Kommunalpolitik:Gewappnet für den Stromausfall, aber nicht für Corona

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Der Unterschleißheimer Stadtrat tagt seit 2020 im Festsaal mit Abstand zwischen den Tischen. (Foto: Robert Haas)

Die Mehrheit des Unterschleißheimer Stadtrats besteht auf Präsenzsitzungen. Das könnte bei Infektionsfällen in dem Gremium zum Problem werden.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Der Unterschleißheimer Stadtrat könnte bei einer möglichen fünften Welle der Corona-Pandemie handlungsunfähig werden. Sollten sich 16 Stadträte infizieren oder in Quarantäne müssen, dürfte das wichtigste Gremium in der 30 000-Einwohner-Kommune keine Beschlüsse mehr fassen. Ein Dringlichkeitsantrag der Grünen-Fraktion, die Möglichkeit von Hybridsitzungen zu eröffnen, fand nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Diese wäre notwendig gewesen, um die Geschäftsordnung des Stadtrats so zu ändern, dass Stadträte notfalls auch von zuhause aus an Sitzungen teilnehmen und von dort aus abstimmen können. Um die Gefahr einer Infektion im Stadtrat selbst zu senken, hat das Gremium den Zutritt für Stadträte und Besucher an den 3-G-plus-Standard gekoppelt. Wer nicht geimpft und nicht genesen ist, braucht einen PCR-Test vom Labor.

Vor allem die CSU sieht Hybridsitzungen kritisch, weshalb CSU-Fraktionschef Stefan Krimmer vorschlug, auf eine Lösung zurückzugreifen, die man sich schon einmal befristet eröffnet hatte. Der Stadtrat hatte Ende 2020 per Beschluss für drei Monate einen mit nur noch elf Mitgliedern besetzten sogenannten Sonderausschuss Corona installiert. Der wäre notfalls zusammengetreten. Mit solch einem Gremium, sagte Krimmer, könnte man sogar bei Stromausfall weiter tagen, und "nötigenfalls auch bei Kerzenschein". Letzteres fand vor allem Manfred Riederle (FDP) unpassend, der seit langem schon dafür plädiert, die Chancen der Digitalisierung bei Gremiensitzungen zu nutzen und sogar Bürger per Stream teilhaben zu lassen. "Für eine führende Hightech-Stadt ist es nicht zeitgemäß, Sitzungen bei Kerzenschein abzuhalten."

"Hybridsitzungen haben sich in der Corona-Pandemie als gute Alternative erwiesen."

Die Grünen hatten ihren Dringlichkeitsantrag damit begründet, dass die Corona-Lage sich verschärfe und jüngst auch der Münchner Stadtrat nicht mehr tagen konnte, weil sich etliche Mitglieder angesteckt hatten. "Hybridsitzungen haben sich in der Corona-Pandemie als gute Alternative erwiesen", argumentierte Brigitte Huber. Damit stand der Stadtrat das zweite Mal in diesem Jahr vor der Entscheidung, Hybridsitzungen zuzulassen. Im Juni war ein Versuch, solche einzuführen, auch schon daran gescheitert, dass die Zweidrittelmehrheit verpasst wurde. Der Freistaat hat es wegen der Gesundheitskrise den Kommunen freigestellt, befristet bis Ende 2022 solche Sitzungen abzuhalten.

Stefan Krimmer begründete die Ablehnung damit, dass viele Fragen nicht geklärt seien, wenn Stadträte von zu Hause aus am Rechner Sitzungen verfolgten. Er verwies auf die Argumente der CSU vom Sommer, als von seiner Fraktion kritisch vorgetragen wurde, dass ausgerechnet für das höchste Gremium der Stadt die Schwelle für Online-Teilhabe gesenkt werde. Auch war damals bemängelt worden, dass Stadträte es zuhause am Bildschirm mit der Nichtöffentlichkeit nicht so genau nehmen könnten.

Letztlich verfing auch das Werben von Bürgermeister Christoph Böck (SPD) nicht, der sagte, es wäre auch fatal, sollte ein gesunder Stadtrat im kommenden Jahr alleine deshalb sein Recht zur Ausübung seines Stadtratsmandats nicht ausüben können, weil er sich in Quarantäne befinde. Riederle wiederum fand, dass sogar ein infizierter Kollege hybrid mit dabei sein könnte. Er erinnerte die CSU daran, dass auch das von der CSU geführte Innenministerium Hybridsitzungen empfehle. Vergebens. Mit 18 zu 12 Stimmen wurde die erforderliche Mehrheit verpasst. Der Vorschlag, fortan als Nichtgeimpfter und Nichtgenesener einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen zu müssen, wurde mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen; ebenso der Vorschlag, allen vor der Sitzung eine zusätzliche Testmöglichkeit zu eröffnen. Die Stadt wird die Schnelltest-Kits zur Verfügung stellen.

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