Opern-Premiere:Ritter Ratlos

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Unter einem düsteren Stern, der immer näher kommt: Lohengrin (Klaus Florian Vogt) ist nicht der Heilsbringer, den sich alle erwarten. (Foto: Wilfried Hösl)

Ein neuer "Lohengrin" löst an der Bayerischen Staatsoper Richard Jones' legendäre Häuslebauer-Inszenierung ab. Zumindest die Besetzung mit Klaus Florian Vogt als Titelheld, Johanni van Oostrum als Elsa und François-Xavier Roth am Pult schürt hohe Erwartungen.

Von Jutta Czeguhn

Für die Münchner heißt es am Samstag endgültig Abschied nehmen vom sogenannten Häuslebauer-Lohengrin, bei dem Regisseur Richard Jones 2009 Elsas trügerischen Traum vom Eigenheim Ytong-Stein um Ytong-Stein auf der Bühne beinahe Wirklichkeit werden ließ - und vom Publikum dafür als Dünnbrettbohrer heftig ausgebuht wurde. Der Premieren-Schmerz wurde damals jedoch abgemildert, wenn nicht gar geheilt, weil man bei diesem Opern-Richtfest Jonas Kaufmann in seinem triumphalen Lohengrin-Debüt erleben konnte. Ein Traumstart für das Traum-Paar Kaufmann/Anja Harteros. Und wie es so ist im Opern-Kosmos, über die Jahre lernten die Münchner diese Inszenierung dann irgendwie lieben.

Ob das mit der Bühnenfassung von Kornél Mundruczó auch einmal so sein wird? Der Ungar ist ein vielfach prämierter Film- und Theaterregisseur mit einer noch überschaubaren Opern-Biografie (zuletzt "Tannhäuser" an der Staatsoper Hamburg). Wie Mundruczó, Jahrgang 1975, im Programmheft verrät, geht seine Wagner-Faszination auf die Kindheit zurück, als im Elternhaus dessen Platten mit dessen Ouvertüren gespielt wurden. "Ich erinnere mich, wie mich schon damals die unendliche Schönheit seiner Musik berührt hat."

Heute, als Regisseur, diagnostiziert er bei Wagner eine Zerbrechlichkeit, "weil er so gegensätzliche Eigenschaften in sich vereint - fast wie ein bipolarer Charakter". Die würde sich auch in den Handlungen und Hauptfiguren seiner Musikdramen wiederfinden. So ist Lohengrin für Mundruczó ein "an eine Tyrannengestalt grenzender Held", den sich eine Menschenmenge, die auf Erlösung wartet, imaginiert. Ein Populist also aus dem Volke, menschengemacht, der wohl definitiv nicht via Schwan eingeschifft wird. Und der gleich jede Kommunikation unterbindet. "Nie sollst du mich befragen!" Lohengrins Problem laut Mundruczó: "Wenn er sagt, wer er ist, dann stirbt er."

Mitreißend: die aktuelle "Lohengrin"-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper. (Foto: Wilfried Hösl)

Einer platten Politisierung werde sich diese Inszenierung allerdings verweigern, sagt Mundruczó. Sein Setting führe in eine posthumane Welt, "ohne dass exakt definiert wäre, wann und wo sie sich ereignet". Subtil futuristisch soll das Ganze anmuten, mit einem schwarzen Meteoriten am Himmel. Und alle, "Star Trek" lässt grüßen, tragen dieselbe Art von Kleidung. Und bevölkern ständig die Bühne: Da ist der Chor, den diesmal schon nicht mehr Stellario Fagone leitet sondern Tilman Michael, Chordirektor der Oper Frankfurt, Lohengrin-Routinier Klaus Florian Vogt und Johanni van Oostrum als Elsa, die vor drei Jahren schon mal in der alten Inszenierung am Häusle miteinander gebaut haben, Ortrud (Rollen-Debüt: Anja Kampe), Telramund (Johan Reuter), Heinrich (Mika Kares) und Heerrufer (Andrè Schuen). Auf die Personenführung bei so viel Getümmel auf der Bühne darf man also gespannt sein.

Geordnet wird es definitiv im Graben zugehen, wo François-Xavier Roth alle Fäden in der Hand hält. Aktuell noch Generalmusikdirektor an der Oper Köln, wird der Franzose von 2025 an dann Nachfolger von Teodor Currentzis als Chefdirigent beim SWR-Symphonieorchester. Und als Ritter der französischen Ehrenlegion wohl der einzige veritable Ritter bei diesem Lohengrin, der übrigens eine Koproduktion ist mit dem Shanghai Grand Theatre.

"Lohengrin", Premiere 3. Dezember, 17 Uhr, Nationaltheater, Übertragung auf BR-Klassik sowie als Video-Livestream auf BR Klassik Concert und STAATSOPER.TV, weitere Vorstellungen und Restkarten unter www.staatsoper.de

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