Unwetter:Mitten in der Schneise

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Abgesoffen: Ein BMW-Fahrer hat den Wasserstand in der überschwemmten Unterführung der Bezirksstraße völlig falsch eingeschätzt. (Foto: Freiwillige Feuerwehr Unterschleißheim)

Am Montagabend trifft vor allem die Stadt Unterschleißheim ein Gewitter mit starken Regenfällen und heftigem Hagel. Das Lohhofer Volksfest wird geräumt - die Feuerwehren sind im Dauereinsatz

Von Martin Mühlfenzl, Unterschleißheim

Schon am frühen Nachmittag schlägt das Warnsystem "Katwarn" an. Viele Unterschleißheimer sind also per Pushnachricht auf ihrem Smartphone vorgewarnt. Auch Bürgermeister Christoph Böck, der das Unheil im Liegestuhl an der Strandbar auf dem Lohhofer Volksfest aus München kommend in natura heraufziehen sieht. Und dann geht alles ganz schnell. Von 17.48 Uhr an tobt an diesem Montagnachmittag das stärkste Unwetter dieses Jahres über der größten Stadt des Landkreises, zentimeterdicke Hagelkörner prasseln vom Himmel, Wassermassen stürzen herab. Und nach zehn Minuten ist alles wieder vorbei.

"Das war eine richtige Schneise, die uns da erwischt hat", sagt Markus Brandstetter, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Unterschleißheim, der mit 74 Kollegen - darunter die Feuerwehrler aus Riedmoos - stundenlang im Einsatz war. Unzählige Notrufe gingen bei der Feuerwehr ein, die diese nach Prioritäten ordnete und blitzschnell abarbeitete.

Wie leergefegt: Zehn Minuten dauert das schwerste Gewitter dieses Jahres, das sich am frühen Montagabend über Unterschleißheim entladen hat. Zu diesem Zeitpunkt ist das Lohhofer Volksfest schon längst geräumt - das Unwetter aber hat seine Spuren hinterlassen. (Foto: Christoph Böck)

Größte Priorität hatte aber zunächst das Lohhofer Volksfest, das Jahr für Jahr Tausende Besucher anzieht und auch am Pfingstmontag bestens besucht war. Nach kurzer Besprechung entschieden die Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei sowie des Unterschleißheimer Ordnungsamtes, die kleine Wiesn zu räumen. "Das Risiko, dass etwas passiert, erschien uns in dieser Situation auch wegen des starken Winds einfach zu groß", sagt Bürgermeister Böck. "Deshalb haben wir den Entschluss zur Räumung sehr schnell gefasst." Auch Feuerwehrkommandant Brandstetter sagt, die "Bedrohung" sei zu groß gewesen. Beide, Böck und Brandstetter, loben die "Disziplin", die sowohl die Besucher als auch die Schausteller und Sicherheitsleute an den Tag gelegt hätten. "Als der Hagel kam, war das Volksfest zu 95 Prozent geräumt", sagt der Feuerwehr-Chef.

In der nahegelegenen Realschule richteten schließlich die Polizei, die Feuerwehr und auch Mitarbeiter des Ordnungsamtes ein Kriseninterventionsteam ein, an das sich auch Unterschleißheimer Bürger wenden konnten, deren Keller vollgelaufen war oder wenn sie wegen eines umgestürzten Baums nicht mehr vom Fleck kamen. Auch etwa 20 Besucher des Lohhofer Volksfestes kamen in der Schule während des massiven Hagels unter und wurden dort von der Bereitschaft des Bayerischen Roten Kreuzes betreut.

Sie hatten es entweder nicht rechtzeitig nach Hause geschafft oder waren zu Fuß da - und die S-Bahn fuhr zu diesem Zeitpunkt auch nur noch eingeschränkt. "Wir sind im Nachhinein sehr froh, dass alles so reibungslos funktioniert hat und es auch keine Personenschäden gegeben hat", sagt Rathauschef Böck, der sich am Dienstagnachmittag schon wieder auf den Weg zum Kindernachmittag auf dem Volksfestplatz machte. "Ich muss ein großes Lob an die Sicherheitskräfte, die Feuerwehren und die Polizei aussprechen. Das war alles perfekt aufeinander abgestimmt, auch die Schausteller waren sehr kooperativ."

Die Einsatzkräfte der Feuerwehren Unterschleißheim und aus Riedmoos waren im Dauereinsatz. (Foto: Freiwillige Feuerwehr Unterschleißheim)

Nach der Räumung des Volksfestes ging für die 75 Feuerwehrler die Arbeit indes weiter. Bis um halb eins in der Nacht waren sie unermüdlich im Einsatz und arbeiteten insgesamt 29 kleinere und größere Einsätze ab. Sie mussten auch einem Autofahrer helfen, der sich angesichts des Wasserstands in der Unterführung der Bezirksstraße unter der S-Bahn komplett verschätzt hatte. Er blieb in der komplett überschwemmten Unterführung stecken und konnte sich von selbst nicht mehr aus seinem Fahrzeug befreien, der Druck auf die Türen war zu groß. Die Feuerwehr half ihm schließlich heraus. Bürgermeister Christoph Böck kommentierte die Aktion auf Facebook lapidar: "Ohne Worte."

In den sozialen Netzwerken posteten Unterschleißheimer Fotos von Hagelkörnern durchlöcherter Jalousien, zerstörten Windschutzscheiben, überschwemmten Straßen, kaputten Solaranlagen auf den Dächern, Videos von heftigen Regenfällen, umgestürzten Bäumen und weißen Wiesen wie im tiefsten Winter. Ein User sammelte die Hagelkörner in einer Glasschale und stellte zwei Flaschen Bier hinein - das Foto kommentierte er: "Weltuntergang und Beete kaputt... na dann prost."

Dunkle Vorahnung: Der Himmel über Unterschleißheim fünf Minuten bevor der Hagel einsetzt. (Foto: Felix Huppmann)

Auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr Oberschleißheim waren am Montagabend im Dauereinsatz und verzeichneten etwa 50 unterschiedlichste Einsätze, die Garchinger Kollegen mussten mehrfach ausrücken. In der Universitätsstadt sind aufgrund des Unwetters bis auf weiteres der Parkfriedhof, die Sportanlagen rund um den Garchinger See, der Rundweg und die beiden Parkplätze sowie der Waldlehrpfad an den Isarauen gesperrt.

So wie es aussieht kann das Lohhofer Volksfest bis Sonntag aber ohne größere Einschränkungen weiterlaufen. Der Wetterbericht sagt frühsommerliches Wetter mit kleineren Schauern und selteneren Gewittern voraus. Dass Katwarn in den kommenden Tagen noch einmal anschlägt ist also nicht mehr sehr wahrscheinlich.

© SZ vom 12.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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