Landtagswahl 2023:Ratlos nach dem tiefen Fall

Lesezeit: 3 Min.

Trübe Stimmung: Die SPD bei ihrer Wahlparty in der Zentrale am Oberanger. (Foto: Stephan Rumpf)

Die bei der Landtagswahl wie erwartet abgestrafte SPD tut sich bei der Analyse schwer. Keiner weiß, warum ihre erfolgreiche Politik in den Kommunen nicht beim Wähler verfängt.

Von Jennifer Bergmann und Bernhard Lohr, Landkreis München

Um kurz nach neun macht sich Christine Himmelberg aus dem Landratsamt auf den Weg zu ihrer Partei am Oberanger. In der Tram herrscht gute Stimmung, sie scherzt mit Stefan Michalczyk und Felix Böttger, die die Wahlkampagnen für die SPD-Kandidaten Himmelberg und Florian Schardt im Landkreis geleitet haben. In der Parteizentrale wird die Sozialdemokratin am späteren Abend herzlich in Empfang genommen. Mittlerweile sind nicht mehr allzu viele Genossen anwesend. Diejenigen, die noch da sind, wirken trotz des schlechten Wahlergebnisses nicht bedrückt. Nachdenklich vielleicht, sagt Himmelberg. Anmerken lassen will sich den Tiefschlag hier offenbar niemand.

"Es hilft ja nichts, jetzt rum zu jammern und den Kopf in den Sand zu stecken", kommentiert Himmelberg das einstellige Ergebnis bei der Landtagswahl. Die SPD habe gelernt, mit Tiefschlägen umzugehen. Die Gespräche am Abend geben ihr recht. Immer wieder fallen aufmunternde Sätze, die zentrale Botschaft: "Wir machen weiter."

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Doch einfach nur weitermachen wie bisher, erscheint vielen keine Option zu sein. Zu tief ist der Fall für eine Partei, die gerade im Landkreis München einst stark war und heute noch Bürgermeister in mehreren Kommunen stellt. So haben in Ismaning, Grasbrunn, Putzbrunn und Unterhaching gestandene Sozialdemokraten das Sagen. Ein weiteres Beispiel ist Dietmar Gruchmann in Garching, der bemängelt, dass auf Landesebene zu wenige Persönlichkeiten die SPD repräsentierten. Außer Florian von Brunn kenne man niemanden mehr. Natürlich sei die SPD in Bayern keine gestaltende Kraft, die sich profilieren könne. Doch Gruchmann fehlen Politiker, die bei den Menschen ankämen. "Mei, wir sind halt in Bayern", sagt er und es klingt ein bisschen resigniert. Den SPD-Chef Brunn habe er noch nie in einer Lederhose gesehen. Dabei wünschten sich die Leute den "königlich bayerischen Sozialdemokraten".

Dabei geht es Gruchmann nicht um Politikverkäufer, sondern um authentische Akteure und Akteurinnen, eine wie die frühere Landesvorsitzende Renate Schmidt. "Es hat auch Spaß gemacht, ihr zuzuhören", denn Schmidt habe etwas zu sagen gehabt. Kritik übt Gruchmann an stereotypen Wahlslogans wie "bessere Pflege" oder "mehr Kita-Plätze". Das wollten doch alle. Die Menschen erwarteten Lösungen. So wie sie Bürgermeister liefern müssten. Pragmatismus und Bodenständigkeit vermisst auch der Unterschleißheimer SPD-Bürgermeister Christoph Böck. Er bemängelt, "dass es uns auf Landesebene schlechter gelingt als in Kommunen, das Ohr am Bürger zu haben".

Die SPD-Direktkandidaten Himmelberg und Schardt erhalten am Tag nach der Wahl von ihren Parteifreunden Rückendeckung, auch von den Bürgermeistern aus Garching und Unterschleißheim. Ein Ausrutscher sei ihr Ergebnis nicht gewesen, sagt etwa Böck, an den Kandidaten habe es nicht gelegen. Gruchmann sagt, man habe mit Schardt im Norden einen guten Kandidaten gehabt, der aber wenig Zeit gehabt habe, sich zu profilieren. Kevin Meyer aus Neuried, Vorsitzender der Jusos München-Land und stellvertretender Juso-Chef in Oberbayern, unterstreicht, Christine Himmelberg habe bei ihrem ersten Anlauf mit 8,8 Prozent besser abgeschnitten als die SPD im Land mit 8,4.

Die Jusos Bayern fordern einen inhaltlichen und personellen Neustart

Die Jusos Bayern fordern jedenfalls einen Neustart für die SPD im Land, und zwar zunächst inhaltlich und dann auch personell. "Wir müssen endlich wieder eine Partei werden, die ihre Mitglieder als wichtigstes Element anerkennt, sie konsequent einbindet und an Entscheidungsprozessen beteiligt." Meyer spricht von einem "positiven Politikdesign", die SPD müsse eine klare Haltung gegen Rechts mit Inhalten füllen, die eine breite Schicht anspreche und "besser kommunizieren".

Volker Panzer, der Vater des Unterhachinger Bürgermeisters Wolfgang Panzer, ist seit 56 Jahren SPD-Mitglied. Er war 36 Jahre Gemeinderat für die SPD und 15 Jahre zweiter Bürgermeister. "Ich bin todtraurig", sagt er zum derzeitigen Zustand seiner Partei. Auch Panzer sagt mit Blick auf die Landespolitik: "Es fehlen Persönlichkeiten." Und auch: "Es fehlt ein bisserl das Persönliche." Früher habe er auch als Vorsitzender des TSV Unterhaching engen Kontakt mit den Menschen gehabt, man habe aufeinander geschaut und sich gegenseitig geholfen. Viele Strukturen hätten sich aufgelöst, auch der Kontakt zu den früher für die Partei so wichtigen Gewerkschaften sei kaum mehr vorhanden.

Gute Miene zum schlechten Abschneiden: SPD-Kreis-Chef Florian Schardt mit der bisherigen SPD-Landtagsabgeordneten Natascha Kohnen. (Foto: Claus Schunk)

Der enttäuschte Direktkandidat und SPD-Kreischef Florian Schardt steht am Tag nach der Wahl am Anfang seiner Analyse. Die bayernweiten Verluste bei Arbeitern und Angestellten seien bitter. Viele davon, vor allem Männer, seien wohl zu AfD und Freien Wählern abgewandert. "Für eine Arbeiterpartei ist das ein Riesenproblem", sagt Schardt. Als Kandidat, der im Wahlkampf auch mit Wirtschaftskompetenz punkten wolle, schmerze es ihn, dass die SPD bei diesem Themenfeld in der Wahrnehmung der Wähler keine Rolle mehr spiele. Zumal das früher schon mal anders gewesen sei.

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