MPU:Der schlaue Weg zum Depperltest

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Immer öfter Grund für Führerscheinentzug: der Genuss von Canabis. (Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Wer seinen Führerschein wegen Drogen und Alkohol verliert, muss eine medizinisch-psychologische Untersuchung machen, um ihn zurückzubekommen.
  • Bei der Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen in Garching werden spezielle Kurse zur Vorbereitung angeboten.
  • Psychologen geht es darum, dass sich die Klienten ihrem Verhalten stellen und die Hintergründe erkennen.

Von Gudrun Passarge, Garching

Die Fahrt von Max P. (Name von der Redaktion geändert) endete vorzeitig. Er hatte sich bekifft ans Steuer gesetzt und war von der Polizei kontrolliert worden. Führerschein weg, zwei Punkte in Flensburg, 500 Euro Geldstrafe. Die Staatsanwaltschaft verpflichtete P., an einem einjährigen Drogenkontrollprogramm teilzunehmen und sich anschließend einer medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zu stellen, bevor er seine Fahrerlaubnis zurück bekommt. Rückblickend sagt er: "Der Verlust des Führerscheins war ein positives Ereignis in meinem Leben, weil ich sonst nicht mehr aus dieser Schiene herausgekommen wäre."

Dass der 24-Jährige die MPU - umgangssprachlich Idioten- oder Depperltest - bestanden hat und wieder im Auto unterwegs ist, sei auch der Vorbereitung durch die Caritas-Fachambulanz für Suchterkrankungen in Garching zu verdanken, sagt der junge Mann. Dort werden spezielle Kurse angeboten. Gedacht sind sie für Menschen, die nach einer Fahrt mit dem Auto oder dem Fahrrad unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ihren Führerschein verloren haben. Die Grenze liegt bei 1,6 Promille, bei Wiederholungstätern auch darunter, berichtet Nicola Tschunke, die als Psychologin in der Fachambulanz arbeitet.

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Sie konstruiert ein fiktives Beispiel, um die Arbeitsweise der Suchtberatung zu demonstrieren: Ist jemand mit 1,8 Promille kontrolliert worden, sollte er zunächst Abstinenznachweise bringen. Das bedeutet, er muss wie im Fall von Max P. ein Jahr lang in bestimmten Abständen Haar- oder Urinproben abgeben. Den Zeitpunkt bestimmen die Behörden und teilen es den Betroffenen kurz vorher mit. Außerdem wird nach einem Jahr Abstinenz eine medizinisch-psychologische Untersuchung verlangt. Eben darauf bereitet die Caritas vor. Sie fordern ihre Klienten auf, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Was ist passiert? Warum ist es passiert? Wo steht der Mensch gerade? Welche Konsummuster kann er erkennen? Handelt es sich um regelmäßigen Missbrauch oder liegt eine Abhängigkeit vor? Max P. erzählt, er sei nach dem Abitur "so hineingeraten" in den Cannabis-Konsum. Viel Zeit, die entsprechenden Freunde. "Ich habe schon recht intensiv konsumiert."

Der Psychologin geht es darum, dass sich die Klienten ihrem Verhalten stellen und die Hintergründe erkennen. Wichtig sei es, Alternativen für den Konsum zu erarbeiten. Etwa mehr Sport zu treiben oder Entspannungsübungen zu erlernen oder andere Mittel zu finden, um nicht mehr in die alten Verhaltensmuster zurückzufallen. Manchmal hätten solche Sitzungen auch sehr therapeutischen Charakter, sagt Tschunke. Insgesamt sind elf Einheiten zu jeweils zweieinhalb Stunden vorgesehen. Manche würden versuchen, das abzukürzen. Ein junger Mann kam mal mit dem Ansinnen: "Sie sagen mir jetzt, was ich bei der MPU sagen muss, damit ich den Führerschein wieder bekomme."

Doch so funktioniere die Beratung der Caritas nicht. "Wir sind keine Souffleusen", sagt Tschunke. Es nutze auch nichts, wenn sich jemand vormache, er sei nur gerade unglücklicherweise an jenem Tag angehalten worden. "Da muss man dran arbeiten, dass der Klient einsichtig ist." Und daran, dass er sein Verhalten ändert.

Immer mehr Menschen konsumieren Cannabis

Laut Tschunke sind es in Garching hauptsächlich Männer, die zur Beratung kommen, viele von ihnen mit einem Cannabis-Problem. Nach Angaben der Psychologin hätten sich die Zahlen nach der Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken stark verändert. Von knapp 1000 im Jahr stieg die Zahl der Menschen, die aus medizinischen Gründen beantragen, Cannabis verschrieben zu bekommen, auf 70 000, etwa 30 000 wurde stattgegeben. Doch das bedeutet natürlich nicht, dass sich jeder Schmerzpatient nach dem Konsum der Hanfpflanze ins Auto setzen und losfahren darf. Tschunke spricht von einem Graubereich, auch die Gesetzgebung sei da noch nicht ganz eindeutig.

Wer sich auf die MPU vorbereitet, sollte wissen: "Das Begutachtungsgespräch lebt von Ehrlichkeit und Authentizität", wie die Psychologin sagt. Max P. bestätigt das. Der Abschied vom Hasch sei ihm nicht sehr schwer gefallen, anders als er es erwartet hat, seien auch die Entzugserscheinungen ausgeblieben. In dem Kurs der Caritas habe er sich gut auf die MPU vorbereiten können, die er unbedingt bestehen wollte, "der Führerschein ist mir sehr wichtig". Im Gespräch mit dem Psychologen bei der MPU habe er seine Situation offen dargelegt. "Ich habe es so erzählt, wie es vorgefallen ist." Und er habe den Eindruck gehabt, dass der Psychologe ihm das auch abgenommen habe.

Als schwieriger habe er jedoch den Reaktionstest empfunden. "Da hat man oft nur eine Sekunde Zeit, um die richtige Entscheidung zu treffen." So muss man etwa sagen, was gerade auf einem Bild zu sehen ist, oder reagieren, wenn etwas passiert. Doch Max P. hat seinen Führerschein inzwischen zurück. Den Gruppenkurs bei der Caritas, der 465 Euro gekostet hat, empfindet er als "zielführend und preiswerte Alternative" gegenüber manch anderen Angeboten. Auch Einzelgespäche bei der Caritas sind möglich. Verpflichtet wird niemand, so eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

Die Caritas berät im Landkreis München etwa 250 Männer und Frauen im Jahr. Swenja Heinrich-Varga, die bei der Caritas die MPU-Vorbereitung koordiniert, rät dennoch allen Betroffenen, sich frühzeitig nach dem Entzug des Führerscheins zu melden. "Umso besser sind die Möglichkeiten einer umfassenden Hilfe und damit die Aussichten auf Erfolg."

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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