SZ-Serie: Das Fest der Dinge, Folge 21 und Ende:Wie auf dem Autobahnring

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Dass der Weihnachtsstern über der Krippe ein Komet gewesen sei, ist die gängigste Erklärung - und die am wenigsten wahrscheinliche. (Foto: Science Source/Jerry Lodriguss)

Die Astrophysikerin Christine Botzler erklärt an der Volkshochschule in Taufkirchen regelmäßig Himmelsphänomene. Zur Weihnachtszeit kommen ihre Zuhörer vor allem, um etwas über den Stern von Bethlehem zu erfahren - und über ein planetares Überholmanöver.

Von Iris Hilberth

Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis dass er kam und stand oben über, wo das Kindlein war. (Matthäus 2, 1.9)

Christine Botzler hat Zimtsterne mitgebracht. Beliebt im Advent und passend zum Thema. Der Stern hat an Weihnachten bekanntlich aus religiöser Sicht eine große symbolische Bedeutung und ist derzeit omnipräsent. Keine Weihnachtskrippe, über der nicht ein Stern mit prächtigem Schweif schwebt. Jede Kindergartengruppe bastelt Sterne, um den Christbaum zu schmücken. Und für Konditoren ist es ein Muss, mit den gezackten Plätzchen kulinarisch auf das Fest einzustimmen.

Christine Botzler will an diesem Abend im Advent an der Volkshochschule Taufkirchen mit ihren Zimtsternen den Zuhörern ihr Thema schmackhaft machen. Das wäre vielleicht gar nicht notwendig, denn die Materie bewegt seit Jahrhunderten die Gemüter der Menschen. Es geht um die Frage: Was kann das gewesen sein, dieser Stern von Bethlehem? Ein Komet vielleicht oder gar eine Supernova?

Im Lauf der Geschichte sind zahlreiche Theorien entstanden

Christine Botzler ist Astrophysikerin, sie hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promoviert und in Neuseeland nach extrasolaren Planeten geforscht. In Taufkirchen kennen viele Kursteilnehmer sie als Dozentin für das Studium Generale der VHS. Man merkt schnell: Sie hat ihre Fans unter der Zuhörerschaft. Die schätzen die 46-Jährige als Wissenschaftlerin, der es gelingt, auf fundierte und zugleich unterhaltsame Weise astronomische Erkenntnisse an Laien weiterzugeben.

Das Angebot, sich mit dem Stern von Bethlehem aus naturwissenschaftlicher Sicht auseinandersetzen, mal zu beleuchten, welche astronomischen Objekte am ehesten in Frage kämen, um das Himmelsphänomen zu Jesu Geburt zu erklären, hat den Saal im Obergeschoss des VHS-Hauses jedenfalls gut gefüllt.

Einfach zu klären ist es allerdings nicht.

Im Lauf der Jahrhunderte sind zahlreiche Theorien entstanden, mit denen Gelehrte versucht haben, den Stern von Bethlehem zu deuten. Keine gilt als wirklich erwiesen. Man müsse bei der Betrachtung auch die damalige Zeit im Auge behalten, sagt Botzler. Im Altertum und teilweise bis ins Mittelalter hätten Himmelsphänomene eine große Rolle in den Hochkulturen der Welt gespielt.

Allerdings gab es noch keine klare Trennung zwischen der naturwissenschaftlichen Himmelsbeobachtung und der Sterndeutung. Erst seit etwa 400 Jahren unterscheidet man die Astronomie von der Astrologie. Den beobachteten Himmelsereignissen wurde damals nachgesagt, mit wichtigen historischen Ereignissen wie Kriegen, Naturkatastrophen oder der Geburt eines neuen Herrschers einherzugehen.

Gefragte Expertin: Christine Botzler hat über extrasolare Planeten promoviert. Sie unterrichtet an der VHS. (Foto: Claus Schunk)

Nehmen wir also die Kometen-Theorie. Der Theologe Origenes aus Alexandria (185 bis 254) war der Erste, der den Stern von Bethlehem so einordnete. "Kometen sind Himmelskörper, die hauptsächlich aus leicht flüchtigem Wasser- und Kohlendioxideis bestehen", erklärt Botzler, "Brocken aus Eis mit a bissl Dreck dabei." Sie bewegen sich auf stark elliptischen Bahnen um die Sonne. Kommen sie ihr sehr nahe, sublimiert ein Teil des Eises, es geht vom festen in den gasförmigen Zustand über. "Das ist kein Schmelzen", stellt Botzler klar. Dadurch entsteht eine nebelige Hülle, die Koma, und durch die Sonnenwinde zwei lang gestreckte Schweife.

Kometen leuchten sehr hell, sie sind mehrere Tage am Himmel zu beobachten und für jeden sichtbar. Aber war der Stern von Bethlehem tatsächlich ein schmutziger Eisklumpen, der gerade an der Sonne vorbeiflog?

