Libretto-Labor:Neue, junge Götter

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Ein Zauberwerk: In "Orchideen Vergessen" von Matthias Wunderl und Leon Zmelty wandern die Musiker, verändern ständig die Perspektiven des Klangs. (Foto: privat)

"Playlist": Die Autorenwerkstatt der Theaterwissenschaft sucht schreibenden Nachwuchs für Schauspiel und Oper.

Von Egbert Tholl, München

Zeus raucht. Nicht aus Freude oder Genuss, sondern weil er sein Ende ersehnt. Deshalb ist er gerade mal wieder auf der Erde, denn was im Olymp am meisten fehlt, ist ein Tabakladen. Zeus, der alte, weiße Gott, ist unbehaust, hier und dort fühlt er sich nicht mehr zuhause, das, was man heute Kunst nennt, ist für ihn nur noch Lärm, für ihn, der tourte von Athen bis Memphis. Denn Zeus ist eigentlich Elvis Presley, seine Tochter Aphrodite ist Cher, sein Sohn Dionysos Kurt Cobain, und all die alten Größen haben abzutreten für die neue Prinzessin Billie Eilish. Da jedoch Zeus von Walter Hess verkörpert wird, kann man sich gut vorstellen, dass der Gott immer noch die Bühne beherrscht.

Laura Olivi hat mehr als 30 Jahre als Dramaturgin an den Kammerspielen und am Residenztheater gearbeitet, jetzt ist sie Dozentin an der LMU, am theaterwissenschaftlichen Institut. Nach vielen Jahren der Praxis wird aus ihr nicht einfach ein Bücherwurm, nein, sie bringt der Universität das Leben bei. Konkret leitet sie eine Schreibwerkstatt. Derer gibt es viele, aber keine ist so wie diese. Denn Olivi sucht Nachwuchs fürs dramatische Schreiben sowohl fürs Sprech- wie fürs Musiktheater. Man kann nur hoffen, dass die Opernhäuser auf ihre Librettowerkstatt aufmerksam werden.

Arbeiten, die eine Verheißung auf Kommendes in sich tragen

Im vergangenen Wintersemester ging man an die Arbeit, nun wurden die Ergebnisse in der Studiobühne am Kosttor präsentiert. Acht Szenen, manche ohne Musik, manche mit, zwei, drei sind echte Miniopern. Mit einem lächerlichen Budget machte Olivi dies möglich, Thomas Köck, Tobias Schuster und Olivi betreuten die Schreibenden, fürs Musikalische und Sängerische sorgen Studierende der Musikhochschule, die Kompositionen lieferte die Klasse von Moritz Eggert, beteiligt sind auch die Theaterakademie, die Falckenberg-Schule und die Münchner Kammerspiele, wobei Letztere vergessen, den Abend auf ihrer Homepage anzukündigen. Falsche Eitelkeit der Institution?

Den jungen Leuten kann es egal sein, das Theater ist voll. Mindestens die Hälfte der Arbeiten tragen eine Verheißung auf Kommendes in sich. Wie die eingangs erwähnte Mythen-Farce von Jan Termin oder "Codes Bodies" von Aleksandra Jovic (Text) und Abigél Varga (Musik), ein beißend ironischer Kommentar dazu, wie Weiblichkeit sich immer noch angemessen äußern sollte. Herrlich die Sängerin Cazin Laure, sehr lustig die Angst der männlichen Schauspielstudenten vor dem Menstruationsblut.

Malina Sascha Hoffmann, Studierende an der Falckenberg-Schule, hat die Szenen eingerichtet, und macht aus mindestens einer ein sehr feines, genaues Zauberwerk - diese junge Regisseurin muss man weiter beachten. Das Zauberwerk ist "Orchideen Vergessen" von Matthias Wunderl und Leon Zmelty mit wiederum dem wundervollen Walter Hess im Mittelpunkt, der vergisst und sich erinnert, dem ein altes Nazi-Lied im Kopf herumspukt. Und genau so wie die Erinnerungsfetzen wandern die Musiker, verändern die Perspektiven des Klangs. Aber auch eine Schweineparabel über Fremdenhass von Luca Perfahl oder die Solonummer des Komponisten Torbjørn Heide Arnesen beeindrucken.

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