Kommentar:Gedenken kann die Welt verbessern

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Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges ist es wichtig, an die Verbrechen der Vergangenheit zu erinnern.

Von Bernhard Lohr

Es läuft einem kalt den Rücken runter, wenn man vor Augen geführt bekommt, dass Menschen in der Ukraine vor einem Angriffskrieg Russlands fliehen, deren Familien vor 80 Jahren dasselbe Schicksal mit Nazi-Deutschland als Aggressor erlebt haben. Das ist nicht weit hergeholt: Manchmal reicht hierzulande ein Blick in das Fotoalbum des Großvaters, wo Bilder Soldaten zeigen, die mit ihren Geschützen Charkiw bombardieren. In vielen Unternehmen, auch kleinen Handwerksbetrieben oder auf Bauernhöfen, waren in der NS-Zeit Zwangsarbeiter im Einsatz. In Unterschleißheim wurden in der Flachsröste jüdische Frauen als Zwangsarbeiterinnen ausgebeutet. Sie schufteten dort ebenso wie Frauen aus der Ukraine, die damals nach Unterschleißheim verschleppt worden waren. Heute suchen Frauen aus der Ukraine hier Schutz.

Der Kampf für eine gerechtere Welt hört nie auf. Auch 80 Jahre nach dem Unrecht, das viele in dem kriegswichtigen Betrieb am Bahnhof in Lohhof erfahren haben, lohnt sich der Einsatz, die Verbrechen von damals aufzuklären. Erst der kürzlich verstorbene Heimatpfleger Wolfgang Christoph brachte 2003 mit einer Ausstellung die Zwangsarbeit dort wieder in Erinnerung. Die Stadt beauftragte daraufhin den Historiker Maximilian Strnad, das wissenschaftlich aufzuarbeiten. Längst laufen Schulprojekte. Und jetzt wird noch ein Gedenk- und Lernort geschaffen. Ein Stahlband mit den Namen der etwa 500 Zwangsarbeiterinnen wird in den Boden eingelassen werden. Das ist vorbildlich.

Dabei ist zu verschmerzen, dass sich die Gestaltung des Gedenkorts wegen eines Irrtums in der Stadtverwaltung verzögert. Zu hoffen ist, dass der künftige Gedenkort auch zum Tatort einen Bezug hat. Entscheidend ist aber, dass er überhaupt entsteht und ein historische Bewusstsein im Rathaus dafür herrscht, wie wichtig die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist. Nur so kann eine bessere Welt entstehen. Maximilian Strnad hat erst in jüngster Zeit dank Recherchen die Namen von 50 Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine ausfindig gemacht, die jetzt auch in das Stahlband in Lohhof eingraviert werden. Das ist aktive Friedensarbeit.

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