Zeitzeugen:"Es geht gut, warum denn nicht?"

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Erika Hofstetter, die älteste Einwohnerin der Gemeinde Planegg, feiert ihren 108. Geburtstag. Sie kann auf ein bewegtes Leben zurückschauen.

Von Annette Jäger, Planegg

Wenn ihre Nichte sie fragt, wie es ihr geht, antwortet Erika Hofstetter stets: "Es geht gut, warum denn nicht?" Eine einleuchtende Replik, denn die Frau erfreut sich guter Gesundheit, benötigt kaum Medikamente; nur ihr Gedächtnis lässt etwas nach, und sie ist mitunter erschöpft. Angesichts ihres beachtlichen Alters ist das eine bewundernswerte Bilanz. Erika Hofstetter feierte am Donnerstag ihren 108. Geburtstag im Planegger Alten- und Pflegeheim in der Germeringer Straße. Sie ist Planeggs älteste Bürgerin.

Das lange Leben liegt in der Familie: Der Vater wurde 90, die Mutter 95

Lesen und immer wieder lesen - das ist Erika Hofstetters Leidenschaft, erzählt ihre Nichte Sabine Weise aus Planegg, die sich seit Jahren um ihre Tante kümmert. Bis vor drei Jahren hatte die betagte Dame immer ein Buch auf dem Schoß, wenn Besucher zur Tür herein kamen. Ein langes Leben ist nicht ungewöhnlich in dieser Familie: Der Vater wurde 90, die Mutter 95 Jahre, der Bruder ebenso alt.

Die historischen Zäsuren des 20. Jahrhunderts haben Erika Hofstetters Leben geprägt. 1909 wurde sie in eine großbürgerliche Familie in Potsdam geboren, ihr Vater war Offizier, der Großvater Künstler. In der Familie war es selbstverständlich, dass auch die Mädchen - also auch ihre Schwester neben den zwei Brüdern - studieren. So besuchte sie erst die Berliner Kunsthochschule, später die Stuttgarter Kunstgewerbeschule und erlernte den Beruf der Grafikerin. Während der NS-Zeit gestaltete sie Bilderbücher und Postkarten.

Mit 95 Jahren zog sie in den Landkreis München

Jahrzehnte später, am 13. August 1961 - dem Tag, als in Berlin der Mauerbau begann - besuchte Erika Hofstetter ihre Großeltern in Berlin-Grunewald. Als sie zurück nach Potsdam wollte, wurde sie von Grenzsoldaten aufgehalten. "Wenn Sie hier rübergehen, kommen Sie nicht mehr raus", bekam sie zu hören, erinnert sich die Nichte aus Erzählungen. Erika Hofstetter ging trotzdem nach Hause - und konnte die DDR erst zehn Jahre später, als sie frühpensioniert wurde, verlassen. Zu DDR-Zeiten zeichnete sie archäologische Funde für das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Ostberlin.

Mit 83 Jahren zog sie zur ihrer Schwester nach München und 2004, mit 95 Jahren, in das Heim nach Planegg. "Sie ist immer positiv und jammert nie", sagt Weise über ihre Tante. Sie sei einfach zufrieden. Vielleicht liegt auch darin das Geheimnis ihres hohen Alters.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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