Planegger Schlosswirtschaft:Ein Trümmerfeld als abschreckendes Beispiel

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"Ein dunkles Kapitel der Denkmalpflege in Bayern": der Abriss der Alten Schlosswirtschaft in Planegg. (Foto: Robert Haas)

Der Verfall und letztliche Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes sind nach Ansicht des Landtags Folge eines "Behördenversagens". Angesichts Hunderter ähnlicher Fälle in Bayern soll die Staatsregierung nach dem Willen von CSU und Grünen aus dem Vorgang Lehren für die Zukunft ziehen.

Von Annette Jäger, Planegg

Vernichtender kann ein Fazit kaum ausfallen: Die einst denkmalgeschützte Schlosswirtschaft in Planegg ist "Behördenversagen" zum Opfer gefallen. Diese Erkenntnis hat zumindest Sabine Weigand, Grünen-Abgeordnete und Mitglied im Wissenschaftsausschuss des bayerischen Landtags, aus dem umfangreichen Aktenstudium um die Vorgänge der Schlosswirtschaft gewonnen. Anlass ihres Berichts im Ausschuss am vergangenen Mittwoch war eine Anfang Februar eingereichte Petition eines Planegger Bürgers mit der Forderung, die Abrissgenehmigung zu überprüfen - zurückgenommen werden konnte diese nicht mehr, Ende März wurde die Schlosswirtschaft bereits abgerissen. Mit ihrem Urteil steht die Grüne im Landtagsausschuss nicht allein: Robert Brannekämper (CSU), der stellvertretende Vorsitzender des Ausschusses, spricht von einem staatlichen und kommunalen "Multiorganversagen". Der Abriss der Schlosswirtschaft sei "ein tragischer Fall", ein "dunkles Kapitel der Denkmalpflege in Bayern".

Es war ein dicker Stapel an Akten, durch den sich Weigand als Berichterstatterin in Sachen Denkmalschutz arbeiten musste, denn die Schlosswirtschaft in Planegg hat die zuständigen Behörden jahrzehntelang beschäftigt - oder hat sie diese eher nicht beschäftigt? Weigand fragt sich nach dem Lektüre-Studium, ob es sich um "Langzeit-Beamten-Mikado" gehandelt habe, "Arbeitsverweigerung" oder ob hier ein Fall ausgesessen und am Ende vergessen wurde.

Jedenfalls habe fast 30 Jahre lang - "das sage ich in Großbuchstaben" - keine der zuständigen Behörden eine Entscheidung getroffen, die das Planegger Denkmal hätte retten können. Den Vorwurf des Behördenversagens richtet sie an die Regierung von Oberbayern als Entscheidungsgremium und an die Untere Denkmalschutzbehörde im Landratsamt.

Als die Petition im Februar eingereicht wurde, war schon klar, dass sie keine aufschiebende Wirkung haben würde und den durch die Regierung von Oberbayern bereits genehmigten Abriss nicht aufhalten könnte. Dennoch hat sich der Ausschuss diese Woche sozusagen posthum mit den Vorgängen beschäftigt - es seien einfach zu viele "Fragen und Merkwürdigkeiten" um die Vorgänge aufgetreten, so Weigand.

Vor allem das jahrzehntelange Widerspruchsverfahren verwundert: Im Jahr 1995 hatte der Eigentümer der Schlosswirtschaft einen Antrag auf Abriss gestellt, den die Untere Denkmalschutzbehörde ablehnte. Der Eigentümer legte Widerspruch ein, den die Behörde an die Regierung von Oberbayern zur Entscheidung weiterleitete. Dort lag er dann, es passierte aber nichts mehr, so Weigand. Man habe das Gebäude "sehenden Auges verfallen lassen".

Man habe die Schlosswirtschaft in Planegg "sehenden Auges verfallen lassen", sagt die Grünen-Landtagsabgeordnete Sabine Weigand. (Foto: Florian Peljak)

Eigentümer sind verpflichtet, ein Denkmal zu erhalten. In diesem Fall wäre das die Planegger Familie von Hirsch gewesen, die auf umfangreichen Grundbesitz im Würmtal und in der Münchner Umgebung blickt. Zuletzt gehörte die Schlosswirtschaft der Selly Verwaltungs GmbH & Co. Grundstückvermietung KG, deren Geschäftsführer der Planegger CSU-Gemeinderat Philipp von Hirsch ist. Kommt ein Eigentümer seiner Erhaltungspflicht nicht nach, kann die Behörde eine Notsicherung anordnen, sagt Weigand. Doch auch das sei nicht geschehen. Einzig das Landesamt für Denkmalpflege sei seiner Pflicht nachgekommen, habe immer wieder Nutzungskonzepte vorgelegt und finanzielle Förderung angeboten, zuletzt rund zwei Millionen Euro.

