistertitel gewonnen, wenn nicht gar bei Europa- oder Weltmeisterschaften. Da rangiert der Torhüter des FC Bayern an unterer Position. An gleicher Stelle wie Judoka Bettina Bauer. Die 19-Jährige hat im vergangenen Jahr den Juniorinnentitel in der Gewichtsklasse bis 52 Kilo gewonnen. "Das gibt es in unserer Sportart nicht so oft", sagt sie und meint einen Empfang, eine Ehrung. Und zwar eine, bei der ein weltbekannter Torhüter die gleiche Auszeichnung erhält wie eine unbekannte Judo-Kämpferin. Der Unterschied ist dabei nicht nur ein halber Meter Körpergröße, sondern auch die Auftrittsroutine.

Die Sportlerin vom TSV Großhadern ist "eher schüchtern", was bei Katharina Trost, die vor der Verleihung im Foyer ein paar Meter weiter steht, schon etwas anders ist. Die 26-Jährige hat Olympia-Erfahrung, war in Tokio über 800 Meter im Halbfinale. "So ein Abend ist einfach schön, weil man auch mal andere Sportler aus der Stadt trifft", sagt sie und meint wahrscheinlich nicht Mit-Leichtathlet Tobias Potye neben ihr, dem man schon an der Größe und Statur ansehen kann, dass er eher kein Judoka ist. Als Hochspringer ist er in etwa so groß wie Paul Zipser, der bei den Bayern-Basketballern zu Körben hochspringen muss und ein paar Meter weiter steht, neben Keglern und Schützen. Wie sich der Hochleistungssport in der Stadt entwickelt, damit sind nicht nur die ausgezeichneten Athleten an diesem Abend zufrieden.

Ein Großer: Basketballer Paul Zipser (links) mit FCB-Präsident Herbert Hainer. (Foto: Stephan Rumpf)

Volker Herrmann, Leiter des Olympiastützpunkts Bayern, spricht von einer "sehr erfolgreichen Zeit", die bayerischen Athleten hätten bei den Sommer- und Winterspielen die Erwartungen übertroffen. Interessant sei der wachsende Anteil von Frauen, die Medaillen gewinnen, was auch damit zusammenhänge, dass es mittlerweile in den meisten Sportarten für beide Geschlechter gleich viele Disziplinen gebe. Und für alle zusammen möchte die Stadt möglichst gute Voraussetzungen schaffen, sagt Verena Dietl (SPD), Bürgermeisterin und Gastgeberin des Abends: "Wir sind die Sportstadt Nummer eins und wollen das auch bleiben", aber dafür müsse man eben möglichst viele Sportarten unterstützen. Auch mit so einem Abend, der als Anerkennung gedacht sei.

Dass Manuel Neuer, der im weinroten Outfit elegant ins Foyer einschwebt und kurz danach in den Saal zur Ehrung läuft, Anerkennung der Stadt benötigt, ist eher unwahrscheinlich. Neuer ist nach einer halben Stunde dran, geht an Lacrosserinnen, Radfahrern und dem blinden Windsurfer Ben Neumann vorbei hoch auf die Bühne neben seine Kolleginnen, die Fußballfrauen, und den Basketball-Zipser. Während Bayernspielerin Lina Magull, ausgezeichnet für die Meisterschaft 2021, angenehm selbstironisch und noch ganz ohne weichgespülte Nichtaussagen, wie viele der männlichen Kollegen, davon erzählt, warum sie in diesem Jahr nicht gewinnen werden, muss Neuer erst lächeln und dann lachen. So langsam schwindet seine antrainierte Skepsis zu jeglicher Öffentlichkeit, die für ihn ja oft eine Gefahr darstellt, absichtlich oder unabsichtlich missverstanden zu werden. Da sind die Frauen-Spielerinnen, die zwar den gleichen Sport im gleichen Verein machen, aber sich noch ganz frei in der Stadt bewegen können, vielleicht ein gutes Verbindungsglied zum normalen Leben und zu diesem Abend.

Neuer auf jeden Fall lässt sich dann sogar auf einen halbernsten Dialog mit Moderator Markus Othmer über seine verbleibende Zeit beim FC Bayern ein, lächelnd beobachtet von Präsident Herbert Hainer. Ob er das Champions-League-Finale 2025 in München noch erreichen möchte? "Mal sehen, ich bin ja schon 36", sagt er und schaut grinsend zu Hainer, dem Herrn über Vertragsverlängerungen, aber für ihn sei ein Finale "erstmal auswärts" auch in Ordnung. Man merkt, wie Neuer sich von Minute zu Minute entspannt. Er ist nicht von sensationsgierigen Gaffern umgeben oder von Boulevard-Journalisten, die seinen Privat-Ausflug nach Venedig auf einer ganzen Seite ausbreiten, sondern von seinesgleichen. Sportler, interessiert an Erfolg. Neuer scheint die Veranstaltung am Ende sogar ein wenig zu genießen, als er sagt, wie schön es ist, "mal aus meiner Blase rauszukommen". Gleichzeitig werden alle anderen Athletinnen und Athleten durch seine Anwesenheit zumindest in der medialen Wahrnehmung aufgewertet. Es entsteht also etwas, was es sonst im Sport nie gibt: eine Win-win-Situation.

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