Polizeihubschrauber in Oberschleißheim:Ärger im Anflug

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Der Protest gegen den befürchteten Lärm ist erfolglos geblieben: Das Luftamt Südbayern genehmigt die Verlegung von fünf weiteren Polizeihubschraubern nach Oberschleißheim. Dort hat man mit der Entscheidung gerechnet und erwägt nun den Klageweg.

Von Gudrun Passarge und Simon Schramm, Oberschleißheim

Die Genehmigung des Luftamts Südbayern für den Umzug der bayerischen Polizeihubschrauberstaffel nach Oberschleißheim hat im Landkreisnorden Entsetzen ausgelöst. Mit dem Hinweis auf Synergieeffekte begründete das Luftamt am Donnerstag seine Entscheidung für die Verlegung von fünf Hubschraubern der Landespolizei an den Standort der Bundespolizei.

Zugleich wurden dem Ortsteil Hochmutting - im Interesse des Allgemeinwohls - passiver Lärmschutz und eine Begrenzung der Übungsflüge auf zwölf im Jahr zugesagt, wobei Sonn- und Feiertage ausgeschlossen sind. Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) kündigte am Donnerstag erneut Widerspruch an. Er plädiert für den Klageweg. "Jetzt sollten wir den Prozess auch zu Ende bringen."

Die Entscheidung kam für die meisten Betroffenen am Donnerstag nicht überraschend. Schon beim letzten Anhörungsverfahren zeichnete sich die Tendenz ab. Bürgermeister Kuchlbauer kündigte an, für den 31. Juli eine Sondersitzung einzuberufen, um mit dem Gemeinderat das weitere Vorgehen abzustimmen. Bei der Sitzung werde auch der Anwalt der Gemeinde, Michael Hofmann, anwesend sein. Ein paar Schallschutzfenster und beschränkte Übungsflüge reichten nicht, kritisiert der Bürgermeister. Das sei viel weniger als 2015. Damals war angeboten worden, den Ort bis zur B 471 komplett mit Lärmschutzfenstern auszustatten.

Dem Vorschlag hatte im Oberschleißheimer Gemeinderat jedoch allein Kuchlbauer zugestimmt. Den Tenor der Kritik, wonach alle Negativeinrichtungen in den Münchner Norden kämen, greift auch Oberschleißheims Bürgermeister auf. Besonders da die meisten Einsätze im Süden stattfänden, könne er die Entscheidung nicht nachvollziehen. "Was macht es für einen Sinn, die Hubschrauber dann in den Norden zu verlegen?"

3500 zusätzliche Flüge im Jahr

Die Oberschleißheimer haben sich lange gegen die Ansiedlung der Hubschrauberstaffel gewehrt. Diese wird 3500 Flüge im Jahr mit sich bringen - zusätzlich zu den 2500, die schon auf das Konto der Bundespolizei gehen. Immerhin hatte die Gemeinde vor Gericht durchgesetzt, dass überhaupt ein Planfeststellungsverfahren stattfinden musste. Im dem erreichte der Anwalt der Gemeinde, dass Teile des Lärmgutachtens noch einmal neu berechnet wurden. Trotzdem kommt das Luftamt Südbayern jetzt zu dem Ergebnis: "Dieses Gutachten ergab keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für große Siedlungsbereiche, zumal im Bereich des An- und Abflugs Wohngebiete nur unregelmäßig überflogen werden."

Oberschleißheim und zuletzt auch die Stadt München waren in der Anhörung anderer Meinung. Sie verwiesen auf die vielfältigen Lärmquellen: die überörtlichen Straßen, von denen Oberschleißheim eingekreist sei, die Bahn, die mitten durch den Ort fahre, und die Hubschrauber der Bundespolizei, die viele Menschen nachts aufweckten. Die Bürger mussten sich jedoch belehren lassen, dass eine gemeinsame Berechnung aller Lärmquellen im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Gabriele Kämpf, die von Tür zu Tür gezogen ist, um gegen die Ansiedlung Unterschriften zu sammeln, reagierte am Donnerstag auf die Entscheidung der Regierung "total entsetzt". "Wir sind verbittert", sagt sie und berichtet, auf ihre Briefe an Ministerpräsident Markus Söder habe sie bislang keine Antwort bekommen. Dabei würde sie Söder gerne zu einer Diskussion einladen, um mit ihm über das Thema Hubschrauber und das "Stiefkind Münchner Norden" zu reden. "Es ist eine Katastrophe für die Zukunft. Wir werden hier immer weiter belastet", schimpft sie. Karl Schwärzell, der ebenfalls Unterschriften gesammelt hat, hatte mit dieser Entscheidung gerechnet.

"Wenn die Großen das wollen, kannst du nichts dagegen machen", lautet sein Fazit. Er bedauert, dass sich viele Bürger vor der Entscheidung nicht mehr engagiert hätten. Eine Beobachtung, die er mit Ingrid Lindbüchl teilt, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Gemeinderat. Sie sieht viele Bürger in einem Gewissenskonflikt. Der halbherzige Widerstand ist ihrer Meinung nach "der Tatsache geschuldet, dass man nicht nur gegen eine lärmende Einrichtung klagt, sondern auch gegen eine helfende".

Sie beklagt den Umgang der Behörden mit Gemeinde und Bürgern. Die Verantwortlichen seien sehr spitzfindig. Die Einspruchsfrist von 20. August bis 3. September liege wieder voll in den Sommerferien.

"In Oberschleißheim will niemand die Hubschrauber", sagt SPD-Fraktionssprecher Florian Spirkl. Er unterstützt den Weg, den Kuchlbauer vorgeschlagen hat. "Solange wir es verhindern können, werden wir es versuchen." Unterstützung haben die Oberschleißheimer dieses Mal auch von München. Ähnlich wie die Oberschleißheimer argumentiert Reinhard Sachsinger von der Aktionsgemeinschaft "Rettet den Münchner Norden", der spürbar mehr Lärm im Hasenbergl und in Feldmoching erwartet.

Er kritisiert schon seit längerem das aus seiner Sicht intransparente Verfahren der Standortwahl. Die nun genehmigte Stationierung sei "natürlich eine Katastrophe", sagt Sachsinger. "Wir wollten wissen, wie die Entscheidung zustande gekommen ist und ob das der einzige Standort ohne Alternative ist, aber darauf hat uns niemand geantwortet." Auf seine Anfragen habe nur ein CSU-Politiker geantwortet. "Mit dem Münchner Norden kann man es ja machen" - so seine Reaktion auf die ausgebliebenen Reaktionen. Für Gabriele Kämpf stellt sich deswegen die Frage: "Warum vergisst uns die Politik?"

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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