Mitten in Taufkirchen:Ausgestochen von den Nachbarn

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Landrat Christoph Göbel geht ohne Landkreiswappen am Revers aus dem Haus und steht mit leeren Händen da.

Kolumne von Iris Hilberth

Früher gab es unter Wohnwagenbesitzern und Wohnmobilfahrern einen harten Wettbewerb, wer die meisten Aufkleber auf seinem Urlaubsgefährt vorweisen kann. Manchmal sieht man sie noch heute mit den Stickern herumfahren: Der große Elch aus Lappland ist fast immer dabei, auch der "Tête de maure", der Korsenkopf. Daneben allerlei Flaggen und Kennzeichen aus ganz Europa, dazwischen das Stadtwappen von Königswinter, unvermeidlich die einem schwarzen Vogelschiss ähnelnde Silhouette von Sylt, vielleicht sogar das Abzeichen vom Campingplatz Ruhrbrücke und der selbstklebende Beweis, dass man schon in Land's End war. Weltenbummler sind nicht frei von Prahlerei und Konkurrenzdenken.

Andererseits sind solche Leute, die kostenlos Werbung um die halbe Welt fahren, für die Tourismusbüros und Marketingchefs der Fremdenverkehrsorte natürlich Gold wert. Wie ärgerlich ist es dann, wenn man gerade keine Aufkleber vorrätig hat und den weit gereisten Sammler enttäuschen muss. Denn der noch freie Platz auf dem Anhänger bleibt dann den Mitbewerbern.

So in etwa ist es Landrat Christoph Göbel beim Starkbieranstich in Taufkirchen ergangen. Der Gstanzlsänger Hubert Mittermeier, alias Erdäpfekraut, hatte im Ritter-Hilprand-Hof gerade seinen letzten Reim vorgetragen, da trat er an den Tisch des Landrats. Das Auffälligste an seinem Outfit: Der lange schwarze Gehrock war über und über voll mit Anstecknadeln. Wo der Mann mit seinem Spottgesang schon überall aufgetreten ist! Göbel war beeindruckt und wurde zugleich sichtlich nervös. Denn jetzt wollte der Künstler vom Landrat eine weitere Nadel, eine aus dem Landkreis München.

Ganz klar, das Wappen war hier gefragt: Links die bayerischen Rauten, rechts Schwarz und Gold, darüber der schräge silberne Wellenbalken, der die Isar symbolisieren soll. Göbel griff sich zunächst selbst ans Revers. Doch da war nichts. Er war ohne Nadel aus dem Haus gegangen. Kein Wellenbalken. Kein Schwarz, kein Gold. Auch in den Taschen seines Jankers herrschte Ebbe an Rauten aus Blech. Der Gstanzlsänger zeigte ihm unterdessen seine opulente Sammlung. Besonders bitter für Göbel: Links das Wappen aus Fürstenfeldbruck, daneben Dachau. Ach ja, Ebersberg steckt auch schon dran. Was blieb Göbel anderes übrig, als zu versprechen, per Post nachzuliefern. Noch einmal passiert ihm das garantiert nicht. Wer sich also demnächst fragt, warum der Landrat ausgebeulte Jackentaschen hat: Die Konkurrenz muss man jederzeit ausstechen können.

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