Mutterschutz nach Fehlgeburten:"Der Wille ist da. Aber die Umsetzung ist das, was am Ende entscheidet"

Lesezeit: 3 min

Die Unterföhringerin Natascha Sagorski setzt sich seit Jahren für einen besseren Mutterschutz für Frauen nach Fehlgeburten ein. Das Foto zeigt sie bei einer Aktion in Berlin in diesem Jahr. (Foto: Natascha Sagorski/Fulmidas)

Die Unterföhringerin Natascha Sagorski will die Stellung von Frauen verbessern, die ihr Kind in einer frühen Schwangerschaftsphase verlieren. Bei einem Fachgespräch im Bundestag erfährt sie viel Zuspruch. Doch die Zeit drängt, wenn in dieser Legislaturperiode noch etwas passieren soll.

Von Laura Geigenberger, Unterföhring

Dem großen Schneechaos ist Natascha Sagorski gerade noch so zuvorgekommen. Am 30. November waren Straßen und Schienen noch frei und damit auch die Stecke nach Berlin, welche die 39-Jährige von Unterföhring aus anzutreten hatte, um einen wichtigen Termin wahrzunehmen: ein Fachgespräch im Familienausschuss im Bundestag. Dort war Sagorski als Expertin geladen, um ein Anliegen vorzubringen, für das sie seit nunmehr fast fünf Jahren kämpft: eine Gesetzesänderung, die allen Frauen in Deutschland nach einer Fehlgeburt das Recht auf eine mehrwöchige Mutterschutzzeit einräumt. Für Sagorski war es bereits die zweite Anhörung in Berlin in diesem Jahr und so langsam ist nach ihrer Aussage spürbar, dass sich "etwas bewegt".

Am Tag nach der Fachtagung klingt die Unterföhringerin, die neben ihrem familienpolitischen Engagement zudem als Autorin tätig ist, dementsprechend gut gelaunt. Der Termin sei für sie ein "sehr schöner" gewesen, erzählt sie: "Ich musste diesmal gar nicht mehr erklären, warum wir diese neue Regelung brauchen. Vielmehr ging es jetzt um die Umsetzung - ab wann sollte der Mutterschutz greifen, wie können ihn gestalten und finanzieren. Das war für mich ein wahnsinniger Schritt."

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Sagorski erlitt 2015 selbst eine Fehlgeburt und sollte bereits am Folgetag wieder zur Arbeit erscheinen - gemäß der aktuellen Rechtslage hatte sie kein Anrecht auf eine Schutzfrist. Von diesem Erlebnis schockiert startete sie 2022 eine Petition. Ihre Forderung: ein sogenannter gestaffelter Mutterschutz, der sich von den ersten Schwangerschaftswochen an sukzessive aufbaut und nicht wie bisher von standardisierten Faktoren, etwa dem Geburtszeitpunkt und -gewicht des Kindes, abhängig gemacht wird. Mehr als 70 000 Unterschriften kamen zusammen; seither befasst sich der Petitionsausschuss des Bundestages mit dem Anliegen.

Der Koalitionsvertrag der Ampel sieht eine Reform des Mutterschutzgesetzes vor, nach der Frauen bei einer Fehl- beziehungsweise Totgeburt künftig nach der 20. statt wie bisher nach der 24. Schwangerschaftswoche Mutterschutz gewährt werden soll. Natascha Sagorski hält das allerdings für realitätsfern: "80 Prozent aller Fehlgeburten finden im ersten Trimester - in den ersten 13 Wochen einer Schwangerschaft - statt", sagt sie. "Wenn das Mutterschutzgesetz geändert wird, aber 80 Prozent aller Betroffenen von dem Angebot ausgeschlossen sind, wäre das doch ein verheerendes Signal." Ihr zufolge müssten alle Mütter nach einer Fehlgeburt die Möglichkeit haben, die traumatische Erfahrung zu verarbeiten und angemessen zu trauern. Sie bräuchten dafür Ruhe und Zeit - eine starre Stichtagsregelung wie die geplante sei unangemessen.

Gemeinsam mit einer Expertenkommission hat Sagorski deshalb einen eigenen Gesetzesentwurf zum gestaffelten Mutterschutz ausgearbeitet und am Donnerstag vor dem Bundestagsausschuss vorgestellt. Darin fordert sie einen mindestens vierzehntägigen Mutterschutz für alle Frauen, die zwischen der sechsten und 14. Schwangerschaftswoche ihr Kind verlieren. Anschließend gilt: Je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft, desto länger die Schonzeit. Bei einer Fehlgeburt bis zur 23. Woche sollen Frauen so zwischen vier und sechs Wochen in Anspruch nehmen können; von der 24. Woche an bis zu zwölf. Das Angebot will Sagorski freiwillig halten, damit jede Betroffene selbst entscheiden kann, ob sie davon Gebrauch machen will oder nicht.

Darüber hinaus hat sich Sagorski bei dem Fachgespräch in Berlin für einen zusätzlichen Kündigungsschutz für Betroffene starkgemacht. "Denn hat eine Frau eine Fehlgeburt nach der zwölften Woche, bekommt sie einen viermonatigen Kündigungsschutz, aber wenn sie ihr Baby kurz davor verliert, kann sie einfach entlassen werden", sagt Sagorski. "Ich habe deshalb den Politikern bei der Anhörung gesagt: Es kann nicht mehr sein, dass eine Frau benachteiligt wird, weil sie schwanger ist, war oder werden möchte. Wenn wir das nicht ändern können, kommen wir nie zur Gleichberechtigung in der Arbeitswelt."

"Es war wirklich ein Miteinander, und das erlebt man wirklich selten"

Bei den Innungskrankenkassen, die bei der Finanzierung des gestaffelten Mutterschutzes gefragt wären, seien ihre Forderungen mittlerweile auf offene Ohren gestoßen. "Die haben sich im Kontakt mit mir proaktiv dafür ausgesprochen, weil sie festgestellt haben, dass eine solche Regelung einfach sehr wichtig ist", sagt die Unterföhringerin. Auch aus der Bundespolitik kämen starke positive Signale. Bei der Anhörung in Berlin habe sie fraktionsübergreifend viel Unterstützung erfahren: "Es war wirklich ein Miteinander, und das erlebt man wirklich selten."

Der nächste Schritt sei nun, dass die Parteien sich "hinsetzen, gemeinsam aus dem Parlament heraus den Antrag auf Gesetzesänderung stellen und ihn auch gemeinsam verwirklichen". Viel Zeit bleibt dafür in dieser Legislaturperiode nicht - in knapp zwei Jahren wird bereits neu gewählt. Sie werde sich deshalb "auf jeden Fall dahinterklemmen" und weiter "Druck machen", damit die Gesetzesreform für einen gestaffelten Mutterschutz schnell von der Theorie zur Realität wird, sagt Sagorski. "Der Wille ist da. Aber die Umsetzung ist das, was am Ende entscheidet."

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