Kultursaison:Das Publikum ist noch zögerlich

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Kommt erneut in Ottobrunn zur Aufführung: "Der große Fall der Lady Macbeth und Macbeth" mit Patrick Gabriel, Marc-Andre Bartelt und Caroline Betz (von links). (Foto: Claus Schunk)

In Ottobrunn kommt das Kulturprogramm nur langsam in Schwung. Beim Abo-Verkauf, der bis Ende Juli läuft, sieht die Entwicklung dagegen besser aus. Heuer gibt es zudem erstmals eine Open-Air-Woche im Rosengarten.

Von Udo Watter, Ottobrunn

Hat die Kultur als Live-Ereignis an Attraktivität verloren? Die Feuilletons und Klassik-Radiosender haben sich in den vergangenen Wochen viele Gedanken gemacht, warum das Publikum in Teilen nur sehr zögerlich in die Theater und Konzertsäle zurückkehrt - wo doch schon länger die pandemiebedingten Einschränkungen aufgehoben sind. Mentale Entwöhnung während der Pandemie? Zu viele Veranstaltungen aufgrund zahlreicher Nachholtermine? Ansteckungsangst? Bequemlichkeit? Finanzielle Gründe? Andere Prioritäten?

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In Ottobrunn am Wolf-Ferrari-Haus sieht man die Entwicklung derzeit mit gemischten Gefühlen. "Es geht jetzt wieder richtig los, aber die Leute fehlen noch", sagt Horst Frank, der Leiter des Hauses. Das Klavierfestival "Jazzpiano-Marathon" in der Reihe "Ottobrunner Konzerte" am 8. und 9. Juli wird trotz hochkarätiger Protagonisten wie Bojan Z., William Lecomte, David Gazarov und Simon Nabatov bisher nur suboptimal angenommen. "Vor allem die Veranstaltungen drinnen laufen nicht so gut", sagt Horst Frank. Er hofft auf Besserung und setzt zudem auf Outdoor-Optionen: Anfang August wird es rund ums Ottobrunner Kultursommerfest an mehreren Tagen noch Musik und Kabarett unter freiem Himmel im Rosengarten geben.

Deutlich zufriedenstellender schaut die Situation in Ottobrunn beim Abonnement aus. Auch da gilt es ja, das Publikum zurückzugewinnen respektive zu halten, jetzt da die Nutzung entsprechender Angebote nach zweijähriger Pause wieder möglich ist. Bernd Seidel, künstlerischer Berater des Wolf-Ferrari-Hauses und Spielplangestalter, ist mit der bisherigen Resonanz zufrieden - hofft aber noch auf Steigerung. "Die Kunst in meinem Job ist es, möglichst viele Zielgruppen und Menschen mit den Programmen zu erreichen", erklärt er. Anders gesagt: Die Mischung macht's. Große Shows wie "Pasión de Buena Vista" oder Musicals wie "Blues Brothers" und "Aladin" sind in der kommenden Herbst/Winter-Saison in Ottobrunn zu Gast, es gastieren Kabarettgrößen wie Max Uthoff und Michael Altinger, es wird Oper (Smetanas "Die verkaufte Braut") geboten und Ballett (Tanzforum München zeigt die "Johannespassion").

Und natürlich Theater, darunter die erneute und aktualisierte Inszenierung von "Der große Fall der Lady Macbeth und Macbeth", für die Seidel selbst als Regisseur verantwortlich zeichnet. "Es war ein Riesenerfolg", sagt Seidel über die Erstaufführung von 2019, deshalb wolle man sie wieder anbieten und "in der Neuinszenierung wollen wir noch frecher und mutiger sein." In dem auf Shakespeares Drama beruhenden Schauspiel geht es nicht nur um Mord, Moral und Machtspiele, sondern besonders auch um die leidenschaftliche Liebe zwischen den beiden Hauptfiguren. Diesmal läuft es in der Abo-Reihe "Gemischte Unterhaltung", zudem gibt es noch "Klassik" und "Kabarett" (jeweils vier Vorstellungen). Weitere Informationen unter https://wfh-ottobrunn.de/programm/ oder Telefon: 089/608 08 300. Der Abo-Verkauf läuft offiziell bis zum 31. Juli.

Die kommende Spielzeit bietet wieder Vielfalt und Qualität

Seidel, der als Regisseur immer wieder provokante und unkonventionelle Inszenierungen wagt, ist als Programmgestalter quasi nicht ganz so wild und um unterhaltsame Ausgewogenheit bemüht: "Natürlich sind da auch Veranstaltungen dabei, die ich selber nicht immer unbedingt besuchen würde", konstatiert er. "Aber es kann ja nicht alles nur verrückt und kritisch sein, sonst wäre Kultur irgendwie auch nur noch elitär und einseitig." Der 68-Jährige, der als bekennender "Alt-68er" der Kultur im Grunde eine politische und gesellschaftliche Dimension beimisst, weiß um die Ambivalenz ihrer Bedeutung sowie um die Diskrepanz zwischen ideellem Anspruch und Wirklichkeit. "Der aktuelle Kulturbegriff: Das ist ein schwieriges Thema. Welche politische Wertigkeit hat Theater überhaupt noch?" Kann man die Gesellschaft mittels Kunst und Kultur gerechter machen? Im Moment wohl eher nicht, zumal gerade andere, von Pandemie und Krieg verursachte Probleme im Vordergrund ständen. Gleichwohl ist Seidel, der seinen Vertrag mit dem Wolf-Ferrari-Haus noch mal um drei Jahre verlängert hat, selbstbewusst genug, dem Programm in Ottobrunn "eine enorme Vielfältigkeit von künstlerischen Auseinandersetzungen" zu attestieren.

Das Sextett Las Karamba gastiert beim "Ottobrunner Sommer". (Foto: Antonio Povedano)

Vielfältig und hochkarätig ist jetzt auch das Angebot in den kommenden Wochen und Monaten: Neben dem "Jazzpiano-Marathon" wird es am 30. Juli das traditionelle Ottobrunner "Kultur-Sommerfest" im Rosengarten des Wolf-Ferrari-Hauses geben und im Anschluss daran erstmals die besagte Open-Air-Woche. Horst Franks Überlegung war, die große Außenbühne, die man für den (kostenfreien) Kultursommer ohnehin aufbaut, einfach mal längerfristig zu nutzen und sie für weitere Tage zu mieten.

So kommen Anfang August, wo andere schon Bürgerhäuser schon Sommerpause machen, einige bekannte und spannende Künstler nach Ottobrunn: unter anderem Kabarettist Wolfgang Krebs, Sänger und Kabarettist Roland Hefter mit Isarrider und "I Dolci Signori", die das Publikum mit einer "Italo Pop Night" bezaubern wollen sowie der kubanische Grammy-Preisträger El Nene und die Gruppe Las Karamba, die Son, Cha-Cha-Cha, Salsa und Timba mit Einflüssen aus Rap und urbaner Musik kombinieren. "Das wird ein musikalisches Feuerwerk", glaubt Frank. "Generell möchten wir im besonderen Ambiente des Rosengartens eine sommerliche und heitere Atmosphäre schaffen."

Dass der "Ottobrunner Sommer" in der ersten Ferienwoche stattfindet, könnte - wenn das Wetter passt - vielleicht sogar ein Vorteil sein beim erhofften Zuschauerzuspruch: "Zum einen fahren die Leute ja nicht alle gleich in der ersten Woche weg. Zum anderen gibt es aber zu der Zeit insgesamt schon deutlich weniger Veranstaltungen", so Frank. In gewisser Weise wäre dann weniger Kultur mehr.

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