Coronavirus im Landkreis:Auf der Jagd nach Impfwilligen

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Auch für Kinder und Jugendliche ist das Impfen möglich - wie in Unterhaching auf dem Marktplatz. (Foto: Claus Schunk)

Wenn die Bereitschaft zur Immunisierung lahmt, dann fahren die Johanniter mit dem Bus und dem Impfstoff zu den Menschen. Weggeworfen werden mussten bisher noch keine Dosen, und in den Impfzentren rechnen sie damit, dass bald wieder mehr Leute kommen.

Von Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl, Oberhaching/Unterhaching

Der Bus hat dunkle Scheiben und erinnert somit von außen ein wenig an die Gefährte hochklassiger Fußballmannschaften. Doch dieser Bus, der auf dem Unterhachinger Rathausplatz etwas abseits der Marktstände parkt, hat etwas anders an Bord: Biontech, Astra Zeneca und Moderna - alles gut gekühlt. Wer will, kann die Corona-Impfstoffe sofort in den Arm bekommen, eine Anmeldung ist nicht nötig. Besonders viele sind es an diesem Ferientag aber nicht. Wie überhaupt das Impfen im Landkreis München aktuell schleppend läuft. Das ist mit ein Grund, warum Busse wie dieser der Johanniter-Unfallhilfe nach und nach viele Orte im Landkreis anfahren. Wenn die Menschen nicht zum Impfen kommen, muss der Impfstoff eben zu den Leuten gebracht werden.

Die Firma Geldhauser hat den Bus, wie man ihn vom Linienverkehr im MVV kennt, umgerüstet. Durch den hinteren Einstieg gelangt man zur Anmeldung, wo sonst die Sitzplätze für die Fahrgäste installiert sind, gibt es auf beiden Seiten des Mittelgangs je eine Kabine für Arztgespräch und Immunisierung. Nach der Spritze nur noch auschecken beim Sanitäter vorne im Fahrerbereich, und schon gilt man als geimpft. Neben dem Bus ist stets noch ein Pavillon als Wartebereich aufgebaut, dort können die Geimpften noch für eine Viertelstunde Platz nehmen.

Wartezeiten gibt es eher nicht. Am Dienstag machte der Bus Station auf dem Bahnhofsplatz in Sauerlach, bis Mittag hatten gerade einmal 14 Personen das Angebot wahrgenommen. "Es waren alle Altersgruppen dabei, sowohl Jugendliche als auch Ältere", sagt ein Mitarbeiter der Johanniter. Auch eine Frau über 80 habe sich spritzen lassen. Sie habe gesagt, sie sei nicht mobil und froh über das Angebot in ihrem Ort gewesen.

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Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, seine Corona-Impfung zu bekommen. Am Impfzentrum in Riem wird wieder mehr geimpft - und im ganzen Stadtgebiet gibt es erneut Sonderaktionen. Die Stationen im Überblick.

Auch in Unterhaching hält sich der Andrang in Grenzen. Immerhin 30 bis 40 Leute sind am Vormittag schon da gewesen, berichtet Julia Schweck vom sechsköpfigen Johanniter-Team. Einige seien spontan vorbeigekommen. Am Eingang zum Ortszentrum hatte das Impfteam einen Hinweis auf die heutige Sonderaktion platziert. Unter den frisch Geimpften sind auch einige Jugendliche, das Angebot richtet sich an alle über zwölf Jahre. "Manche lassen sich vor dem Urlaub noch impfen, für andere geht es darum, immunisiert zu sein, wenn die Schule wieder anfängt", sagt die Sanitäterin. Genügend Impfstoff haben sie in einem Kühlschrank an Bord. Und sollte er ausgehen, lagert im Impfzentrum in Oberhaching Nachschub. An diesem Freitag steht der Impfbus in Oberschleißheim und in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, am Samstag in Garching, Unterföhring und Grünwald.

Weiterhin gibt es die Spritzen auch in den Impfzentren. Im Eingangsbereich des Impfzentrums am Oberhachinger Keltenring steht eine ganze Familie vor dem Absperrband: Vater, Mutter, zwei Jugendliche. Vor ihnen wartet eine Mitarbeiterin der Johanniter mit einem Fieberthermometer, das sie jedem Besucher vor die Stirn hält. Zutritt wird nur gewährt, wenn keine erhöhte Temperatur gemessen wird. Vieles, was sich in der nun schon eineinhalb Jahre währenden Pandemie bewährt hat, wird kontinuierlich weiter praktiziert. Manches aber unterliegt Schwankungen, und die Mitarbeiter der vier Impfzentren im Landkreis lernen auch immer wieder Neues dazu, müssen sich neuen Herausforderungen stellen.

