Einrichtungsbezogene Impfpflicht:"Die Meldungen müssen wir wohl erstmal trotzdem machen"

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Für das Personal von Heimen und Krankenhäusern gilt von Mitte März an eine Impfpflicht, die Bayern aber erst einmal nicht umsetzen will. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Die Einführung der Impfpflicht für Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflegeheime bedeutet für die betroffenen Häuser und das Gesundheitsamt einen großen Aufwand. Daran ändert auch die Ankündigung von Ministerpräsident Söder nichts, dass sie in Bayern ausgesetzt wird.

Von Lukas Koperek und Martin Mühlfenzl, München/Gräfelfing

Nun kommt sie erst einmal doch nicht, die einrichtungsbezogene Impfpflicht. War der ganze Aufwand umsonst? "Wir sind seit Dezember damit beschäftigt, den Impfstatus der Mitarbeiter abzufragen", sagt Claas Hohmann, Direktor der Wolfartklinik in Gräfelfing. "Bei 400 Köpfen im Haus ist das schon ein Vollzeitjob." Bundesweit müssen Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten und sogar die Hausmeister von Krankenhäusern ihren Arbeitgebern bis zum 16. März eine vollständige Impfserie nachweisen. Doch am Montag zog der bayerische Ministerpräsident Markus Söder den Stecker: Der Vollzug der Impfpflicht soll im Freistaat ausgesetzt werden. Für die Bekämpfung der Omikron-Welle, so Söder, sei die einrichtungsbezogene Impfpflicht "kein wirksames Mittel mehr".

"Da hat unsere Zukunfts- und Fortschrittsregierung ein Gesetz gemacht, ohne zu wissen, wie das umgesetzt werden soll", sagt Claas Hohmann. "Wenn die Impfpflicht nichts mehr nutzt, aber ganz sicher in nächster Zeit Fachkräfte aus dem Betrieb rausbringt, kann man sich schon mal fragen, wie sinnvoll das noch ist." Immerhin befürchten nicht wenige, darunter die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Pflegerat, eine Verschärfung der Lage, da durch den Wegfall von ungeimpften Pflegekräften Personalengpässe entstehen könnten. Hohmann, der nicht nur Orthopäde, sondern auch Experte für Krankenhaushygiene ist, sieht das Problem jedoch auch noch an anderer Stelle. "Wir führen Listen, wer geimpft ist und wer nicht, und melden sie ans Gesundheitsamt", so der 58-Jährige. "Aber wie soll das Gesundheitsamt das alles auf einmal stemmen?"

Diese Frage hat sich anscheinend auch Söder gestellt. Für die Gesundheitsämter dürfte das Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zwar eine Entlastung bedeuten - der Aufwand für die Einrichtungen selbst bleibt zunächst aber bestehen. "Meinem Verständnis nach ist für das Land Bayern nur das Aussetzen der Ausführung möglich", sagt Hohmann. "Die Meldungen müssen wir wohl erstmal trotzdem machen. Da fasst man sich natürlich an den Kopf."

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Auch das Münchner Landratsamt bereitet sich trotz der vorläufigen Aussetzung in Bayern auf die vom Bund beschlossene Maßnahme vor. "Wir müssen personell aufrüsten, für den Fall, dass die partielle Impfpflicht doch kommt", sagt Landrat Christoph Göbel (CSU). So müssten dann etwa Ungeimpfte Atteste vorlegen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Für diese Fälle, so Landrat Göbel, müsse personell im Gesundheitsamt "nachgelegt" werden; es brauche medizinisch geschultes Personal, um die Nachweise prüfen zu können. Mit welchen Folgen etwa Menschen zu rechnen haben, die sich schlichtweg weigern, sich impfen zu lassen, sei noch nicht geklärt. "Wir wissen ja noch nicht, wie ein möglicher eskalierender Katalog von Sanktionen aussehen wird, zum Beispiel mit Bußgeldern oder Betretungsverboten, erläutert Göbel. Klar sei aber, dass zusätzliches juristisch geschultes Personal im Gesundheitsamt benötigt werde. So rechnet Göbel damit, dass viele Fälle in Form von Anfechtungsklagen vor Gericht landen werden. Es wird also nicht ausreichen, wie bei der Erhebung der Corona-Fallzahlen auf die Mithilfe etwa der Bundeswehr zu setzen.

"Das ständige Hin und Her bei den Regelungen ist schwierig und demotivierend."

Doris Schneider, Geschäftsführerin der Caritas-Altenheime in München und dem restlichen Oberbayern, kritisiert die Kurswechsel der Landesregierung: "Das ständige Hin und Her bei den Regelungen ist schwierig und demotivierend." Ob der Impfstatus der Mitarbeiter weiterhin geprüft werden muss, kann auch sie nicht sagen. Außer der Meinungsäußerung des Ministerpräsidenten, so Schneider, sei noch nichts zum weiteren Vorgehen bekannt. "Es ist zu befürchten, dass es wiederum keine schnellen Antworten geben wird und damit die Unsicherheit weiter steigt."

Der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hätte von Seiten der Caritas nichts im Wege gestanden. "Die Vorbereitungen für die Meldungen sind gemacht, das heißt, am 16. März könnte ganz konkret gemeldet werden, welche Mitarbeitenden nicht geimpft sind", sagt Schneider. Inwieweit das Gesundheitsamt in der Lage gewesen wäre, die Impfpflicht durchzusetzen, könne sie nicht bewerten. "Es ist bisher nicht absehbar gewesen, wie schnell die Gesundheitsämter auf die Meldungen reagieren können."

Dies habe wiederum zu großer Unsicherheit in den Heimen geführt, besonders in Bezug auf das Aufstellen der Dienstpläne, obwohl 95 Prozent der Caritas-Mitarbeiter laut Schneider geimpft sind. Offen bleibe zudem die Frage nach dem Einsatz von von externen Dienstleistern in den Einrichtungen, etwa Handwerkern. Ob sie von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen wären oder nicht, ist bislang nicht geklärt. Landkreisweit, so die Aussage aus dem Landratsamt, waren Ende Januar etwa 90 Prozent aller Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen mindestens grundimmunisiert oder geboostert.

Anstelle einer partiellen würde sich Schneider eine allgemeine Impfpflicht wünschen. Die Bekämpfung des Coronavirus sei "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht das Problem einzelner Einrichtungen", sagt sie. Auch könnte die partielle Impfpflicht den Personalmangel im Gesundheitswesen vergrößern. "Wir leben seit Jahren mit dem Fachkräftemangel, ohne dass die Politik bislang ernsthaft etwas zur Verbesserung der Situation beigetragen hätte. Von daher ist auch hier die Politik am Zug."

Es bleiben also viele Fragen ungeklärt. "Das ist alles ein bisschen unausgegoren", resümiert Claas Hohmann. "Man könnte natürlich auch mal nachdenken, bevor man ein Gesetz auf den Weg bringt. Aber vorher nachdenken - das ist nicht die Zukunft in Deutschland."

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