Mitten im Landkreis:Das Lächeln ist zurück

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Nachdem der Zwang zur Maske in den Geschäften gefallen ist, ist die Welt wieder freundlicher.

Kolumne von Claudia Wessel

Wat is en Gesicht? Da stelle ma uns ma janz dumm - genau wie der Lehrer Bömmel in der Feuerzangenbowle, und vergessen alles, was in Sachen Corona und Maske an Fakten und Wissenschaft gesagt und diskutiert wird. Das sollen die Virologen, Politiker und andere Fachleute in Studien und Zahlenspielen analysieren und ihre Regeln entsprechend gestalten. Wir genießen jetzt einfach mal den Sommer und die Tatsache, dass die Regel zum Beispiel beim Einkaufen lautet: Maske freiwillig.

Und da simmer mal janz abenteuerlustig und lassen dat Ding einfach weg und freuen uns über Gleichgesinnte, die das Experiment ebenfalls wagen (dürfen), wie etwa die Bedienungen bei manchem Bäckerladen oder in dem ein oder anderen Supermarkt. Was die ungewohnte Erfahrung hervorzaubert, zu freundlichen Worten wieder Gesichter präsentiert zu bekommen. Und das unverhoffte Erlebnis, dass es reflexartig etwas im eigenen Gesicht auslöst, wenn ein Gegenüber ohne Maske zu einem spricht. Es handelt sich um ein Hochziehen der Mundwinkel, meist kombiniert mit einem freundlichen Blick in die Augen des anderen Menschen, etwas, das in all den flüchtigen Alltagsbegegnungen fast zwei Jahre lang vom Erdboden verschluckt beziehungsweise hinter an Krankheit und Krankenhaus erinnernden Gesichtsbedeckungen verborgen war. Man nennt es Lächeln.

Wie viele Gelegenheiten es tagtäglich doch zum Lächeln gibt, das hatte man total vergessen. Wenn die Kassiererin im Supermarkt "Noch ein schönes Wochenende" wünscht und man "Danke, gleichfalls" sagt - schwupp, haben sich die Mundwinkel nach oben gezogen, man spürt diese fast verlernte Muskelbewegung in den Wangen, die gleichzeitig Endorphine ausschüttet. Man spürt, wie etwas zwischen der Kassiererin und einem selbst entsteht, eine kleine sonnige Energie, die beide mitnehmen können in den Rest des Tages und in weitere Begegnungen.

Ganz viel Lächeln, ja Lachen, ist plötzlich auch hinter der Theke beim Bäcker, wo man neben Haaren, Haarfarben und Augen plötzlich auch Wangen und Lippen sieht, die alle so unterschiedlich sind. Fast vergisst man die eigene Bestellung vor lauter Staunen und Genießen dieses Anblicks, und ein "Drei Euro zehn, bitte" aus dem Mund der Verkäuferin zieht schon wieder die Mundwinkel nach oben beim "Danke schön, auf Wiedersehen". Diese Erlebnisse haben mutig gemacht, sodass man beim Termin bei einem neuen Arzt den Mann ganz in Weiß, inklusive halbes Gesicht, gebeten hat, nur für einen kurzen Moment mal die Maske abzunehmen, nur für ein kleines gegenseitiges Lächeln. Er hat mitgemacht und seine vollen Lippen und geraden Zähne kurz gezeigt. Und dann gesagt: "Gute Idee."

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