Ob in den Impfzentren oder im Impfbus: Aktuell sind Immunisierungen spontan und ohne Voranmeldung möglich. (Foto: Claus Schunk)

Bis zu 700 Menschen wurden auf dem bisherigen Höhepunkt der Impfkampagne auf zwei Etagen im Oberhachinger Impfzentrum täglich geimpft; Mitte dieser Woche seien es nur zwischen 150 und 300 am Tag gewesen, sagt Markus Bauer, der Leiter des Impfzentrums. An diesem Mittwoch ist nur eine der beiden Etagen geöffnet. Der Andrang habe spürbar nachgelassen, seit die Corona-Beschränkungen im Juni massiv gelockert wurden, sagt Bauer. Von einer Impfmüdigkeit will er nicht sprechen. Vielmehr sei ein anderer Aufgabenbereich ungleich wichtiger geworden: die Beratung. Acht Mitarbeiter sitzen im Callcenter, einem Großraumbüro unterm Dach, alle natürlich auf Abstand bedacht. Hunderte Anrufe gehen hier am Tag ein, mehr als 3000 waren es auf dem Höchststand. Wollten die Menschen im Frühjahr vor allem wissen, wann sie geimpft werden, stehen mittlerweile andere Fragen im Fokus: Skeptische Erwachsene wollen über Risiken aufgeklärt werden und Eltern fragen, ob sie ihre Kinder impfen lassen sollen. Zwei Ärzte, meistens Kinderärzte, sind immer anwesend, um telefonisch oder an Ort und Stelle zu beraten.

"Wir nehmen uns dafür viel Zeit", sagt Kinderärztin Aina Björvik, die in einer Poinger Praxis arbeitet. "Aber wir überreden niemanden. Wir sprechen mit klarer Sprache, legen die Fakten dar und zeigen die Optionen auf." Niemand müsse aus dem Impfzentrum mit einer Spritze hinaus gehen. Sie habe schon länger Erfahrung mit Impfungen bei Jugendlichen, sagt Björvik, habe etwa Lehrlinge immunisiert. Und sie befürwortet auch Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige, wenngleich sie eine Impfpflicht ablehnt. "Die Eltern müssen sich das mit ihren Kindern überlegen. Aber die Impfung an sich ist wichtig. Als Kinderärztin sage ich: Ein neuer Lockdown wäre für Kinder schon wegen der sozialen und psychischen Folgen unerträglich."

In Oberhaching achtet Markus Bauer darauf, dass keine Dosis abläuft. (Foto: Claus Schunk)

Der Impfstoff lagert in Oberhaching in einer kleinen Kammer im ersten Stock, rein darf nur, wer schon geimpft ist. Trotz der momentan lahmenden Impfkampagne sei noch keine einzige Dosis weggeschmissen worden, sagt Leiter Bauer. "Man muss flexibel planen." Die Studienlage ist inzwischen besser und die Haltbarkeit der Stoffe länger." Es sei wie im Haushalt, sagt Bauer: "Wenn ich fünf Flaschen Milch im Kühlschrank habe, nehme ich erst diejenige raus, die als erstes abläuft."

Wann die Zeit des Impfzentrums abläuft, ist indes noch nicht geklärt. Landrat Christoph Göbel (CSU) hatte vor wenigen Wochen angekündigt, die Zentren in Unterschleißheim, Planegg und Oberhaching im Herbst zu schließen und auf mobile Impfteams zu setzen. Eine Ankündigung, die Bauer nicht versteht. "Fachlich halte ich die Auflösung für einen Fehler. Hier ist die Leidenschaft fürs Impfen vorhanden, unsere Mitarbeiter machen sich ständig Gedanken, was man verbessern kann." Wichtig sei auch, den eigenen Leuten sagen zu können, wie es nach dem 30. September weitergeht. Bis dahin läuft zunächst der Vertrag mit dem Landratsamt. Die Pandemie, so Bauer, werde dann aber nicht vorbei sein. "Die Zahlen werden wieder steigen. Außerdem kommt die dritte Impfung und wir werden sicher auch in die Schulen müssen." Schon kommende Woche wird die zweite Etage in Oberhaching wieder öffnen. Dann rollt die Welle der Zweitimpfungen an und die Johanniter rechnen mit mehr als 500 Impfungen am Tag.

© SZ vom 06.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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