Als im Oktober 2023 ein Gebäudeteil im Anbau der Schlosswirtschaft einstürzte, geschah das, was Weigand, die auch Mitglied im Bayerischen Landesdenkmalrat ist, "einen Klassiker" nennt: Die Gefahr eines Kompletteinsturzes des Gebäudes stand im Raum, die Straße wurde gesperrt, es kam zu einem "Aufschrei in der Bevölkerung" - so "kriegt man die Sache schnell vom Tisch", sagt Weigand. Ähnlich sei das schon an anderen Orten in Bayern erfolgt. "Es ist ein Muster, das häufiger auftaucht." Weigand betont, dass das Hauptgebäude immer noch zu retten gewesen wäre, so habe es das Landesamt für Denkmalpflege anhand vorliegender Gutachten bescheinigt. Stattdessen habe die Regierung von Oberbayern jedoch den Abriss genehmigt; der Erhalt der Schlosswirtschaft sei wirtschaftlich unzumutbar, lautete deren Begründung.

Für die Schlosswirtschaft kommen all die Erkenntnisse zu spät, ein juristisches Nachspiel gibt es nicht. Der Fall wandert lediglich als sogenanntes Material an die Staatsregierung, so hat es der Wissenschaftsausschuss im Landtag einstimmig beschlossen. Bei der nächsten Gesetzesänderung zum Denkmalschutz können die Erkenntnisse aus dem Fall einfließen, so Weigand. Gerne würde sie das Thema auch noch einmal im Bayerischen Landesdenkmalrat diskutieren, in dem sie Mitglied ist. Vor allem mit dem Aspekt der Unzumutbarkeit sollte man sich noch einmal auseinandersetzen, meint sie.

Der Gebäude-Unterhalt sei von den Eigentümern über Jahre verschleppt worden

Dieses Argument hat den Abriss der Schlosswirtschaft besiegelt. Es sei eine Frage, um die im Denkmalschutz laut Weigand regelmäßig langwierig diskutiert werde. Fraglich sei immer wieder, auf welcher Zahlengrundlage eine Wirtschaftlichkeitsberechnung basiere. Von geschätzten Sanierungskosten müssten zum Beispiel die Mehrkosten abgezogen werden, die entstanden sind, weil der Gebäudeerhalt über Jahre - in Planegg sind es Jahrzehnte - verschleppt wurde.

Was bleibt, ist eine Mahnung, es im nächsten Fall besser zu machen, sagt Weigand. Dafür sind nach Ansicht von CSU-Mann Robert Brannekämper, der auch Vorsitzender des Landesdenkmalrats ist, die Weichen gestellt. Eine neue sogenannte Taskforce soll sich genau jener Denkmäler annehmen, deren Eigentümer sie nicht erhalten wollen oder können und die leer stehen. Davon gibt es laut Brannekämper zwischen 1500 und 2500 in Bayern. Ein Fördertopf mit 500 000 Euro stehe zur Verfügung, um Notsicherungsmaßnahmen an den Gebäuden zu finanzieren. Die Idee hinter der Spezialeinheit sei, die Eigentümer zu motivieren, ein Denkmal zu erhalten, anstatt auf Repressalien zu setzen, die oft in einem juristischen Stellungskrieg enden würden. Damit die Gebäude dann auch wirklich erhalten bleiben, braucht es aber vor allem Geld, allen voran "mehr Fördermittel", so Weigand, denn die seien viel zu gering.

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Das Denkmalnetz Bayern, ein Zusammenschluss von Privatleuten und Initiativen, die sich unter anderem für den Erhalt von Denkmälern einsetzen, wertet die Entscheidung des Wissenschaftsausschusses als "kleinen Erfolg", sagt deren Sprecherin Karin Nobs. Sie hege die "leise Hoffnung", dass sich etwas bewegt in der Politik, um Denkmäler besser zu schützen. Das Netz hat einen Antrag auf "vollumfängliche Akteneinsicht" zu den Vorgängen um den Planegger Fall beantragt. Auf eine Antwort wartet es noch.

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