Oper:Wagner, mon amour

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Königliches Format: der Bariton Domen Križaj als Arthus. (Foto: Xiomara Bender)

Ritterrüstungen, Feuerzauber, Fantasy: Ernest Chaussons "Le roi Arthus" bei den Tiroler Festspielen Erl

Von Michael Stallknecht, Erl

Wagnerianer stehen nicht im Ruf, besonders experimentierfreudige Zeitgenossen zu sein. Jedenfalls bestätigen sie den bei den Tiroler Festspielen Erl, die seit ihrem Gründer Gustav Kuhn ein Walhall der Wagner-Pflege sind. Bei "Le roi Arthus" von Ernest Chausson dagegen ist das Passionsspielhaus nicht mal halb gefüllt. Was die Wagnerianer verpassen? Eine weitere Oper Wagners, nur auf Französisch. Mit seinem Drame-lyrique, an dem er sieben Jahre lang werkelte, gehört Chausson (1855 - 1899) zu den vielen Komponisten, die dem langen Schatten des Zauberers von Bayreuth nicht entkamen. Müssig wäre es, im selbstgeschriebenen Libretto die vielen Parallelen in Stoffwahl, Szenenaufbau, Motiven bis in Details nachzuweisen. Nur dass Chausson als Franzose im keltischen Mythos rund um König Artus und seine Tafelrunde gründelte statt im germanischen. Worum es geht? Um eine Mischung aus "Tristan" und "Parsifal", Treue und Verrat, Ehre und verzehrende Leidenschaft, ritterliche Werte und ihren Niedergang, exemplifiziert am Ehebruch, den Genièvre mit dem Helden Lancelot an Arthus begeht.

Nun ist Chausson, nicht nur in seinem bekanntesten Werk, dem Poème für Violine und Orchester op. 25, ein handwerklich brillanter Komponist. Und deshalb musikalisch auch ein brillanter Kopist, wie Orchester und Chor der Tiroler Festspiele hören lassen: Da ist dasselbe harmonische Zwielicht wie bei Wagner, das süße Gift der Chromatik, die dichte und raffinierte Instrumentation, vor allem der nie abreißende Strom sich immer aufs Neue türmender Orchesterwogen. Dirigent Karsten Januschke leuchtet mit dem Festspielorchester, im Passionsspielhaus immer im Bühnenhintergrund spielend, eine intensive Farbpalette aus. Die Leidenschaften könnte er in den Folgevorstellungen vielleicht noch ein bisschen heftiger überkochen lassen.

Wer in Wagner schon immer den Vorläufer des Fantasy-Epos sah kommt bei diesem Bühnenbild auf seine Kosten

Sowas aufs Programm zu setzen, passt zu Bernd Loebe, dem noch immer recht neuen Intendanten in Erl, der in seinem Hauptjob als Intendant der Frankfurter Oper sein Publikum schon lange für selten Gehörtes begeistert. Denn Loebe ist auch dafür bekannt, dafür die richtigen Sänger aufzuspüren: Der junge Domen Križaj zeigt als Arthus wahrhaft königliches Format, trägt seinen edelgerundeten Bariton auf endlosem Atem. Aaron Cawley schlägt sich ritterlich durch den heldentenoralen Endloskampf des Lancelot. Und Anna Gabler berührt in der Todesszene der Genièvre, auch wenn sie noch stärker die Verführungsmacht einer "Parsifal"-Kundry entdecken könnte. Im vierstündigen Heldenepos (inklusive zwei Pausen) kriegt das Liebespaar drei Duette ab (von denen mindestens eins zu viel ist) und dürfen sich wie bei Wagner selbst Nebenfiguren in langen Monologen ergehen. Die Andrew Bidlack (Lyonnel), Kabelo Lebyana (Merlin), Carlos Cárdenas (Ackersmann) oder William Meinert (Mordred) ohne Fehl und Tadel füllen.

Wer in Wagner schon immer den Vorläufer des Fantasy-Epos sah, kommt beim Bühnen- und Kostümbildner Takis optisch eindeutig auf seine Kosten: in der Bühnenmitte eine kreisrunde Laufbahn, die ebenso für einen "Ring" taugen würde, dazu Ritterrüstungen und Schwerter, wohin das Auge schaut, wenn auch aus etwas verschämt modernen Stoffen. Dafür gibt es am Ende einen richtigen Feuerzauber, bevor Artus in die ewigen Nebel Walhalls, pardon, Avalons hinübergleitet. Was die Regisseurin Rodula Gaitanou genau bei den Proben getan hat, bleibt dagegen eher nebulös. Wagner also einmal ganz ohne Regietheater, Wagnerianer, was wollt ihr mehr? In diesem Sinne: Auf nach Erl!

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