Oberhaching:Erleuchtung bis zum Eichstrich

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Zu einer Hymne auf das Bier und seine Geschichte heben Gerald Huber und Maria Reiter in ihrem Programm an. (Foto: Claus Schunk)

Im Oberbiberger Kandlerwirt tischt Gerald Huber Humoriges und Wissenswertes über die Geschichte des Biers auf.

Von Michael Morosow, Oberhaching

Es ist ohne Zweifel sehr hilfreich für Zuhörer eines Vortrages, wenn ihnen die Essenz der Thematik schon vorab kredenzt wird. So standen am Freitagabend im Kandlerwirt in Oberbiberg Dutzende Halblitergläser auf den Tischen, bis zum Eichstrich mit jenem Stoff gefüllt, dessen sich oben auf dem Podium der Journalist und Autor Gerald Huber sowie die Akkordeonistin Maria Reiter in ebenso skurriler wie heiterer Weise zwölf Kapiteln lang annahmen.

Flüssiges Anschauungsmaterial für jahrhundertealte Kulturgeschichte

"Helles Lujah - eine unterhaltsame Menschheits-Biergeschichte" lautete das Thema. Während sich Huber auf seinem historischen Streifzug vom ersten Bierrausch in Mesopotamien vor 7500 Jahren bis zu den schlecht gefüllten Maßkrügen auf dem Oktoberfest begab, konnten Interessierte weiteres flüssiges Anschauungsmaterial ordern. Einen halben Liter Kulturgut für drei Euro.

Nun gut, militante Abstinenzler saßen zu ihrem eigenen Glück nicht im Publikum, für sie wären schon alleine einige Titel der zwölf Kapiteln Anlass zur Schnappatmung gewesen: "Mit dem Bier beginnt die Kultur" oder "Feste feiern ohne Saufgelage - dann ist das Leben sinnlos" etwa. Oder wenn Huber zwischen den Kapiteln zu Liedern anhebt und "bringst uns a Massal, bringts uns an Eimer" singt. Und dann auch noch forsch behauptet: "Das Paradies ist nichts anderes als ein Biergarten."

Ob dieser doch recht eigenwilligen biblischen Exegese würde aber wohl selbst der Ortspfarrer nicht von der Kanzel kippen, denn bei allen gewagten Thesen, die an diesem Abend aufgetischt wurden, einen Angriff auf das christliche Abendland und eine Verherrlichung des Bierrausches haben Gerald Huber und Maria Reiter nicht ernsthaft im Sinne. Aber wenn sie schon, zumal im 500. Jahr des Reinheitsgebotes, der ewig gärenden Frage nach dem Ursprung des Bieres und des Rausches auf den Grund gehen wollen, dann doch besser mit kräftiger humoriger Stammwürze, als bierernst über Brauvorgänge oder die gesellschaftlichen Folgen des Alkoholismus zu räsonieren. Eine Halbe Humor, eine Halbe seriösen Wissens, daraus wurde am Freitag im Kandlerwirt eine schmackhafte Maß gemischt.

Der erste Rausch im Zwischenstromland verdankt sich vergorenem Brot

Der gebürtige Landshuter Gerald Huber, Träger der Tassilo-Medaille des Fördervereins Bayerische Sprache und Dialekte, sowie die Akkordeonistin Maria Reiter aus Bad Tölz, unter anderem bekannt durch ihre Auftritte mit Konstantin Wecker, preschen im rauschenden Galopp durch die zwölf Kapitel der "Menschheits-Biergeschichte", quasi von "Adam bis Zapfhahn" wie es in der Programmvorschau heißt. "Ja so a Räuscherl, des is ma liab", singt Huber mit kratzender Stimme, so als wäre er eben erst einem Saufgelage entrissen und auf die Bühne gezerrt worden. Maria Reiters Part ist dabei nicht etwa nur die instrumentale Begleitung, die Tölzerin zeigt in den kurzen Pausen zwischen den Kapiteln ihr Können auf dem Akkordeon, dem sie neben Schunkelmelodien auch Getragenes und Popiges entlockt.

Die Zuhörer lassen sich gerne mitnehmen auf die Reise durch die Biergeschichte, die in der Gegend zwischen Euphrat und Tigris beginnt. Dort, im Zwischenstromland, war vor 7500 Jahren die Geburtsstunde des ersten Rausches, des ersten Katers, mithin des ersten Bieres - gegoren aus Brot, aber durchaus von einer Wirkung, die einen leichtsinnigen Sumerer aus den Sandalen kippen ließ. Dass dabei die Hefe das Zauberwerk war, das Brot in Rausch verwandeln konnte, wussten die vorchristlichen Trunkenbolde dabei nicht.

Betrügerisches Einschenken lehnten schon die Sumerer ab

Dass man in Bayern zur Hefe Germ sagt und das lateinische Cervisia die gleiche Wortwurzel hat, erfuhr man im Kandlerwirt zudem. Huber, der seit seiner BR-Sendereihe "kleine bairische Wortkunde" als Dialekt-Experte gilt, gab mehrmals Nachhilfe in Etymologie, und wer bis dato im Saal nicht wusste, warum über reiche Leute hierzulande immer noch gesagt wird: "Der hot a Gerstl", weiß es nun. Wer früher Gerste anbaute und daraus Bier machen konnte, war reich, hatte ein Gerstl. Ach ja, und auch die Sumerer sollen bereits die ersten Kellnerinnen dumm angemacht haben, wenn das Trinkgefäß nicht voll gefüllt war. Lange also vor der Gründung des Vereins gegen betrügerisches Einschenken anno 1899. "Des Einschenken lernt man net, des is angeboren", behauptet Huber.

"Alles, bloß koa Wasser net, na na des sauf i net - I woaß net mei Mog'n, kon's net vertrog'n", singt er noch, nachdem er einen Schluck aus einem Steinkrug genommen hat. Ob der mit Bier oder mit sinnlosem Getränk gefüllt war, weiß nur der Wirt. Die Schaumkrone setzt Huber, ehe der Abend zur Neige geht: "Rauschig und bsuffa sind zweierlei."

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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