Historie:Ausflüge in die Vergangenheit

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Blick in die Fröttmaninger Heide. Auf den vielen beschriebenen Routen kann man auch die Naturlandschaft genießen. (Foto: Catherina Hess)

Der Garchinger Ortshistoriker Michael Müller ist auch begeisterter Radfahrer. Diesem Umstand ist ein besonderes Buch zu verdanken, das geschichtliches Wissen mit vielen schönen Orten in der Region verbindet, die man bei Touren im Sattel erkunden kann.

Von Irmengard Gnau, Garching

Michael Müller hat mehrere Passionen. Eine davon ist die Historie, eine andere das Radfahren. Seit der studierte Gymnasiallehrer für Englisch und Geschichte vor elf Jahren in den Ruhestand getreten ist, widmet sich der Garchinger verstärkt der älteren und jüngeren Vergangenheit seines Wohn- und Lebensorts. Als Ortschronist und Archivar erforscht und sammelt er Erinnerungswürdiges aus der Garchinger Geschichte. Mit seinem jüngst erschienenen Büchlein "Radtouren auf historischen Wegen" verbindet Müller seine beiden Leidenschaften: Er versammelt darin 20 Routen, die Geschichte rund um Garching und um die Landeshauptstadt München erfahrbar machen.

Müller geht dabei weit in die Geschichte zurück, erinnert aber ebenso an die jüngere Vergangenheit der Region. So kann man sich angeleitet von seinen Vorschlägen etwa auf die Spuren der Isartalbahn von Thalkirchen nach Solln und Pullach begeben oder aber auf der Via Julia gedanklich den Römern folgen zwischen Schöngeising und Buchenhain oder zwischen Straßlach und Helfendorf.

Entlang der Kanäle bis Schloss Schleißheim

Müllers Touren laden ein zu Erkundungsfahrten an Sempt und Würm, führen durch das Hachinger Tal oder rund um Ebersberg, entlang der Moosleite von Dachau nach Freising, sie folgen den Kanälen von Nymphenburg über Schleißheim bis nach Dachau oder erinnern in Münchens Norden an die alte Trambahntrasse zwischen Hasenbergl und Scheidplatz. Neben einer stichpunktartigen Wegbeschreibung erzählt Müller zu jeder der Strecken Historisches, Wissenswertes oder Kurioses.

Michael Müller erkundet gerne die Umgebung. (Foto: Catherina Hess)

Auch im nördlichen Landkreis gibt es einiges zu entdecken. Der "Kirchenweg nach Mallertshofen" etwa verläuft auf zum Teil jahrhundertealten Pfaden von Garching bis zum versteckt in der Heide auf Oberschleißheimer Gebiet gelegenen Weiler Mallertshofen und kreuzt dabei die ganz aktuelle Garchinger Geschichte. Die Spuren des Kirchenwegs reichen weit zurück: Im 14. Jahrhundert schwelte ein Streit zwischen dem herzoglich bayerischen Garching, das seit 1180 zum Besitz der Wittelsbacher zählte, und dem Freisinger Kloster Weihenstephan.

Wie es heißt, wollte das Kloster die Garchinger Kirche übernehmen für einen von ihm bestimmten Pfarrer, wogegen sich die Garchinger wehrten. Ihre weltlichen Herren unterstützten die Dorfbewohner in ihrem Anliegen; 1339 hielten sie sogar schriftlich in den "Garchinger Freiheitsrechten" fest, dass die Bewohner Privilegien genießen, darunter, dass kein Pfarrer ohne deren Zustimmung bestellt wird. Da es damals schon zu wenige Pfarrer gab, um jede Kirche zu versorgen, war ein Geistlicher für Gottesdienste und Seelsorge für die Pfarreien Freimann, Mallertshofen, Unterschleißheim und Garching zuständig.

Da dieser - von den Weihenstephaner Klosterleitern ausgewählt - sich in Garching nicht niederlassen konnte, nahm er seinen Sitz in Mallertshofen. Was zur Folge hatte, dass der Geistliche einen weiten Weg zu gehen hatte, um seiner Pflicht auch in der Garchinger Kirche nachzukommen.

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Wer heute dem Kirchenweg folgen will, nimmt lieber das Fahrrad. Die ursprüngliche Route verlief wohl von der alten Garchinger Dorfkirche St. Katharina hinter dem Neuwirt quer über das Feld hinter dem heutigen Bürgerhaus. Heute führt der Weg vom Ortszentrum aus über die Autobahnbrücke nach Westen Richtung Garchinger See, den die Nationalsozialisten 1938 ausbaggern ließen, um Kies für die Prestigeverbindung München-Berlin zu gewinnen.

"Die Heide wurde lange als Ödland wahrgenommen."

Folgt man weiter den Schildern nach Unterschleißheim, kommt man durch das Hartlholz, am alten Lokschuppen vorbei, wo die Ödlandgenossenschaft bis Mitte der 1960er Jahre mit einer Schmalspurbahn Klärschlamm aus der Münchner Kläranlage in Großlappen nach Garching brachte, um die kargen Böden fruchtbarer zu machen; als die Zahl der Chemiebetriebe in München zunahm, wurde die Klärschlammdüngung eingestellt, um eine zu starke Belastung der Böden zu vermeiden. Noch heute muss der Erdboden in Garching bei jedem neuen Bauprojekt stark beprobt werden.

Hinter dem Lokschuppen führt eine Brücke über die 1995 eröffnete Garchinger Umgehungsstraße. Von dort aus eröffnet sich der Blick weit nach Westen hin über die Heidelandschaft. "Die Heide wurde lange als Ödland wahrgenommen", sagt Müller. Über Jahrzehnte nutzte die Bundeswehr die Flächen als Übungsplatz. Die Spuren der Panzer sind bis heute in der Landschaft erkennbar. Erst in der jüngeren Vergangenheit entdeckt man die Heide neu, ihre Bedeutung für die Artenvielfalt und ihren ganz eigenen Charme als Naherholungsgebiet. Deutlichstes Zeichen war die Gründung des Heideflächenvereins 1990, der seither das Gebiet betreut. Radler hören dort Vögel zwitschern, sehen Insekten fliegen, und wer Glück hat, kann Schafherden beim Grasen beobachten.

Alle Touren beginnen oder enden an einer U- oder S-Bahnstation. Die kürzeren Routen können auch zu Fuß unternommen werden. Das Büchlein "Radtouren auf historischen Wegen" ist erhältlich in der Buchhandlung Sirius in Garching oder direkt beim Autor zum Preis von 7,50 Euro.

© SZ vom 22.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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