Pullach:Gegner der Chemiewerkpläne ziehen vor Gericht

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Über die umstrittene Erweiterung des Chemiewerks von United Initiators dürfen die Pullacher voraussichtlich nicht abstimmen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Bürgerinitiative will in Pullach das Ratsbegehren zu United Initiators juristisch zum Scheitern bringen. Nun ist eine Sondersitzung des Ferienausschusses anberaumt - was den Ort weiter spaltet.

Von Michael Morosow, Pullach

Wer geglaubt hat, die seit Monaten mit harten Bandagen geführten Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde Pullach und der Bürgerinitiative "Schützt die Isarauen" um die Umbau- und Erweiterungspläne des ansässigen Chemiekonzerns United Initiators würden am 23. Oktober per Bürgervotum ad acta gelegt werden, der irrt. Stattdessen überschlagen sich die Ereignisse. Hinter dem für diesen Tag geplanten Bürger- beziehungsweise Ratsbegehren stehen plötzlich dicke Fragezeichen. Wie die Gemeinde am Freitag erklärte, beanstandet die Bürgerinitiative falsche Tatsachenbehauptungen der Gemeinde in ihrem Begründungstext für das Ratsbegehren und hat daher beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 16. August einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Nach diesem für die Kommune überraschenden juristischen Vorstoß der Bürgerinitiative müssen die Karten neu gemischt werden.

An diesem Montag werden sich die Mitglieder des Gemeinderates in einer eiligst einberufenen Ferienausschusssitzung über das weitere Vorgehen verständigen. Doch bereits davor kochen die Emotionen hoch. So etwa beklagt Alexander Betz (FDP) die seiner Meinung nach unnötig spät erfolgte Ladung, weshalb er und sein Fraktionskollege Michael Reich nicht anwesend sein können. Christine Eisenmann (CSU) spricht von einer Farce und kritisiert auf das Schärfste, dass im "Ferienausschuss mit halber Besetzung" über ein Thema von einer solch enormen Tragweite entschieden werden soll. Sie und ihr Mann Uwe würden ihren Italienurlaub frühzeitig beenden, um die Sitzung nicht zu verpassen. Nach Darstellung von Andreas Most (Pullach plus), der in der Sitzung Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) vertritt, ist es denkbar, dass der Ausschuss für eine Korrektur des Julibeschlusses votiert und neben dem Rats- auch das Bürgerbegehren neu auf den Prüfstand stellt.

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Die Gemeinde sah über die Mängel hinweg, die Bürgerinitiative tut das nicht

Nach dem Beschluss des Gemeinderates im Juli schien der Weg frei zu sein für eine letztgültige Entscheidung zu den im Ort heftig umstrittenen Plänen des Chemieunternehmens. Mehrheitlich hatte das Gremium für die Zulassung des Bürgerbegehrens gestimmt, obwohl dieses laut juristischen Expertisen grobe Mängel in der Begründung aufwies und hätte abgelehnt werden können. Der pragmatische Gedanke, die Bevölkerung über dieses umstrittene Thema für oder gegen die Bauleitplanung entscheiden zu lassen, hat laut Bürgermeisterin Tausendfreund überwogen. Während die Gemeinde über die beanstandeten Mängel im Text des Bürgerbegehrens hinwegsah, will das die Bürgerinitiative im umgekehrten Fall nicht tun. Die Fragestellung des Ratsbegehrens enthalte falsche Tatsachenbehauptungen und hätte in dieser Form niemals zugelassen werden dürfen, heißt es in dem Antragsschreiben der Anwaltskanzlei der Bürgerinitiative an das Verwaltungsgericht. Das Bürgerbegehren würde durch das Ratsbegehren der Gemeinde gefährdet und sei daher vor diesem rechtswidrigen Ratsbegehren zu schützen.

In dem Antragschreiben zählt die Kanzlei eine ganze Reihe von Beanstandungen auf, so etwa eine "Irreführung bezüglich städtebaulichem Vertrag", den die Gemeinde und United Initiators vereinbart haben. Damit erwecke die Gemeinde den Eindruck bei den Bürgern, dass wichtige Belange, wie die Beschränkung der Lagermengen von Gefahrstoffen oder die Umstellung auf Erneuerbare Energien, durch den Vertrag gesichert seien. Tatsächlich aber gehörten die Grundstücke auf dem Firmengelände nicht nur United Initiators, sondern zum Teil auch der US-amerikanischen Bayern Acquisition LLC mit Sitz in Delaware, die den Vertrag nicht unterschrieben habe und daher nicht daran gebunden sei. Es wäre sehr schade, wenn der Ferienausschuss am Montag die bereits erfolgte Zulassung des Bürgerbegehrens kassieren würde, sagt Christian Boeck, Sprecher der Bürgerinitiative. Deren Rechtsanwalt Alexander von Bergwelt hält das für gar nicht möglich. "Es ist Unfug zu glauben, dass das geht", sagte er am Freitag zur SZ.

Den von FDP-Gemeinderat Betz geäußerten Verdacht, die späte Ladung des Gremiums zur Sitzung des Ferienausschusses sei vorsätzlich geschehen, weist Andreas Most weit von sich. Betz hat ihm am Freitag wissen lassen, dass die Einladung am Donnerstag nicht in seinem Briefkasten gelegen habe, als er um 12 Uhr das Haus verließ. Die Ladung sei um 14.52 Uhr von einem Boten eingeworfen worden, teilte ihm Most mit und schickte ihm dazu sogar ein Beweisfoto. Seit Freitag, 19. August, wisse die Gemeinde von dem Antrag der Bürgerinitiative an das Verwaltungsgericht. Auflage der Rechtsaufsicht des Landratsamtes sei gewesen, sowohl eine Stellungnahme der Gemeinde als auch der Bürgerinitiative zu deren Rats- beziehungsweise Bürgerbegehren einzuholen, was inzwischen erfolgt sei. Dass am 23. Oktober tatsächlich die Bürger zur Wahlurne gehen können, daran habe er aber Zweifel. Dazu müsste der Ferienausschuss mit seinen Beschlüssen am Montag den Weg freimachen. Deadline sei tags darauf um 12 Uhr. Bis dahin müsste der Druckauftrag für die Wahlunterlagen erteilt werden.

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