Halbzeit in der Kommunalpolitik:Tiefe Gräben im Gemeinderat

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Die Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister Wolfgang Panzer (Mitte) und seiner Stellvertreterin Johanna Zapf funktioniert nicht. Das Bild zeigt die beiden mit dem Dritten Bürgermeister Richard Reiser bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats. (Foto: Claus Schunk/Bearbeitung: SZ)

In Unterhaching ist das Geld knapp geworden und die Zusammenarbeit schwierig. Auseinandersetzungen werden häufig persönlich geführt - im Gremium, aber auch zwischen Bürgermeister Panzer und seiner Stellvertreterin Johanna Zapf.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Einen Ältestenrat, der weise Entscheidungen treffen soll, gibt es in vielen Kulturen. Man darf sich dieses Gremium aber nicht immer so vorstellen wie die Gerusia im antiken Sparta, der nur Männer über 60 Jahre angehörten. In Unterhaching besteht es aus den Bürgermeistern und den Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen. Es soll "bei Meinungsverschiedenheiten eine Abstimmung zwischen den im Gemeinderat vertretenen Parteien und Gruppierungen" herbeiführen. So steht es in der Geschäftsordnung.

Vergangene Woche wurde der Ältestenrat einberufen, einen Tag vor der Gemeinderatssitzung. Nicht nur, um inhaltlich zu diskutieren: Hinter verschlossenen Türen ging es auch um den Umgang miteinander und die Außenwirkung, die die oft persönlich ausgetragenen Konflikte entfalten. Einen Tag später wird deutlich: Es hat nichts gebracht.

Schon der Start im Mai 2020 war holprig. Und das lag nicht allein an Corona. Wolfgang Panzer hatte zum dritten Mal die Bürgermeisterwahl gewonnen, seine SPD aber Stimmen verloren. Die Grünen strotzten nur so vor Kraft, waren mit neun Sitzen die größte Fraktion geworden und sie machten allen unmissverständlich klar: Wir stellen den Zweiten Bürgermeister. Oder die Zweite Bürgermeisterin? Es blieb lange ihr Geheimnis und das ärgerte die anderen maßlos.

Auch Bürgermeister Panzer sagt, er habe erst kurz vor der Sitzung erfahren, wer ihn künftig vertreten soll. Sein langjähriger Vize, Alfons Hofstetter, war ja aus dem Gemeinderat ausgeschieden. So wurde ihm Johanna Zapf als Stellvertreterin zur Seite gestellt und das machte offenbar alles anders, aus Sicht des Bürgermeisters aber keineswegs besser. Warum das so ist, darüber möchte Panzer sich nicht äußern. Zapf hingegen fühlt sich vom Bürgermeister trotz mehrfacher Versuche der Zusammenarbeit kaum eingebunden.

Die Liebe zwischen Grünen und CSU ist erkaltet

Die Grünen mussten recht bald zwei Weggänge hinnehmen, Emil Salzeder und Claudia Töpfer gründeten eine eigen Fraktion, die Neos. Die schon bei der Stellvertreterwahl offensichtlich gewordene neue Kooperation zwischen Grünen und CSU hielt dennoch eine ganze Weile und ärgerte die anderen. Doch mittlerweile ist die neue Liebe offenbar etwas abgekühlt. Viel seltener als noch zu Beginn der Wahlperiode machen diese beiden großen Fraktionen gemeinsame Sache im Gremium.

Mittlerweile verläuft der tiefe Graben zwischen den Grünen und all den anderen. Mal von Trennungen innerhalb der Fraktionen abgesehen - Julia Stifter verließ die Freien Wähler, Sebastian Ruppert die SPD. Vor allem werden die Grünen wahrgenommen als übereifrig, überkritisch, detailverliebt und im Gemeinderat und der Verwaltung auch als zeitraubend.

Sie fragen ganz genau nach, wollen immer noch mehr Unterlagen und stellen Anfragen und Anträge im Zehnerpack. Weil das die Rathausmitarbeiter an die Grenzen der Belastung gebracht hat, will Bürgermeister Panzer jetzt immer erst abstimmen lassen, ob ein Antrag überhaupt behandelt oder doch gleich zu den Akten gelegt wird.

Das wiederum erzürnt die Grünen-Fraktion, deren Arbeitsauffassung es ist, alles genau zu hinterfragen und ihre Themen mit Nachdruck einzubringen. Genau dafür seien sie ja gewählt, finden sie. Und wie sonst sollen sie den Wählerauftrag erfüllen, wenn sie ihre Ideen nicht durch Anfragen und Anträge vorbringen? Anderen im Gremium ist das aber einfach zu viel, vor allem wenn solche Anträge mit umfangreichen Arbeitsaufträgen an die Verwaltung verbunden sind.

Panzer selbst sieht sich nicht nur mit Arbeit für seine Verwaltung überfrachtet, sondern auch permanent in öffentlicher Sitzung angegriffen. "Man sieht ja, was läuft, da wird geschaut, wie man dem Bürgermeister eine reinhauen kann", sagt er. "Ich bin keine Mimose", stellt er sofort klar. Wenn es um die Sache gehe, habe er überhaupt kein Problem damit, "das gehört dazu". Und das habe es auch früher gegeben. "Jetzt geht es darum, meine Arbeit in ein schlechtes Licht zu rücken", findet er.

