Nudisten am Feringasee:Aufstand der Nackten

Lesezeit: 3 min

Außerhalb des FKK-Bereichs ist Nackbaden nicht erlaubt. (Foto: Claus Schunk)

Nudisten haben es am Feringasee bei München schwer, seit dort ein Sicherheitsdienst patrouilliert. Mit Trillerpfeifen warnen sich die FKK-Aktivisten gegenseitig vor Kontrollen.

Von Christina Hertel, Unterföhring

Die Trillerpfeife gehört für Eduard Fahmüller seit kurzem zur festen Badeausrüstung. Ohne sie legt sich der Baldhamer nicht mehr an den Feringasee bei Unterföhring. Das hat seinen Grund: Mit der Pfeife warnt er Freunde und Bekannte, die bei Sonnenschein ebenfalls am Ufer liegen, wenn sich aus der Ferne zwei Männer in orangefarbenen Warnwesten nähern - Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts, die den Feringasee kontrollieren und die mit Eduard Fahmüller und seinen Bekannten ein Problem haben. Denn die Männer und Frauen liegen nackt auf der Wiese.

Am Unterföhringer See gibt es auf der Halbinsel einen offiziellen FKK-Bereich. Aber auch in der Nähe der Surfschule am Nordostufer halten sich Nacktbadende auf. Das sei schon immer so gewesen, sagt Fahmüller, 55. Der Baldhamer ist seit mehr als 30 Jahren Badegast am Feringasee. "Bis vor kurzem war es total entspannt da", sagt er. Nackerte und Leute in Badesachen hätten Handtuch neben Handtuch harmonisch in der Sonne gelegen - bis die Kontrolleure kamen. An jedem schönen Tag seien die Ordner dieses Jahr am See auf- und abgegangen und hätten patrouilliert. "Die haben die Leute regelrecht zusammengepfiffen", empört sich der überzeugte Nudist. Selbst austricksen ließen sich die Ordner nicht: "Die verstecken sich hinter den Büschen und schauen, ob man sich wieder auszieht."

Nacktheit in der Kunst
:Nackt, wie das Waxing-Studio sie schuf

Schwänzchen in die Höh' als Kunst-Performance - das taugt nicht mehr als Skandal. Die wahren Schocker der Körperinszenierung liefert heute der "Playboy".

Von Gerhard Matzig

Badenden, die mehrmals ohne Kleidung erwischt wurden oder die sich weigerten, etwas anzuziehen, hätten die Ordnungshüter Platzverweise erteilt. Ein paar Mal rückte sogar die Polizei an. Was Fahmüller berichtet, erinnert stark an Louis de Funès, der als "Gendarm von Saint Tropez" in den Sechzigern Jagd auf Nudisten machte: So lassen sich auch die modernen Unterföhringer Gendarmen offenbar nicht von den Nacktbadern austricksen. "Die verstecken sich hinter den Büschen und schauen, ob man sich wieder auszieht." Diese Menschen, so der Baldhamer FKK-Aktivist, machten mit ihrer Kontrollwut das "ganze Sozialgefüge" kaputt.

Elisabeth Fabricius, 68 und Rentnerin aus Bogenhausen, gehört auch zu der Freikörperkulturszene. Sie findet ebenfalls: Die "königlich bayerische Ruhe", die immer am See herrschte, sei gestört. Dabei weiß Fabricius, dass sie und ihre Bekannten streng genommen gegen die Regeln verstoßen: Vor vier Jahren erließ die Gemeinde Unterföhring eine Verordnung, die das Nacktbaden außerhalb des offiziellen FKK-Bereichs am Feringasee verbietet.

Verordnung hin oder her - in den Augen der Rentnerin ist es einfach ein ungeschriebenes Gesetz gewesen, dass speziell an dieser Stelle alle so baden konnten, wie sie wollten. "Wir kennen uns ja alle. Da begrüßt man sich mit einem Servus. Und dann legt sich jeder auf seinen Stammplatz." Dass sich jemand über den Anblick der vielen nackten Körper beschwert haben könnte, mag sie sich nicht vorstellen.

80 FKKler sind aus Frust bereits abgewandert

Weil der Ärger in diesem Sommer so groß wurde, sind heuer etwa 80 Leute zu anderen Seen abgewandert, schätzt Fahmüller. Darunter nicht nur FKKler, sondern auch Männer und Frauen, die Bikini und Badehose tragen - Freunde und Partner von Nacktbadenden, und Leute, die immer mehr genervt gewesen seien von den ständigen Patrouillen am See. Fahmüller und Fabricius wollen sich jedoch nicht vertreiben lassen, sondern weiterkämpfen. Deshalb haben sich inzwischen immer mehr Mitstreiter mit Trillerpfeifen ausgestattet, um sich gegenseitig zu warnen. In einer Whatsapp-Gruppe tauschen sich etwa 30 Mitglieder aus und schimpfen über die Kontrolleure.

Im Münchner Landratsamt, das den Sicherheitsdienst beauftragt hat, wundert man sich über die Aufregung. Die Nacktbadenden nutzten den Bereich seit Jahren illegal und der Wachdienst sei dort ebenfalls schon lange unterwegs, sagt Pressesprecherin Christina Walzner. So wie an allen anderen Seen im Landkreis achte der Dienst darauf, dass die geltenden Vorschriften eingehalten würden. Und nackt zu baden, wo es nicht erlaubt ist, sei nun mal als Ordnungswidrigkeit einzustufen. "Es gehört daher zu den Aufgaben von Polizei und Wachdienst, die betroffenen Personen zur Einhaltung der Bestimmungen anzuhalten."

Bleibt die Frage, warum die FKK-Anhänger nicht einfach dort baden, wo nackt sein erlaubt ist - auf der Halbinsel am See. "Weil es dort ein Spannerproblem gibt", sagt Eduard Fahmüller. Ähnlich äußert sich Elisabeth Fabricius: "Dort wird man von Kopf bis Fuß angestarrt." Weil sich Beschwerden von Nacktbadenden häuften, errichtete die Gemeinde Unterföhring vor zwei Jahren einen Sichtschutz mit einer Art Schleuse und Hinweisschildern in mehreren Sprachen, die auf den FKK-Bereich hinweisen. Für Fahmüller und Farbicius kommt es trotzdem nicht infrage, sich dort im offiziellen Bereich niederzulassen. "Wieso", fragt die Rentnerin, "kann man so ein friedliches Miteinander nicht einfach so lassen, wie es war?"

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNacktwanderer Stephen Gough
:Das Nackte leben

Weil er unbekleidet herumläuft, hat der Brite Stephen Gough bereits mehr als zehn Jahre im Gefängnis verbracht. Es geht ihm nicht um seinen Körper, sondern ums Prinzip für sich selbst, die Justiz und die Gesellschaft.

Von Johannes Waechter, SZ-Magazin

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: