Kommunalfinanzen:Gewürge ums Geld

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Obligatorisches Weihnachtsgeschenk für die Kreisräte: Ismaninger Krautköpfe. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Münchner Kreistag verabschiedet den Haushalt 2023 beinahe einstimmig, dabei ist vor allem die Schaffung von fast 150 neuen Stellen für das Landratsamt bis zuletzt massiv umstritten.

Von Stefan Galler, Ismaning

Es ist gute Tradition, dass die finale Kreistagssitzung eines Jahres im Ismaninger Bürgersaal stattfindet, dazu gehört auch, dass jeder Kreisrat einen Krautkopf als Weihnachtsgeschenk der Gastgeber-Gemeinde mit nach Hause nehmen darf. Und seit 2021 gibt es zudem noch ein Sortiment von Biersorten aus der Ismaninger Brauereigenossenschaft, wobei Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) am Montag betonte, dass das Bier bewusst nicht gekühlt auf die Tische der Lokalpolitiker gestellt wurde, "damit die Haushaltsverhandlungen nicht verschlafen werden".

Man hätte ein ziemlich umfangreiches Nickerchen halten können, bis letztlich alle Plädoyers für und wider Stellenplan und Jahresbudget 2023 in epischer Breite vorgetragen waren, und das obwohl sich doch auch der Finanz- und der Kreisausschuss jeweils in ihren beiden jüngsten Sitzungen mit der Thematik auseinandergesetzt hatten.

Wie soll eine personelle Aufstockung der Ausländerbehörde finanziert werden? Landtagskandidat Böltl hat eine Idee

Vor allem an den bis zu 149 neuen Stellen für das Landratsamt schieden sich abermals die Geister. Die SPD lehnte diese weiterhin ab und ihr Fraktionsvorsitzender Florian Schardt wiederholte seine Bedenken vor allem mit Blick auf die künftigen Jahre, in denen es - darüber ist man sich fraktionsübergreifend einig - finanziell enger werden dürfte. "Das Landratsamt hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt", klagte Schardt. Während die Zahl der Beschäftigten 2011 noch 20 Prozent unter dem Schnitt vergleichbarer Ämter gelegen habe, sei man schon 2020 satte 14 Prozent über dem Schnitt gelegen.

CSU-Kreisrat Maximilian Böltl wird von seiner Fraktion gefeiert. (Foto: Claus Schunk)

Speziell die schlecht zu kalkulierende Flüchtlingssituation löste wie in den Ausschüssen zuvor auch im Kreistag Debatten aus. Der Plan von Landrat Christoph Göbel (CSU) ist es, zehn von 80 Personen, die von der Regierung von Oberbayern ursprünglich zur Nachverfolgung von Corona-Kontakten eingestellt wurden und deren Arbeitsverhältnis nun endet, künftig für ein halbes Jahr im Ausländeramt einzusetzen. Wie eine darüber hinaus gehende Finanzierung dieser Arbeitskräfte aussehen könnte, bereitete Landrat und Kreisräten Kopfzerbrechen. Zumindest bis Maximilian Böltl von der CSU mit seinem Vorschlag in Aktion trat, die Deckungsreserve im Etat zu erhöhen, um von Juli an genügend Mittel für die Bezahlung der Mitarbeiter zu haben, ohne einen Nachtragshaushalt zu benötigen.

Die CSU-Fraktion feiert den Kirchheimer Bürgermeister, der bekanntlich in den Landtag wechseln will, als ihren neuen Helden, auch die Freien Wähler sahen in Böltls Vorstoß eine gute Lösung und sogar die Grünen - obgleich Susanna Tausendfreund relativierte, der Vorschlag sei "gangbar, aber auch ein bissl Gewürge". Und Schardt wunderte sich darüber, dass "der Landrat nach monatelangen Diskussionen beim Stellenplan Nachhilfe" benötige. "Vielleicht hat er ja doch seine Hausaufgaben nicht gemacht", frotzelte der Sozialdemokrat.

CSU-Mann Weidenbusch will sich von den Grünen nicht "linken" lassen

Der Idee der Grünen-Kreisrätin und Landtagsabgeordneten Claudia Köhler, der Kreistag solle einen gemeinsamen Antrag an den Landtag richten, um zu erwirken, dass den Kommunen vom Freistaat "ausreichend Stellen zur Verfügung gestellt" werden, erteilte der stellvertretende Landrat Ernst Weidenbusch (CSU) eine harsche Absage: "Ich bin seit 19 Jahren im Landtag und würde keinen gemeinsamen Antrag mit den Grünen unterschreiben, weil ich Angst hätte, gelinkt zu werden."

SPD-Fraktionschef Florian Schardt sieht von seinen Bedenken "etwas angekommen". (Foto: Sebastian Gabriel)

Letztlich stimmten bis auf die SPD und die AfD-Gruppe alle Anwesenden für den Stellenplan, beim Haushalt wäre es dann laut Fraktionschef Schardt auch für die Sozialdemokraten "unangemessen" gewesen, nicht zuzustimmen. "Wir sehen es als Erfolg an, dass wir so diskutieren. Es scheint etwas von unseren Bedenken angekommen zu sein", sagte der Ottobrunner. Bei den Einzelkritiken durch die Fraktionen fiel auf, dass für die Christsozialen nicht wie seit Jahren der erfahrene Kreisrat Helmut Horst das Wort ergriff, sondern die 31 Jahre alte Grünwalderin Annabella Wünsche.

Am Ende hatten sich dann alle wieder gern, Landrat Göbel würdigte die Zusammenarbeit "über Fraktionsgrenzen hinweg" und seine eigene Politik der Prävention, die etwa stark sinkende Ausgaben in der Jugendhilfe zur Folge gehabt hätte. Neben den Säulen Soziale Sicherung und Ausbau der Schullandschaft liege das Augenmerk des Landkreises in Zukunft vor allem auf dem öffentlichen Nahverkehr, alleine in diesem Bereich würden 2023 etwa 76 Millionen Euro investiert. "Nur wenn wir die Mobilität der Menschen sicherstellen, können wir auch die wirtschaftliche Prosperität unseres Landkreises aufrechterhalten", so Göbel.

Die Eckpunkte des Landkreis-Haushaltes 2023

Umlagekraft: 1,4 Milliarden Euro, kalkulierte Einnahmen: 695,2 Millionen Euro, zu leistende Bezirks- und Krankenhausumlage: 334 Millionen Euro, Kreisumlage: 48 Prozentpunkte, Volumen Verwaltungshaushalt: 909,4 Millionen Euro, Volumen Vermögenshaushalt: 240,8 Millionen Euro, Kreditaufnahme/-ermächtigung: 211,0 Millionen Euro, Allgemeine Rücklage zum 31. Dezember 2023: 10,1 Millionen Euro, Schuldenstand zum 31. Dezember 2023: 274,8 Millionen Euro.

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