Planegg:Denkmalamt pocht auf Erhalt der alten Schlosswirtschaft

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Wegen angeblich akuter Einsturzgefahr seit voriger Woche gesperrt: die Pasinger Straße vor der alten Schlosswirtschaft in Planegg. (Foto: Robert Haas)

Nach Einschätzung der Experten ist das jahrhundertealte Gebäude trotz des Zusammenbruchs an der Rückfassade nicht einsturzgefährdet. Eigentümer und Gemeinde dringen dagegen weiter auf einen Abriss.

Von Rainer Rutz, Planegg

Der Streit um die unter Denkmalschutz stehende alte Schlosswirtschaft an der Pasinger Straße 4 in Planegg geht in die nächste Runde - und bringt sowohl die Gemeinde als auch die Eigentümerfamilie um Philipp von Hirsch in Erklärungsnöte. Nachdem das Landratsamt München auf Drängen der Gemeinde vorige Woche die Durchfahrt zur Amtmannstraße gesperrt hatte, weil angeblich "akute Einsturzgefahr" besteht, kommt die Fachbehörde zu einer völlig anderen Einschätzung. Das Landesamt für Denkmalpflege hält das historische Gebäude keineswegs für einsturzgefährdet, sondern weiterhin für restaurierbar.

Die Behörde beruft sich auf ein statisches Gutachten, das unmittelbar nach dem Teileinsturz angefertigt worden sei. "Daraus geht hervor", teilt die Behörde auf Anfrage der SZ mit, "dass nur diejenigen Bauteile einsturzgefährdet sind - im Wesentlichen die Wandbereiche eines Anbaus - die laut einem Vorbescheid aus 2014 ohnehin hätten beseitigt werden können." Diese Teile sollen nach Ansicht der Denkmalschützer "planmäßig von außen" durch eine Fachfirma abgebrochen werden. Das betroffene Wandstück des Hauptgebäudes könne dagegen vorerst gesichert und bei einer Instandsetzung erneuert werden. "Die jetzt eingetretenen Schäden wirken sich nicht auf die Denkmaleigenschaft aus, weshalb es keinen Anlass gibt, die Schlosswirtschaft aus der Denkmalliste zu streichen", gibt sich das Landesamt unnachgiebig.

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Die Behörde wirft den Schlossbesitzern zudem indirekt vor, während der vielfältigen Versuche einer Einigung seit den Neunzigerjahren nicht auf ein Angebot des Freistaats reagiert zu haben, wonach dieser die Instandsetzung mit einem hohen Geldbetrag gefördert hätte. "2022 wurden der Behörde die Ergebnisse eines neuerlichen Gutachtens vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die Schlosswirtschaft unter Wahrung der Denkmaleigenschaft instandsetzungsfähig ist", heißt es aus dem Landesamt. Und weiter: "Es wurde ein förderfähiger denkmalpflegerischer Mehraufwand festgestellt, der mehr als doppelt so hoch ist wie der von den Eigentümern 2015 beantragte Betrag."

Dagegen legt Philipp von Hirsch auf drei Seiten dar, was von seiner Familie, seinen Anwälten und ihm selbst in den vergangenen 45 Jahren alles getan worden sei, um zu einem einvernehmlichen Ergebnis zu kommen - das freilich nach seiner Einschätzung nur so aussehen kann, dass die Schlosswirtschaft wegen Baufälligkeit abgerissen werden darf. Eigentümer und Gemeinde wollen stattdessen an dieser Stelle Wohnungen bauen. Dutzende von Gutachten sind von beiden Seiten seither erstellt worden, die zu konträren Ergebnissen kommen: Das Haus, das aus dem frühen 15. Jahrhundert stammt, sei nicht mehr sanierbar, sagen die von den Eigentümern bestellten Gutachter und verweisen auf die Kosten einer Restaurierung in Millionenhöhe. Das Haus sei Teil eines überaus wertvollen historischen Ensembles mit hoher Bedeutung für die Umgebung und die Gemeinde, es müsse unbedingt erhalten bleiben, urteilen die staatlichen Denkmalschützer.

Ein Teil der Rückfassade ist eingestürzt. (Foto: Rainer Rutz)

Nachdem in der vergangenen Woche eine rückwärtige Wand teilweise eingestürzt war und Bürgermeister Nafziger aus Sicherheitsgründe eine Sperrung der stark frequentierten Straße Richtung Starnberg anordnen ließ, stellten die Rechtsvertreter der Familie Hirsch und auch die Gemeinde Planegg ein weiteres Mal einen Antrag auf Abbruch - unter anderem weil nun Menschenleben gefährdet seien. Beigelegt wurde ein neues Gutachten, das von einer "erheblichen Gefahr" spricht: "Es kann zu einem Reihenversagen kommen und damit können große Teile des Gesamtkomplexes einstürzen", heißt es darin.

Bürgermeister Nafziger weigert sich, die Straßensperrung wieder aufzuheben

Auf einer Pressekonferenz im Rathaus zeigte sich Bürgermeister Nafziger am Mittwoch nicht nur überrascht von der aktuellen Auskunft aus dem Denkmalamt, sondern ausgesprochen sauer. Die Regierung von Oberbayern habe 20 Jahre lang vorgehabt, das Haus abreißen zu lassen, sagte Nafziger. Eine Rolle habe dabei die Staatsstraße gespielt, die ausgebaut werden sollte. "Aber eine Kommunikation zwischen den Behörden findet wohl nicht statt", sagte der Bürgermeister. "Da spielt einer den anderen aus." An den Bedürfnissen der Gemeinde, die etwas für die Bevölkerung tun wolle, werde einfach vorbei gehandelt.

Nafziger hält an seiner Einschätzung einer "Gefährdungslage" fest und sieht sich "in der Zwickmühle". Trotz des Widerspruchs aus der Denkmalbehörde denke er aber nicht daran, einer Wiedereröffnung der Staatsstraße zuzustimmen. Zur Lösung des Konflikts fordert Nafziger die Einsetzung eines weiteren "neutralen" Gutachterbüros. "Wir müssen Lösungen finden."

Das finden auch Kreisheimatpfleger Rolf Katzendobler und die Sprecherin des Landesamts für Denkmalpflege, Lea Kramer. "Wahnsinnig schade und sehr schlimm", fände Heimatpfleger Katzendobler, "ein Gebäude aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts abzureißen". Er verweist auf Gutachten, die dem alten Haus noch eine Chance geben: "Aber vor Jahrzehnten sah das natürlich alles noch besser aus." Die Sprecherin des Landesamts vertraut den Gutachtern, "die das Haus noch als erhaltenswert einschätzen".

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