Jesu Geburt wird auf 4 bis 7 nach Christus datiert

Wissenschaftler heutzutage halten das für eher unwahrscheinlich. Botzler zählt gleich vier Argumente auf, die dagegen sprechen: Halley etwa ist ein periodischer Komet, der infrage käme. Doch hat man berechnet, dass er etwa 12 bis 11 vor Christi Geburt erschienen sein muss. Der tatsächliche Geburtstermin Jesu wird heute dagegen auf die Jahre 4 bis 7 nach Christus datiert. Auch verband man zur damaligen Zeit Kometen mit negativen Ereignissen. "Kometen sind noch dazu sehr markante Phänomene, die nicht nur den Weisen aus dem Morgenland aufgefallen wären. Auch bewegen sich Kometen relativ zu den Fixsternen ständig weiter und scheinen nicht, wie beschrieben, an einem Ort stehen zu bleiben", weiß die Expertin.

Dann gibt es noch die Nova- oder Supernova-Theorie. Eine Nova ist ein Helligkeitsausbruch eines Weißen Zwergsterns, der in einem engen Doppelsternsystem von seinem Nachbarn Materie erhält. Eine Supernova entsteht beim Tod eines massereichen Sterns, "es ist sein letzter Todesschrei", sagt die Astrophysikerin. Seine Helligkeit nimmt dabei um das Millionen- bis Milliardenfache zu. In beiden Fällen wird aus einem kaum sichtbaren Stern ein heller, scheinbar neuer.

So geht der Altorientalist Werner Papke davon aus, dass es sich beim Stern von Bethlehem um eine Supernova im Sternbild "Coma Berenices" handelt, dem "Haar der Berenike". Die Babylonier sollen in diesem Bereich des Sternenhimmels die Gestalt der Erua gesehen haben, der gebärenden Jungfrau. Allerdings, meint Botzler, gebe es keine historischen Aufzeichnungen über eine Supernova in diesem Sternbild zu dieser Zeit. Auch wurden keine Überreste einer Supernova in "Coma Berenices" beobachtet.

Theorie Nummer drei wäre eine sogenannte Konjunktion. In der Astronomie bezeichnet man damit eine scheinbare Begegnung mehrerer Planeten. "Man muss sich das so vorstellen wie den Autobahnring rund um München mit mehreren Spuren", sagt Botzler. Überhole nun ein innen und schneller fahrendes Auto eines auf der Außenspur, komme es vom Stadtzentrum aus gesehen zu einem Zusammentreffen der beiden.

Von einer Größten Konjunktion am Sternenhimmel spricht man, wenn sich Jupiter und Saturn scheinbar begegnen. Der Astronom und Historiker Konradin Ferrari d'Occhieppo vertritt die These, dass der Stern von Bethlehem eine größte Konjunktion im Sternbild Fische gewesen ist. Jupiter galt in der Astrologie der Babylonier als Königssymbol, Saturn als Beschützer des jüdischen Volks und der westliche Teil des Sternbilds Fische als Symbol für Palästina. "Die Größte Konjunktion findet verdammt selten statt, nur alle paar hundert Jahre", sagt Botzler, sie passe aber mit dem Zeitfenster der Geburt der historischen Figur Jesus zusammen.

"Am Abend des 12. November 7 vor Christus standen die Planeten schon verdammt nah zusammen." Botzler denkt, dass bei günstigen Lichtverhältnissen der Kegel des "Zodialkallichts", also die Streuung des Sonnenlichts, an interplanetarischem Staub von Jerusalem aus hätte gesehen werden können, geradeso als ginge ein Lichtkegel von den Planeten aus, deren Achse nach Bethlehem wies. "Es könnte also passen, das heißt aber nicht, dass es passen muss", so die Wissenschaftlerin. Denn auch hier gibt es ein Aber.

Bei einer Großen Konjunktion sind immer noch zwei Lichtpunkte zu sehen. "Wo also ist der Stern?", fragt Botzler. Die Gelehrten von damals hätten sehr genau gewusst, was Planeten sind und was Sterne. Auch hätten die Babylonier - betrachtet man deren Keilschrifttafeln - einer Großen Konjunktion keine große Bedeutung beigemessen. "Das muss für sie ein ganz normales astronomisches Ereignis gewesen sein."

Vielleicht sind die vielen Zweifel an den Theorien für manchen Zuhörer in Taufkirchen etwas enttäuschend gewesen. Denn ganz genau wissen sie nun immer noch nicht, was der Stern von Bethlehem war. Vielleicht tröstet Christine Botzlers Einschätzung: "Die Größte Konjunktion ist noch die am besten passende Erklärung."

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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