Panzer nimmt an, dass einige bei den Grünen bis heute nicht verkraftet haben, dass sie die Bürgermeisterwahl nicht gewonnen haben und dass nun wieder er und nicht Armin Konetschny Rathauschef ist. Deshalb machten sie jetzt Opposition, findet er. Aber im Gemeinderat gebe es keine Opposition. Der Gemeinderat sei kein politisches Gremium und auch keine Wunsch-Veranstaltung. Und in einem Rathaus gebe es nun mal bestimmte Abläufe und Vorgänge.

Natürlich habe auch die Pandemie alles viel schwieriger gemacht als in den Amtszeiten zuvor. "Die Kommunalpolitik lebt davon, dass man miteinander redet und bestimmte Absprachen trifft. Ich muss Mehrheiten zusammenbringen", sagt Panzer. Aber genau das sei während Corona lange kaum möglich gewesen. Noch dazu hatte sich die Zusammensetzung des Gremiums stark verändert, ein Drittel der Gemeinderatsmitglieder war neu. Und jetzt? "Ein Gemeinderat lässt sich nur einen, wenn er sich einen lässt", sagt Panzer und spricht gar von "destruktiver Blockade". Seine Kritiker werfen ihm Bockigkeit, schlechte Kommunikation und einsame Entscheidungen vor. Auch CSU-Fraktionsvorsitzender Korbinian Rausch hat eine Zeit in dieses Horn geblasen. Inzwischen sucht er wieder mehr den Konsens.

Die Grünen stimmten im März nach zahlreichen Klausuren gegen den Haushalt, weil er "nicht seriös durchfinanziert ist, keine mittelfristige Perspektive erkennen lässt", wie Konetschny ausführte. Fakt ist: Der Gemeinde fehlen zwölf Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen, die sie zurückzahlen musste. Daher muss gespart werden. Doch wie und wo der Rotstift angesetzt wird, darüber wird weiterhin gestritten.

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Der Bürgermeister pocht auf seine Pflichtaufgaben, spart Stellen ein und fährt Förderungen zurück. Musikschule, Volkshochschule, Personal für den Klimaschutz - alles kommt auf den Prüfstand, nicht für alles bekommt er eine Mehrheit. Denn eine Mehrheit im Gemeinderat will auf keinen Fall alles kaputtsparen, auch nicht, wenn das Geld knapp ist. Nicht die VHS, nicht die Musikschule. Und was ist mit dem Klimaschutz?

Fünf Mitarbeiter hatte die neue Abteilung im Rathaus, um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen. Jetzt ist noch einer da, die anderen haben sich anderswohin beworben, sie hatten befristete Verträge. Eine Stelle will Panzer wieder besetzen, die anderen einsparen, was die Grünen naturgemäß scharf kritisieren. "Wir können uns nicht mehr alles leisten, wir müssen uns einschränken", sagt Panzer und gibt offen zu: "2030 habe ich als Motivation gesehen. Aber so wie wir jetzt aufgestellt sind, werden wir das nicht erreichen, wir müssen das Ziel korrigieren."

Trotz allem findet der Unterhachinger Bürgermeister nach der Hälfte seiner dritten Amtszeit: "So schlecht stehen wir gar nicht da." Immerhin habe die Gemeinde in den vergangenen zehn Jahren ihre Gewerbesteuer- und Einkommensteuereinnahmen verdoppelt. Trotz Corona ist auch in den vergangenen drei Jahren einiges passiert, was Panzer aufzählen kann: Das Kinderhaus plus ist fertig, der Anbau an die Grund- und Mittelschule wurde realisiert, die Busverbindungen verbessert und die Bushaltestellen ausgebaut, Ladesäulen für E-Autos geschaffen. Der Vollausbau der Geothermie läuft und soll bis 2028 fertig sein. Natürlich sei vieles viel teurer geworden als ursprünglich angenommen. Das Kinderhaus sei allerdings zunächst auch nur als viergruppiger Kindergarten gedacht gewesen, die vom Gemeinderat gewünschte Holzbauweise des Schulanbaus ging auch ins Geld.

Deshalb hat für Panzer die Entwicklung der Gewerbegebiete jetzt erst einmal Priorität. Es muss Geld reinkommen. Und genau deshalb sorgt er sich um das Image der Gemeinde. "Wir müssen wieder auf einen gemeinsamen Weg kommen und nach außen darstellen, dass wir ein Partner sind, mit dem man etwas erreichen kann", sagt er. Und dafür wünscht er sich einen Gemeinderat, "der an der Sache orientiert ist".

Der gemeinsame Weg ist allerdings noch nicht zu erkennen. In der jüngsten Gemeinderatssitzung sah es nicht danach aus, als könnte man zusammenfinden. Nachdem Eltern, die Probleme mit einer regelmäßigen Betreuung in einer privaten Kita haben, Panzer in der Bürgerfragestunde massiv kritisierten und für die Ausfälle mit verantwortlich machten, warf Peter Wöstenbrink von der SPD der Zweiten Bürgermeisterin Zapf vor, "die Eltern vor den Karren zu spannen", damit das öffentlich eskaliere. Auch Peter Hupfauer von der FDP sprach von "parteipolitischer Agitation", er wünsche sich eine "zielgerichtete Politik und weniger ein Bashing".

"Das ist eine Unterstellung, eine bodenlose Frechheit", empörte sich Zapf, es sei eine Unverschämtheit zu behaupten, sie würde die Eltern instrumentalisieren. Vielmehr hätten weder sie noch die Eltern eine Antwort aus dem Rathaus zu der Thematik bekommen. Daraufhin habe sie lediglich auf die Möglichkeit der Bürgerfragestunden hingewiesen. Ein Tag nach der Sitzung des Ältestenrat ist die Stimmung gereizt. Mehr als je zuvor.

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