Heidi Rehns Roman "Wir träumten vom Sommer":Liebeserklärung an die Stadt und an die Liebe

Lesezeit: 3 min

Der neue Roman sei "zeitlich und vom Stil her anders als das, was ich sonst schreibe", sagt die Münchner Autorin Heidi Rehn. (Foto: Susie Knoll)

Heidi Rehns neuer Roman erzählt von den lebhaften Jahren der Olympischen Spiele in München. Das Buch ist sanfter Geschichtsunterricht und detailfreudige Hommage zugleich.

Von Leonore Winkler

Ein Bein, eine Hand, Finger, relativ warm. Zweifellos ein menschlicher Leib. Als Heidi Rehn vorliest, wie die Protagonistin Amrei nach dem am Boden liegenden Robert tastet, ist das Publikum still. Nur das Surren der Deckenlampen in der Stadtbibliothek Schwabing ist zu hören. Das bleibt an diesem Abend jedoch nicht so: Während die Autorin aus ihrem neuen Roman "Wir träumten vom Sommer" vorträgt, wird gelegentlich gekichert. Über schlagfertige Reaktionen der Protagonistin. Über Reiberdatschi. Und als Heidi Rehn beim Lesen innehält und grinsend bemerkt: "Es wird ganz schön viel geraucht in dem Roman. Halten Sie mich nicht für eine Vertreterin der Tabakindustrie - früher wurde einfach viel geraucht!" Belustigtes Schnauben aus dem Publikum.

Außerdem, so fügt die Autorin hinzu, schaffe es die Großtante der Protagonistin nur bei einer guten alten Gauloise, sich Amrei zu öffnen. Amrei ist zu ihrer Großtante nach München gezogen, um dort zu studieren. Sie lernt Freunde und Freundinnen kennen. Sie lernt, wie Studierende für ihre Überzeugungen kämpfen. Sie lernt erst David und dann Wastl zu lieben. David, so sagt es die Autorin selbst, ist der erste Grund, warum Amrei München verlässt und erst vier Jahre später wiederkommt. Wastl ist der zweite Grund.

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Der Roman ist "zeitlich und vom Stil her anders als das, was ich sonst schreibe", sagt die Autorin in der Schwabinger Stadtbibliothek. Die roten Bücherregale sind für ihre Lesung zur Seite geschoben, die aufgebauten Stuhlreihen größtenteils belegt. Sonst schreibt Heidi Rehn München-Krimis und München-Romane, die einem Zeitstrang folgen. 22 Bücher sind es inzwischen. Und die Ideen gehen ihr nicht aus: Je mehr sie zur Geschichte der Stadt recherchiere, desto mehr Impulse finde sie für neue Romane. "Es gibt immer noch etwas zu erzählen", sagt Heidi Rehn.

Was sie jetzt geschrieben hat, ist ein Roman, der jedoch zwischen zwei Zeiträumen hin- und herspringt: zwischen dem Ende der Sechzigerjahre und dem Jahr 1972. Heidi Rehn teilt die Geschichte in ein Davor und ein Danach. Aus dem Danach lernen die Leserinnen und Leser, was im Davor passiert ist: In den Jahren 1967 und 1968 ist München eine einzige Baustelle. Die Stadt bereitet sich auf die olympischen Spiele vor, sehr zum Leid ihrer Einwohnerinnen und Einwohner. Gleichzeitig gibt es vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse Studentenbewegungen. Vietnamkrieg, Notstandsgesetze, Hochschulordnung - Ostern eskalieren die Proteste. Es geht um Haltung und Gerechtigkeit. Um Leben und um Tod.

Im Jahr 1972, dem Jahr der Olympischen Spiele, scheint die Welt eine andere zu sein: Während sich die Protagonistin Amrei ihren alten Bekannten annähert, merkt sie, dass nicht nur die Stadt sich verändert hat. Alle sind auf verschiedene Weise an den Olympischen Spielen beteiligt - und erleben so auch hautnah das Attentat mit. Wieder einmal geht es um Leben und Tod.

Ein Buch fühlt sich immer ein wenig nach Heimat an, wenn es in der eigenen Stadt spielt. So ist es auch in Heidi Rehns neuem Roman. Leserinnen und Leser begleiten die Protagonistin in altbekannte Clubs, Tram-Haltestellen und Cafés.

Besonders sind die Details in dem Roman, die vor allem denen, die in München leben, vertraut sind. So etwa das Geräusch eines Klappstuhls, der im Biergarten über den Kies an eine Bierzeltgarnitur herangezogen wird. Hin und wieder mischen sich jedoch unter die plastischen Beschreibungen ein paar Phrasen, die auffällig unauffällig sind: Es wird sich öfter auf die Lippe gebissen, die Wangen glühen, Blicke werden verlegen gesenkt.

Eingebettet in eine Liebesgeschichte geht es in dem Buch "Wir träumten vom Sommer" um Freundschaft und Grenzen, Aufstand, Selbstfindung und Verlust. Natürlich geht es aber auch um die Liebe. Vielmehr als die Liebe zu den beiden Männern aber strahlt die Liebe zur Großtante Annamirl. Sie versteht sich mit ihrer 60 Jahre jüngeren Großnichte meist auch ohne viele Worte.

Der Roman ist ein sanfter Geschichtsunterricht, ein Gedenken, eine Liebeserklärung an die Stadt und an die Liebe, die sich nicht auf eine Person begrenzen lässt.

"Wir träumten vom Sommer", Lesung, Do., 10. August, 20 Uhr, Bücher Hacker , Fürstenrieder Straße 44, Eintritt 12 Euro

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