Militärische Auslandseinsätze:"Wir bilden bewaffnete Botschafter aus"

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Bei Auslandseinsätzen wie in Afghanistan interagieren Soldaten der Bundeswehr auch mit Einheimischen. Ein Studiengang an der Universität der Bundeswehr soll sie darauf vorbereiten. (Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Im Studiengang Kulturwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg werden Soldatinnen und Soldaten für fremde Gepflogenheiten sensibilisiert. Das soll die Kommunikation mit Einheimischen vor allem im arabischsprachigen Raum verbessern, Konflikte vermeiden und die Sicherheit erhöhen.

Von Daniela Bode, Neubiberg

20 Jahre waren Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan stationiert und beteiligten sich am internationalen Einsatz gegen den islamistischen Terrorismus. Manche beklagten laut Marc Frey, Dekan der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg, dass die landeskundliche Vorbereitung nur flüchtig gewesen sei. Der Studiengang "Kulturwissenschaften", der an der Fakultät im Oktober vergangenen Jahres eingeführt worden ist, könnte einen Beitrag leisten, dass so etwas in Zukunft kaum mehr vorkommt.

Denn ein Kernanliegen ist es dabei, die angehenden Offizierinnen und Offiziere in der interkulturellen Kommunikation zu schulen, um sie auf Auslandseinsätze vorzubereiten. Der regionale Fokus des Studiengangs liegt auf den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien sowie auf dem frankophonen subsaharischen Afrika. "Wir bilden bewaffnete Botschafter aus", nennt das Frey. Genau so etwas wie den Studiengang hätten sie gebraucht, habe er von Teilnehmern des Afghanistan-Einsatzes gehört.

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Mit dem neuen Fach sollte das Portfolio an der Universität erweitert werden. Für den interdisziplinären Studiengang sind sechs neue Professuren eingerichtet worden: eine für Kulturgeschichte Nordafrikas, eine für Kulturgüterschutz, eine für Religionswissenschaften mit Schwerpunkt Islam, eine für Flucht, Migration und soziale Mobilität, eine für vergleichende Kulturwissenschaften sowie eine für vergleichende politische Kulturforschung. Insgesamt ist das Studium mit Bachelor- und Masterabschluss auf vier Jahre angelegt. "Es ist ein Studiengang, der Austausch und Verständigung fördert", sagte Karl-Heinz Renner, Vizepräsident für Lehre und Internationalisierung der Universität, bei der Vorstellung des Studiengangs vor kurzem. Der Aspekt des "Peacekeepings", also der Friedenssicherung, sei dem Bundesverteidigungsministerium bei der Einrichtung des Studiengangs sehr wichtig gewesen.

Im Rahmen des Studiums ist auch der Erwerb der Sprachen Französisch und Arabisch vorgesehen, eine der beiden vertiefen die Studierenden. Einen Teil des Studiums können sie auch im Ausland absolvieren. Die Hochschule in Neubiberg kooperiert etwa mit Universitäten in Kairo und Rabat.

Marc Frey fungiert als Dekan der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Zudem ist er dort Professor für Zeitgeschichte und Geschichte der internationalen Beziehungen. (Foto: Claus Schunk)

Im Kern geht es darum, die Studierenden für die eigene und fremde Kulturen zu sensibilisieren, also Kenntnisse und ein Verständnis zu vermitteln. Das erworbene Wissen kann ihnen genauso nützen, sollten sie etwa einmal im Nachrichtenwesen oder in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sein. Es gebe in Deutschland mehrere Zentren, die sich mit dem Kontinent Afrika auskennen, sagt Frey, aber "wir haben wahrscheinlich jetzt personell die stärkste Expertise".

Ein Ziel: Dorfvorsteher und Imame verstehen und mit ihnen kommunizieren

Das Bild der "bewaffneten Botschafter" nutzt der Dekan gerne, um zu zeigen: Am Ende sollen die Soldatinnen und Soldaten in der Lage sein, eine Situation zu erfassen und auch mit Dorfvorstehern oder Imamen so zu kommunizieren, dass sie verstehen, was diese meinen, und auf diese Weise auch Risiken zu minimieren und Konflikte zu vermeiden. Aktuell ist die Bundeswehr im Rahmen eines UN-Mandats in einer Friedensmission im Libanon aktiv. "Gäbe es das Mandat noch in einigen Jahren und wären ehemalige Studierende des Studiengangs dort stationiert, würden ihnen die im Studiengang erworbenen Kenntnisse natürlich zugutekommen", sagt Frey.

Merle (links) und Lisa studieren seit Oktober 2022 Kulturwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. (Foto: Claus Schunk)

Die Zahl der Studierenden ist noch überschaubar. In diesem Oktober sind 25 Studierende neu für das Fach eingeschrieben, 60 Prozent Männer, 40 Prozent Frauen. Im ersten Jahr waren es nur sieben gewesen. Einige von ihnen können sich vorstellen, einmal im militärischen Nachrichtenwesen tätig zu sein. "Kulturelle Awareness schadet bei der Bundeswehr nie, etwa mit Blick auf einen Einsatz, auch im Privaten", sagt Lisa, die wie ihre Kommilitonin Merle nur mit dem Vornamen genannt werden will.

Lisa gefällt an dem Fach bis jetzt vor allem das Erlernen der arabischen Sprache und der Inhalte über den Islam. Merle haben ebenfalls die Sprachen überzeugt und der Umstand, dass man Kulturen verstehen lernt und ein Bewusstsein dafür bekommt. Sie ist nach eigenen Angaben von der Bundeswehr für die operative Kommunikation eingeplant. Ein mögliches Feld dabei ist die interkulturelle Einsatzberatung, bei der man direkt den Kommandeur berät.

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