Oktoberfest:Diese Musiker kombinieren Blasmusik mit türkischen Klängen

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Xaver Maria Himpsl (l.) und sein Vater Franz Josef Himpsl beim virtuosen Grenzüberschreiten. Für die Unterbiberger ist die bayerische Tradition die Basis für musikalische Expeditionen in andere Kulturen. (Foto: Claus Schunk)

Auf dem Oktoberfest spielt die Unterbiberger Hofmusik ihr Programm "Bavaturka" - und erntet dafür manchmal Pöbeleien am Bühnenrand. Dabei hat das Orientalische dort eigentlich Tradition.

Interview von Udo Watter

Für die Unterbiberger Hofmusik, die 2010 mit dem SZ-Tassilo-Preis ausgezeichnet wurde, gehören musikalische Grenzüberschreitungen und kulturelle Neugier zum Selbstverständnis. Seit 2013 spielt das Ensemble aus Neubiberg sein Programm "Bavaturka" im Herzkasperlzelt auf der Oiden Wiesn.

Auch heuer wird die Gruppe, die im Kern aus der Familie Himpsl besteht, dort wieder bayerisch-türkische Klänge präsentieren (25. September) - eine musikalische Kombination, die allerdings bei der letzten Oiden Wiesn 2015 nicht bei allen ankam. Die SZ sprach darüber mit Trompeter Xaver Maria Himpsl, 31.

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Von Birgit Lotze

SZ: Warum s ind ausgerechnet Sie mit Ihrem Programm eventuell die traditionsreichste aller Wiesnkapellen?

Xaver Himpsl: Das ist eine Geschichte, die uns selber überrascht hat, aber die Chroniken überliefern, dass bei der Hochzeit zwischen Ludwig I. und Prinzessin Therese, also dem allerersten Oktoberfest 1810, die bayerische Militärkapelle ausschließlich türkische Musik spielte - oder was man dafür hielt. Das kann man etwa in dem Buch "München und der Orient" von Stefan Jakob Wimmer nachlesen.

Türkische Musikelemente waren damals ja in Mode.

Genau, Mozart hatte zum Beispiel sein berühmtes Rondo "Alla turca" ein paar Jahrzehnte vorher geschrieben. Und die türkische Militärmusik mit Becken, Trommeln und anderen Schlaginstrumenten war populär. Das Tschingderassabum kam auch in Bayern gut an. Zudem war das allererste Wiesn-Zelt ein türkisches Beutekunstzelt aus der Sammlung des Kurfürsten Max Emanuel - gekrönt von zwei eigens angefertigten türkischen Halbmonden.

Bei Ihrem Konzert auf der Oiden Wiesn vor zwei Jahren kamen die türkischen Facetten des Konzertprogramms aber bei manchem Besucher nicht so gut an.

Das Publikum im Herzkasperlzelt ist im Allgemeinen ganz offen und hat uns auch immer gefeiert. Aber einigen Besuchern scheint dieses Programm "Bavaturka" nicht traditionell genug zu sein. Und 2015, quasi mit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, hat es erstmals offen negative Reaktionen vereinzelter Besucher gegeben - Pöbeleien am Bühnenrand, böse E-Mails an den Wirt des Herzkasperlzelts und Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Nach der Art: 'Basarmusik auf der Wiesn? So was brauchen wir hier nicht!'".

Befürchten Sie, dass es heuer wieder zu negativen Reaktionen kommen könnte?

Eigentlich nicht. Zumindest nicht im Zelt. Aber dass wieder böse Mails kommen, könnte schon sein. Die Situation ist aber anders als vor zwei Jahren: Damals haben sich wegen der Flüchtlingskrise manche erstmals getraut, ihre Ressentiments offen auszusprechen. Jetzt ist das Problem, dass viele wegen Erdoğan sagen: Mit den Türken wollen wir nichts zu tun haben.

Könn en Sie mit Ihren Auftritten Ressentiment entschärfen oder Brücken bauen?

Das Beste wäre, wenn die Leute merken, dass es einen Unterschied zwischen der türkischen Kultur und der türkischen Politik gibt. Musik hat den Riesenvorteil, dass sie ungefiltert Emotionen transportiert. Wenn einem Melodien aus anderen Kulturkreisen gefallen, dann wird man vielleicht auch neugieriger auf diese Kultur.

Die Unterbiberger haben immer wieder Konzerte in der Türkei gegeben. Ihr Vater Franz-Josef Himpsl spricht (und singt) inzwischen ganz passabel Türkisch. Wie bewerten Sie die Situation im Land und werden Sie dort wieder auf Tournee gehen?

Das Land ist auf dem Weg in die Diktatur, da brauchen wir nicht drum herum reden. Für uns ist es momentan keine Option, in die Türkei zu fahren. Dieses Jahr ist schon ein Auftritt dort ausgefallen, und wir werden auch in absehbarer Zeit dort nicht spielen. Wir haben in Deutschland schon vor Akademikern gespielt, die mit der Gülen-Bewegung zu tun haben - die ja für den Putsch verantwortlich gemacht wird. Allein das macht es für uns schon gefährlich, die Türkei Erdoğans zu besuchen.

Wenn man sich Ihren Tourneeplan für den Herbst anschaut, komm en Sie trotzdem viel herum.

Wir haben Anfang Oktober zwei eher offizielle Auftritte in Tunis und in der deutschen Botschaft in Teheran. Ende Oktober geht es dann für zwei Wochen nach Ägypten, wo wir auch letztes Jahr schon waren.

Ihr aktuelles Programm heißt "Dahoam und retour"- ein "musikalischer Ritt um den Globus" .

Uns ist es schon ein Anliegen, die bayerische Kultur nach außen zu tragen, aber wir wollen gleichzeitig andere musikalische Einflüsse aufnehmen, ob türkische, armenische, ägyptische, indische oder brasilianische. Und diese Einflüsse unorthodox und respektvoll mit unserer heimischen Musik verschmelzen.

Begonnen hat die Lust an musikalischer Grenzüberschreitung vor 25 Jahren.

Insofern feiern wir heuer Jubiläum. 1992 hat mein Vater den brasilianischen Jazz-Trompeter Claudio Roditi getroffen, daraus hat sich eine besondere Zusammenarbeit ergeben. Seither haben wir unsere Musik nicht nur mit Jazz, sondern mit Einflüssen aus aller Herren Länder kombiniert.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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